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Insolvenz-Verfahren: Sein Reich als Küchenherrscher wankt. Wie tickt der Mensch Alfons Schuhbeck?

Insolvenz-Verfahren

Sein Reich als Küchenherrscher wankt. Wie tickt der Mensch Alfons Schuhbeck?

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    Nur sein Instagram-Kanal sendet weiter. Ansonsten hat sich Alfons Schuhbeck erst einmal zurückgezogen.
    Nur sein Instagram-Kanal sendet weiter. Ansonsten hat sich Alfons Schuhbeck erst einmal zurückgezogen. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    Beim Kochen gibt es für alles ein Zeichen. Beginnt das Filet in der Pfanne auf der Oberseite zu schwitzen, ist’s an der Zeit, es zu wenden. Nur so gart es perfekt rosa durch. Oder: Zieht man den Kochlöffel durch einen Soßenansatz aus karamellisiertem Puderzucker, Tomatenmark und Rotwein, und die Flüssigkeit fließt am Topfboden nicht mehr zusammen, dann „hat sie es“. So sprach Alfons Schuhbeck. Und er sah, dass es gut war.

    Seit einiger Zeit jedoch stehen die Zeichen im Reich des bayerischen Küchengottes auf Sturm. Nichts ist mehr gut. Die Einschläge kommen in Wellen. Erstens: Die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung stehen vor dem Abschluss. Im Herbst könnte sich der Chef vor Gericht verantworten müssen. Bereits 2019 hatten Finanzbeamte einige Betriebe am Platzl in München, dem Hauptsitz des Imperiums, durchsucht.

    Zweitens: Anfang 2020 muss das „Alfons“ schließen, was für den Namensgeber den Verlust des Michelin-Sterns nach vier Jahrzehnten bedeutet. Drittens: Schuhbecks Restaurants und der Partyservice sind zahlungsunfähig. Viertens: Das Bundesfinanzministerium ermittelt gegen den Starkoch. Seit dem Jahr 2017 soll Schuhbeck es versäumt haben, für einige seiner Unternehmen Geschäftszahlen zu veröffentlichen.

    Bis auf den Instagram-Kanal ist von Alfons Schuhbeck nichts mehr zu hören

    Wie das alles zusammenhängt und ob überhaupt, lässt sich von außen kaum beurteilen. Noch weniger abschätzbar sind die Folgen. Sowohl Schuhbecks Anwälte als auch der Insolvenzverwalter verschaffen sich aktuell schweigend einen Überblick. Eine E-Mail-Anfrage an die Kanzlei König Gauweiler Sauter, die Schuhbeck vertritt, bleibt bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Sicher ist nur: Das von den Behörden kreierte Vier-Gänge-Menü gefällt dem gefallenen Starkoch überhaupt nicht. Schuhbeck, der früher keine Kamera aus und keine WhatsApp-Nachricht unkommentiert ließ, hat sich zurückgezogen.

    Wobei: Stimmt nicht ganz. Der Instagram-Kanal des Kochs sendet weiter. In den vergangenen Tagen veröffentlicht Schuhbeck selbst zwei Fotos mit illustren Gästen: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ex-Bayern-Trainer Louis van Gaal waren zu Besuch. „Darüber habe ich mich sehr gefreut“, schreibt der Gastronom. Soll wohl zeigen: Mia san mia, tot ist das System Schuhbeck noch lange nicht. Der „Platzlhirsch“, der es immer verstanden hat, es sich mit niemandem zu verscherzen (außer vielleicht mit dem Fiskus), kann auf seine Seilschaften zählen. Stars und Sternchen von Helene Fischer bis Elmar Wepper stehen ihm treu zur Seite.

    Wer hätte geahnt, dass aus dem gelernten Fernmeldetechniker Alfons Karg einmal der deutsche Promikoch wird? Als schicksalhaft erwies sich die Begegnung mit dem Gastronomen und Campingplatzbetreiber Sebastian Schuhbeck. Dieser, selbst kinderlos, suchte einen Erben und fand ihn in dem jungen Mann aus Traunstein. Schuhbeck adoptierte Karg, der nahm den Namen seines Adoptivvaters an und übernahm das „Kurhausstüberl“ in Waging am See. Vor den Toren der Landeshauptstadt hatte die Münchner Schickeria eine neue kulinarische Heimat.

    Alfons Schuhbeck entwickelte eine geradezu liebevolle Zuneigung zu seinen Zutaten

    Schuhbeck duldet keine Küchengötter neben sich. Mit einer Ausnahme: Jahrhundert-Koch Eckhart Witzigmann. „Mit Witzigmann fing das alles an“, sagte Schuhbeck in einem früheren Gespräch mit unserer Redaktion. Die Art, wie sie in der „Aubergine“ in München kochten, hat den 72-jährigen sein Leben lang geprägt. Nicht schwer, nicht grob, sondern leicht, und „charmant“, wie Schuhbeck rekapituliert. Dank Witzigmann entwickelt er eine geradezu liebevolle Zuneigung zu seinen Zutaten. Er erweckt sie zum Leben, lässt sie sogar sprechen. „Schön, dass Du auch da bist“, sagt da der Knoblauch zu seinem Spezl, dem Ingwer. Dem Schuhbeck persönlich die „bayerische Staatsbürgerschaft“ verliehen haben will.

    Alfons Schuhbeck wurde als Fernsehkoch bekannt.
    Alfons Schuhbeck wurde als Fernsehkoch bekannt. Foto: Axel Heimken, dpa (Archivbild)

    Der Ingwer, jene „die Elastizität des Blutes“ (Schuhbeck) fördernde Zauberwurzel, ist auch das, was Simon Lang zuerst einfällt, wenn er an Alfons Schuhbeck denkt, seinen „größten Lehrmeister“. Lang verdiente sich 2003 und 2004 seine Sporen in den damals neu eröffneten „Südtiroler Stuben“ am Platzl. Lang, 41, hat mit seinem Restaurant Sartory im Hotel Maximilian’s in Augsburg seit 2019 einen Michelin-Stern. Schuhbeck hat seit 2020 keinen Michelin-Stern mehr. Überflügelte der Schüler seinen Meister? „Das würde ich nie so sagen. Schuhbeck hat mich Demut gelehrt.“

    Wenn der junge Sternekoch über die gemeinsame Zeit in der Küche spricht, klingt bis heute die Ehrfurcht durch vor dem unerbittlichen Küchenherrscher Schuhbeck. Seine Leute unterhalten sich nur im Flüsterton. Den Meister siezen alle, er duzt alle, sofern ihnen überhaupt die Ehre einer persönlichen Ansprache zuteil wird. „Den ersten Monat hat er mich gar nicht beim Namen genannt“, erinnert sich Lang.

    Schuhbeck gilt als harter Lehrmeister

    Er war bloß der „Bua“. Bis ihm der Meister eines Tages offenbarte: „Simon, du bist jetzt der neue Chef auf dem Beilagenposten.“ „Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte“, sagt Lang. Die Zeit, die folgte, war heftig. 19-Stunden-Tage am Herd. Einmal sogar krank in der Küche, beide. Lang mit einer Mittelohrentzündung links, Schuhbeck mit einer Knieverletzung links. Aber sie hatten ja noch ein rechtes Ohr und ein rechtes Knie, wie Schuhbeck meinte. Eiserne Disziplin, bedingungsloser Einsatz – was der Unternehmer von seinen Untertanen erwartet, verkörpert er auch selbst. „In der Küche zu stehen und schön Champagner zu trinken, das war nie sein Ding“, sagt Lang.

    Häufig gibt Schuhbeck klassischen Rezepten aus der Region einen eigenen Kniff. Hier seine Marillenknödel aus dem Buch  "Servus Österreich".
    Häufig gibt Schuhbeck klassischen Rezepten aus der Region einen eigenen Kniff. Hier seine Marillenknödel aus dem Buch "Servus Österreich". Foto: Mathias Neubauer

    So hart Schuhbeck zu sich und zu anderen sein kann, so sanft ist sein Kochstil. Wenig Temperatur, wenig Fett, so impft er es seinen Kochschülerinnen und Kochschülern am Platzl ein. So kennt es das Publikum seiner Kochshows, so steht es in seinen Kochbüchern. Wenn der Meister ein Steak brät, kommt nur ein Tropfen Öl in die Pfanne, und der wird akkurat mit einem Pinsel verstrichen. Gemüse dämpft der Erfinder von „Schuhbecks Zauberbrühe“ in eben dieser, statt es mit viel Butter zu erschlagen. Niedrigtemperatur-Garen praktizierte der Urbayer schon seit der Jahrtausendwende, als der Rest der Küchenwelt noch nicht einmal wusste, wie man „Sous Vide“ schreibt.

    Sternekoch Lang: „Ich habe von Alfons Schuhbeck das Schmecken gelernt“

    Die Garmethode ist heute in aller Munde. Ein Beispiel von der Speisekarte der Südtiroler Stuben: eine Rinderrippe, die 18 Stunden bei gut 50 Grad vakuumiert im Wasserbad zubereitet wird. Das Fleisch wird so zart, dass man es mit der Zunge am Gaumen zerdrücken kann. Davor ein „getrüffeltes Nudelgangerl“ aus der Hand des Chefs, danach der berühmte „geeiste Kaiserschmarrn“ – und die Welt ist in Ordnung für Gourmets landauf, landab.

    „Ich habe von Alfons Schuhbeck das Schmecken gelernt“, sagt Sternekoch Lang. Der Mann könne einem simplen Kalbfleischpflanzerl eine Raffinesse verleihen, die ihresgleichen sucht. Was mit seiner Art zu würzen zusammenhängt. Dabei kommt es für Schuhbeck nicht nur darauf an, wie etwas schmeckt. Sondern auch, wie etwas wirkt.

    „Gschmackig“ und „gsund“: Der Münchener Sternekoch Alfons Schuhbeck kann sich eine moderne Küche ohne Kräuter und Gewürze nicht vorstellen.
    „Gschmackig“ und „gsund“: Der Münchener Sternekoch Alfons Schuhbeck kann sich eine moderne Küche ohne Kräuter und Gewürze nicht vorstellen. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Über die Heilkraft der Kräuter hat er ganze „Bibeln“ (er nennt sie wirklich so) veröffentlicht. So hätten schon die Sklaven beim Bau der Pyramiden von Sakkara 2600 vor Christus Knoblauch, Rettich und Lauch bekommen, damit sie nicht krank werden. Für diese Wundermittel streikten sie sogar, der erste Arbeitskampf in der Geschichte. Schuhbeck erzählt es so, als sei er dabei gewesen. Dem Rosmarin attestiert der Gewürz-Guru eine belebende Wirkung auf das Gehirn. Kurkuma hilft gegen Krebs, Arganöl gegen Sonnenbrand. Der Chilli hindert Zellen daran, ungesundes Fett aufzunehmen. Beim Alfons heißt es: der Chilli, der Kartoffel, der Schwammerl und der Zwiebel.

    Seine Leidenschaft für gesundes Essen geht so weit, dass der Gastronom zeitweise eine eigene Ernährungswissenschaftlerin beschäftigt. Er arbeitet mit Medizinprofessoren zusammen, um eine die Genesung fördernde Kost für Menschen nach Schlaganfällen zu entwickeln. Den Fußballer Niklas Süle richtete Schuhbeck nach dessen Kreuzbandriss wieder auf. Bei den Spielern des FC Bayern hat der Mann mit dem FCB-Emblem auf der Kochjacke einen Status wie der frühere Mannschaftsarzt Doktor Müller-Wohlfahrt, auch eine lebende Legende.

    Sein Netzwerk öffnet Schuhbeck nicht nur Prominenten. Wenn eine Mitarbeiterin eine spezielle ärztliche Behandlung braucht, greift der Chef zum Hörer. Er kennt da jemanden. Wenn ein Bekannter einen Ausbildungsplatz für den Sohn sucht, arrangiert der Alfons das. „Er war immer unglaublich loyal zu seinen Leuten. Wenn du dich für ihn aufgeopfert hast, hat er das auch für dich getan“, erinnert sich Schuhbecks einstiger Schüler Lang.

    Vertrauter: Schuhbeck will sich schon seit längerer Zeit verkleinern

    Ob der 72-Jährige nun aber die Kraft hat, sich selbst aus dem Schlamassel zu ziehen? Zumindest körperlich macht der Gastronom, der zuletzt mehr als 25 Kilogramm abgenommen hat, einen fitten Eindruck. „Weniger fressen“, antwortet er in typischer Schuhbeck-Manier auf die Frage, wie er das geschafft habe. Abspecken, das könnte auch für sein Firmengeflecht das Gebot der Stunde sein. Ihm, der immer lieber Koch war als Buchhalter, seien die Dinge zuletzt über den Kopf gewachsen, berichtet ein langjähriger Vertrauter. Schuhbeck trage sich schon länger mit dem Gedanken, sich zu verkleinern.

    Entgegen solcher Tendenzen soll er sich nach der Insolvenz besessen wie nie in die Arbeit gestürzt haben, heißt es aus seinem Umfeld. Das Gewürzgeschäft will er retten. Eine neue TV-Sendung im BR („Schuhbecks Mittelmeerküche“) ist bereits abgedreht. Die Restaurants sollen geöffnet bleiben, die Spiegelzelt-Show Teatro wie geplant stattfinden. Und und und.

    Nach einem Verschlankungsprozess klingt das erst einmal nicht. Gegenüber unserer Redaktion sagte der Rastlose anlässlich seines 70. Geburtstags, er befinde sich in der Jugend des Alters. „Mit 90 mache ich halbtags.“ Loslassen ist etwas, was einem Alfons Schuhbeck überhaupt nicht schmeckt.

    Im Podcast "Augsburg, meine Stadt" spricht der Augsburger Sternekoch Simon Lang übers Kochen, seinen Mentor Alfons Schuhbeck und Stargast Beyoncé.

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