Ein Jahr nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ ziehen Initiatoren und Staatsregierung eine umstrittene Bilanz: Während ÖDP, Grüne, der Landesbund für Vogelschutz und die Gregor Louisoder Umweltstiftung nur zum Teil Fortschritte bei der Umsetzung des Artenschutzgesetzes erkennen, sieht das bayerische Umweltministerium den Freistaat auf einem guten Weg.
Dass die Natur- und Umweltschützer der Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern nicht über den Weg trauen, ist offenkundig. Sie haben sich mit dem Volksbegehren, das vergangenes Jahr von über 1,7 Millionen Bürgern aktiv unterstützt wurde, nicht nur durchgesetzt, sondern sich auch dazu entschlossen, die Umsetzung zu überwachen. Das sei ein Novum, wie der Chef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, am Mittwoch sagte.
Es fehlten noch verlässliche Daten über Einsatz von Pestiziden
Das Monitoring, mit dem die Initiatoren des Volksbegehrens Professor Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen beauftragt haben, stößt allerdings auf einige Schwierigkeiten. In viele Bereichen nämlich fehlen laut Lenz verlässliche Daten für eine Überprüfung – etwa über den Einsatz von Pestiziden.
Die Staatsregierung habe sich im Artenschutzgesetz zu dem Ziel bekannt, so Hartmann, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Bayern bis zum Jahr 2028 zu halbieren. Bisher allerdings lägen keine Zahlen vor, wie viel Pestizid aktuell auf die Felder ausgebracht werde. Ohne diese Daten sei es schwierig zu überprüfen, ob das Ziel erreicht werde. Er habe den Eindruck, dass die Staatsregierung nicht mit dem nötigen Tempo unterwegs sei: „Wo die Bretter dicker werden, drückt sie sich vor der Arbeit.“
Ähnliches gelte für die beschlossene Errichtung von Gewässerrandstreifen. Nur weil es mancherorts an zuverlässiger Kartierung fehle, dürfe man nicht das gesamte Projekt stoppen. Die große Masse der Gewässerrandstreifen, wo es diese Probleme nicht gab, hätte man bereits umsetzen können, sagte Hartmann.
Grüne: Kritik an Markus Söders Umgang mit Streuobstwiesen
Im Streit um den Umgang mit den wertvollen Streuobstwiesen kritisierte der Grünen-Fraktionschef direkt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Anhebung der Mindeststammhöhe von 1,60 auf 1,80 Meter sei willkürlich gewesen und habe zur Folge, dass nun weniger Streuobstwiesen geschützt seien als zuvor.
Agnes Becker, die Beauftragte des Volksbegehrens und Vize-Chefin der ÖDP in Bayern, sprach zwar von einem positiven Trend beim Ausbau des Ökolandbaus in Bayern. Sein Anteil stieg von 10,26 Prozent im Jahr 2018 auf 11,71 Prozent im Jahr 2020. Aber, so sagte Becker, sie habe Zweifel, ob die Staatsregierung tatsächlich bereit sei, den Willen der Bürger für mehr Artenschutz umzusetzen. Konkret kritisierte sie die Streichung der Zuschüsse für Biobauern für eine gesunde Fruchtfolge im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms und die zögerliche Umstellung öffentlicher Kantinen auf mehr Bioprodukte aus heimischer Herstellung. „Man versucht, sich da drumrum zu mogeln“, sagte Becker.
Ein Jahr nach dem Volksbegehren steht Bayern "deutlich besser da"
Die deutlichsten Fortschritte erkennt Ludwig Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), beim Waldnaturschutz. Da sei man mit der Ausweisung nutzungsfreier Flächen im Umfang von über 5500 Hektar „ein großes Stück vorangekommen“. Insgesamt, so Schäffer, stehe Bayern ein Jahr nach dem Volksbegehren „deutlich besser da“.
Umweltminister Thorsten Glauber (FW) zog am Donnerstag eine positive Bilanz. In Augsburg gab Glauber den Startschuss für den Betrieb des bayerischen Artenschutzzentrums. 25 Mitarbeiter sollen dort künftig Strategien und Pilotprojekte zum Schutz oder zur Wiederansiedlung von Pflanzen und Insekten erarbeiten. Bayern sei auf einem guten Weg, sagte Glauber in Richtung der Volksbegehren-Initiatoren. Das Artensterben sei eine Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte gewesen. „Wir haben jetzt einen Rahmen geschaffen, um diese Entwicklung umzudrehen, aber man muss uns auch die Chance geben, diesen Rahmen wirken zu lassen“, so Glauber. Um Effekte messen zu können, sei es noch zu früh, er sei aber vom dauerhaften Erfolg überzeugt.
Große Ziele: Streuobstwiesen, weniger Lichtverschmutzung und Glyphosatverbot
Laut Thorsten Glauber ist ein Großteil des staatlichen Maßnahmenpakets bereits in der Umsetzung. „Unser Biotopverbund soll wie ein buntes Netz über Bayern liegen.“ Für Streuobstwiesen habe man eine Förderung aufgelegt, mit Kommunen wolle man die Lichtverschmutzung zum Schutz von Vögeln und Insekten eindämmen, für Hausgärten habe Bayern eine Bundesratsinitiative zum Glyphosatverbot auf den Weg gebracht.
Beim Schutz von Gewässern durch Randstreifen habe Bayern ein beispielhaftes Konzept vorgelegt. Glauber sagte, es gehe beim Artenschutz um Partnerschaftlichkeit. Gegen Ausgleichszahlungen würden Landwirte inzwischen eine Fläche von 170.000 Fußballfeldern naturnah bewirtschaften. Dafür werde dieses Jahr die Rekordsumme von 64 Millionen Euro in die Hand genommen.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Uli Bachmeier.
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