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Interview: Bedford-Strohm: Gottesdienst-Absage "tut einfach weh"

Interview

Bedford-Strohm: Gottesdienst-Absage "tut einfach weh"

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    Die Amtszeit von Heinrich Bedford-Strohm läuft im kommenden Jahr aus. Wie es danach für ihn an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland weitergeht, lässt der bayerische Landesbischof offen.
    Die Amtszeit von Heinrich Bedford-Strohm läuft im kommenden Jahr aus. Wie es danach für ihn an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland weitergeht, lässt der bayerische Landesbischof offen. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Seinen 60. Geburtstag hatte Heinrich Bedford-Strohm sich anders vorgestellt. Statt großer Feier und "Open House" im Landeskirchenamt gibt es in diesem Jahr coronabedingte Ruhe. "Ich werde sehr still zu Hause mit meiner Frau feiern", sagt der bayerische Landesbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München.

    Auch sein kleiner, einjähriger Enkel wird ihm wohl nur per Videochat gratulieren können. Seine Geschäfte führt Bedford-Strohm derzeit zu einem Großteil vom heimischen Schreibtisch aus, Konferenzen laufen meist per Video-Schalte - so auch die Sitzungen des kircheninternen Krisenstabes. 

    Welche Fragen haben Sie im Krisenstab in den vergangenen Tagen beschäftigt?

    Bedford-Strohm: Die gravierendste war natürlich die Absage der Gottesdienste. Das haben wir in der Geschichte der Kirche so noch nie erlebt, dass alle Gottesdienste abgesagt wurden - und das auch noch in der Passions- und Osterzeit. Schon an dem Wochenende, bevor die Entscheidung der Bundesregierung kam, sind wir fast überall in Deutschland zu dem Entschluss gekommen, die Absage der Gottesdienste von uns aus dringend zu empfehlen. Die Gemeinden waren verunsichert und brauchten Orientierung. So eine gravierende Entscheidung trifft man nicht über Nacht. 

    Daneben hat uns auch in besonderer Weise die Frage beschäftigt, wie wir jetzt mit Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen umgehen. Vor allem die Beerdigungen beschäftigen mich sehr. Die Vorstellung, dass ein Mensch, der einen lieben Menschen verloren hat, nicht zu dessen Beerdigung gehen kann, weil schon zu viele andere da sind, ist kaum zu ertragen. Aber leider geht es im Moment nicht anders. Nachgeholte Trauerfeiern sind nur ein unzureichender Ersatz.

    Uns steht ein historisches Osterfest bevor. Zum ersten Mal in der Geschichte des christlichen Abendlandes sind Gottesdienste zum höchsten Fest der Christen wohl verboten. Wie sehen Sie das?

    Bedford-Strohm: Das ist natürlich ein sehr gravierender Vorgang. Wir erleben eine Situation, die wir so noch nie hatten. Es tut erstmal einfach weh, weil die Kraftquelle, die ein solcher Gottesdienst für uns bedeutet, nicht mehr zugänglich ist. Wenn Ostern kommt, wird die Herausforderung sein, so zu predigen, dass das Leiden nicht einfach weggeschoben wird. Es gibt kein Ostern ohne Karfreitag. Viele Menschen haben im Moment Angst wie Jesus im Garten Gethsemane: Was kommt da auf mich zu? Manche machen ähnlich abgründige Erfahrungen wie Jesus am Kreuz. Wir müssen damit rechnen, dass um Ostern herum die Zahl der Corona-Toten deutlich gestiegen sein wird. In dieser Situation deutlich zu machen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, das ist die Aufgabe unserer Osterpredigten (...). 

    Hören Sie auch Kritik an der Entscheidung, alle Gottesdienste in der Fasten- und Osterzeit abzusagen? 

    Bedford-Strohm: Diese Stimmen sind immer vereinzelter geworden. Es sind immer weniger Menschen, die daran noch festhalten. Die Bilder aus Italien, die Bilder von Särgen, die in Armee-Lastern abgefahren werden, erreichen die Menschen. Die Erkenntnis aus Italien ist nunmal: Es ist jetzt ein Wettlauf mit der Zeit. Wir als Kirche sind ja nicht die besseren Fachleute. Wenn wir - wie die Fachleute sagen - durch die Absage der Gottesdienste Leben retten können, darf die Kirche das nicht sabotieren.

    Eine ganz andere Frage, die nichts mit Corona zu tun hat: Sie haben ja nun mit Kardinal Marx einen engen Vertrauten an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verloren. Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger Bischof Georg Bätzing? 

    Bedford-Strohm: Wir kennen uns schon eine ganze Weile. Bischof Bätzing ist Mitglied des ökumenischen Kontaktgesprächskreises zwischen EKD und DBK. Da habe ich ihn schon kennengelernt. Er ist ein Mensch, der ein ganz weites ökumenisches Herz hat. Wir haben nach seiner Wahl schon ausführlich telefoniert, wir werden uns auch treffen, wenn das wieder möglich ist. Ich bin sicher: Er wird den ökumenischen Kurs von Kardinal Marx ohne irgendwelche Einschränkungen weiterführen. Aber auch mein Kontakt zu Kardinal Marx bleibt ja intensiv. Er bleibt eine sehr wichtige Stimme in der katholischen Kirche, und in Bayern werden wir ohnehin weiter wie bisher eng zusammenarbeiten.

    Wie geht es denn für Sie selbst an der Spitze der EKD weiter? Ihre Amtszeit läuft ja im kommenden Jahr aus. 

    Bedford-Strohm: Das ist nichts, womit ich mich derzeit beschäftige. 

    Zur Person: Bedford-Strohm wurde in Memmingen in einer Pfarrersfamilie geboren, die Familie zog schon in den 1960er Jahren nach Coburg. Bedford-Strohm studierte Theologie in Erlangen, Heidelberg und Berkeley (USA). Von 2004 an lehrte er in Bamberg. Seit 2011 in Bedford-Strohm bayerischer Landesbischof, seit 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). (Interview: Britta Schultejans, dpa)

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