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Interview: CSU-Generalsekretär Blume: „Rückenwind für Söder ist beachtlich“

Interview

CSU-Generalsekretär Blume: „Rückenwind für Söder ist beachtlich“

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    CSU-Generalsekretär Markus Blume – hier beim politischen Aschermittwoch in Passau – rät der Politik, in der Corona-Strategie keine nicht erfüllbaren Erwartungen zu wecken.
    CSU-Generalsekretär Markus Blume – hier beim politischen Aschermittwoch in Passau – rät der Politik, in der Corona-Strategie keine nicht erfüllbaren Erwartungen zu wecken. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Blume, eine Frage kann ich Ihnen nicht ersparen, bevor wir über die Corona-Politik, über CSU und CDU und über die Frage der Kanzlerkandidatur reden: Wie steht die CSU zum Fall Nüßlein? Es wäre doch eine Ungeheuerlichkeit, sollten sich die Vorwürfe gegen Ihren schwäbischen Parteifreund bewahrheiten?

    Markus Blume: Es handelt sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren. Hier werden schwere Vorwürfe erhoben, die lückenlos aufgeklärt werden müssen.

    Also gut, andere Frage: Ihr Chef Markus Söder irritiert das Publikum. Beim politischen Aschermittwoch hat er noch gesagt, Merkel-Stimmen gebe es nur für Merkel-Politik. Jetzt sieht es so aus, als wäre Söder derjenige, der vom strengen Corona-Kurs der Kanzlerin abweicht. Bayern lockert einige Regeln mehr und schneller als andere Bundesländer. Was ist da los?

    CSU-Generalsekretär Blume erklärt Söders Corona-Kurs

    Markus Blume: Ihr Eindruck täuscht. Der Kurs von Vorsicht und Umsicht gilt unverändert. Aber mit Blick auf die inzwischen gesunkenen Infektionszahlen ist es selbstverständlich, dass man den Menschen auch wieder mehr Perspektive geben muss. Das ist geschehen – und zwar regional differenziert. Wir haben in Bayern die besten Landkreise in Deutschland mit einer Inzidenz von 10. Wir haben aber auch in einigen Grenzregionen die Landkreise mit höchster Inzidenz. Deswegen ist es sinnvoll, in einzelnen Bereichen – Kitas, Schulen, Gärtnereien, Handel – Perspektiven einzulösen. Anderswo ist Vorsicht nach wie vor der alleinige Maßstab.

    Es gibt also keine Kehrtwende?

    Markus Blume: Nein. Die Menschen vertrauen seit einem Jahr dem Kurs von Vorsicht und Umsicht, der immer aktualisiert und den Gegebenheiten angepasst wurde. Damit ist Bayern gut gefahren, und dabei bleibt es auch.

    Jetzt ist es aber so, dass die Infektionszahlen aktuell wieder steigen. Virologen warnen schon vor einer dritten Welle. Was erwarten Sie von der Ministerpräsidentenkonferenz kommende Woche?

    Markus Blume: Kollektive Klugheit! Wir sind noch nicht über den Berg. In manchen Teilen Deutschlands baut sich schon eine dritte Welle auf. Die Gefahren durch die Mutationen nehmen dramatisch zu. Jede Erleichterung kann nur auf Bewährung stattfinden. Es bleibt dabei: Den Takt gibt nicht die Politik vor, sondern das Virus. Im Zweifelsfall für Sicherheit und Gesundheitsschutz zu entscheiden, war immer richtig. Insofern erwarte ich von der Ministerpräsidentenkonferenz zwar mehr Perspektive für Öffnungen. Aber für eine generelle Kursänderung gibt es keine Grundlage – ganz im Gegenteil.

    Was passiert, wenn die Infektionszahlen weiter steigen. Friert man den Status quo dann ein, oder ist sogar wieder mit strengeren Regeln zu rechnen?

    Markus Blume: Wir müssen alles tun, damit wir keine Wiederauflage des vergangenen Jahres bekommen. Zum Glück haben wir heute ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung: Bessere Hygienekonzepte, wirksame FFP2-Masken und, was noch viel entscheidender ist: Wir können umfänglich testen und impfen. Die Kombination, mehr zu testen und schneller zu impfen, ist unser Ticket auf dem Weg zur Normalität. Wir sollten dieses Ticket so schnell wie möglich lösen, das heißt: die Testkapazitäten in Deutschland weiter hochfahren und gleichzeitig alles tun, dass mehr und zügiger geimpft wird. Es ist doch völlig absurd, dass der Impfstoff von AstraZeneca jetzt quasi wie ein Ladenhüter behandelt wird. Da muss man auch mit manch einer Desinformation aufräumen, die möglicherweise sogar aus dem Ausland gesteuert ist. AstraZeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse. Im Gegenteil, wir haben hochwirksame Impfstoffe, und jeder Impfstoff schützt gleichermaßen vor schweren und schwersten Krankheitsverläufen und rettet Leben.

    Herr Söder hat angedeutet, dass man eine Änderung der Prioritäten beim Impfen ins Auge fassen sollte. Welche Überlegungen gibt es da?

    Markus Blume: Es war richtig, die vulnerablen Gruppen als erste zu impfen, also die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und die über 80-Jährigen. Was die weiteren Schritte angeht, hat Markus Söder recht: Jetzt muss das Augenmerk auch auf anderen Bereichen liegen, um zum Beispiel Kitas und Schulen wieder in die Normalität zu bringen. Deshalb sollten wir Lehrer und Erzieher vorrangig behandeln.

    Herr Söder hat gesagt, Lehrer und Erzieher reicht möglicherweise nicht. Muss man vielleicht auch an der Organisation etwas ändern, wenn Impftermine nicht wahrgenommen werden?

    Markus Blume: Alles, was an Impfstoff da ist, muss verimpft werden. Das Impfen muss noch niederschwelliger möglich werden. Die Impfzentren funktionieren hervorragend. Da müssen die Kapazitäten jetzt deutlich hochgefahren werden. Und für eine echte Massenimpfung in der Fläche brauchen wir dann auch die Hausärzte. Das muss der nächste Schritt sein.

    Sie bekommen viel Post, aus der Partei und von Bürgern. Wie nehmen Sie die Stimmung wahr?

    Markus Blume: Die Ungeduld nach einem Jahr Corona ist überall spürbar. Familien empfinden die Kombination von Homeoffice und Homeschooling verständlicherweise als Belastung. Unternehmer, die seit Monaten ihren Betrieb zu haben, sehen sich in existenziellen Nöten. Das müssen wir ernst nehmen, Perspektiven geben und unterstützen. Leider hat es bei der Unterstützung in den letzten Wochen gehakt. Ich kenne Betriebe, die im Februar immer noch auf die Novemberhilfe warten. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Deutschland muss aus dem Bürokratieschlaf erwachen.

    Wie stellt sich denn in der CSU die Stimmungslage dar? Es gab einige wenige kritische Wortmeldungen. Ist das noch ein Unbehagen über die Gesamtsituation oder schon Unmut über die Corona-Politik?

    Markus Blume: Die Stimmung in der CSU bildet ab, was in der Bevölkerung insgesamt diskutiert wird. So muss es auch sein: Jeden Tag gibt es ein Ringen um den richtigen Kurs und die richtige Balance. Für die Bewältigung der Corona-Krise gibt es keine Blaupause. Es muss alles täglich neu erarbeitet werden. Unter diesen schwierigen Umständen konnten wir mit dem Kurs von Angela Merkel und Markus Söder viele Leben retten und das Land trotzdem am Laufen halten.

    Die CSU betont sehr den Schulterschluss mit der CDU – zuletzt am Aschermittwoch. Sogar CDU-Chef Armin Laschet war Gast, als erster CDU-Chef überhaupt ...

    Markus Blume: .. ja, und er hat sich auch sehr darüber gefreut.

    Eines kann Ihnen aber doch an der CDU nicht gefallen: Die Versprechen, die Gesundheitsminister Jens Spahn macht und die er hinterher nicht halten kann – zum Beispiel Selbsttests für alle ab 1. März.

    Markus Blume: Wir kommen jetzt in eine ganz entscheidende Phase bei der Corona-Bewältigung. Die Akzeptanz der Maßnahmen bröckelt. Gleichzeitig ist die Gesamtlage wegen der Virus-Mutationen noch nicht entspannt. In dieser Phase ist das Erwartungsmanagement fundamental. Die Kombination von mehr versprechen und weniger liefern ist in der Politik immer toxisch, weil das zu großer Enttäuschung führt. Jetzt ist wichtig: Gemeinsam verabreden, was man dann auch halten kann, und dann die Erwartungen vielleicht sogar übertreffen. Ich sage das auch in Richtung der Europäischen Kommission. Es gab leider eine ganze Kaskade von Ankündigungen auf europäischer Ebene, was wann stattfinden wird. Aber wenn es dann ums Einlösen ging, hat leider in der Vergangenheit die Enttäuschung dominiert.

    Damit ist die Frage nach der Beziehung der CSU zur Schwesterpartei CDU aber noch nicht beantwortet.

    Markus Blume: Die Beziehung ist gut wie lange nicht.

    Laschet? Söder? Entscheidung über Kanzlerkandidatur noch offen

    Dann hat man sich bestimmt schon darüber verständigt, wann der gemeinsame Kanzlerkandidat gekürt wird?

    Markus Blume: Gemeinschaftlich zwischen Ostern und Pfingsten. Klar ist dabei: Ohne die CSU geht es nicht. Und klar ist auch: In der Frage gibt es definitiv keine Vorentscheidung und auch keinen Automatismus. Uns sollten die besten Erfolgsaussichten leiten. Der Rückenwind für Markus Söder in bundesweiten Umfragen ist schon beachtlich.

    Worauf kommt es denn an? Warum wollen Sie so lange warten?

    Markus Blume: Das Land ist noch nicht bereit für Wahlkampf. Wir stecken mitten in der Pandemie. Jeder, der wie zum Beispiel die SPD zu früh in den Wahlkampfmodus umschaltet, der wird feststellen, dass er im Leerlauf ist und in der Bevölkerung Unverständnis erntet. Die Personalentscheidung und der ganze Wahlkampf werden sich auf die letzten drei bis vier Monate vor der Wahl konzentrieren.

    Wie ist denn die Mitgliederentwicklung in der CSU? Es hieß jetzt öfter mal, dass es wegen Corona besonders viele Austritte gebe.

    Markus Blume: Die Ein- und Austritte halten sich trotz Corona in etwa die Waage. Das Austrittsgeschehen bewegt sich seit Monaten auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Da wir seit einem Jahr praktisch keine Präsenzveranstaltungen mehr haben, können wir vor Ort aber weniger neue Mitglieder gewinnen als unter normalen Umständen. Trotzdem freuen wir uns über durchschnittlich 77 Neumitglieder pro Woche.

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