Herr Sailer, überall hört man derzeit, dass in den Wäldern die Borkenkäfer wüten. In diesem Jahr soll es besonders schlimm sein.
Wolfgang Sailer: Wir haben in diesem Jahr, wie auch im Vorjahr, einen relativ frühen Schwärmflug der Käfer gehabt. Das war bereits Mitte April. Gott sei Dank hat dann Mitte Mai eine kühlere und feuchtere Periode dazu beigetragen, dass sich das Geschehen etwas verlangsamt hat. Seit Christi Himmelfahrt hat sich das aber wieder geändert. Es kam erneut zu starkem Schwärmflug und Befall. Die Altkäfer aus dem April haben zudem eine sogenannte Geschwisterbrut angelegt. Mit dem Schlüpfen der ersten Borkenkäfergeneration ist bei anhaltend warmer Witterung Ende Juni zu rechnen. Nach der jetzigen Einschätzung wird es heuer auch noch eine dritte Generation geben. Die Zahl der Käfer wird also auch in diesem Jahr explodieren.
Was sind denn die Gründe für die Ausbreitung? Ist das der Klimawandel, den wir da zu spüren bekommen?
Sailer: Der Borkenkäfer ist für Förster und Waldbesitzer kein Novum. Wir sind immer wieder mit Phasen konfrontiert, in denen sich die Zahlen richtiggehend hochschaukeln. Der Käfer mag es warm und ihm muss genügend Brutmaterial zur Verfügung stehen, das er befallen kann. Der Klimawandel spielt in der Tat eine Rolle. Denn durch die Zunahme von Stürmen oder Schneebruch gibt es mehr umgefallene Bäume. Und damit auch mehr Käfer, die sich darin vermehren.
Das heißt, der Borkenkäfer hat es vor allem auf kaputte Bäume abgesehen?
Sailer: Er geht primär auf liegende Bäume, die frisch umgefallen sind. Wenn der Borkenkäfer allerdings am Boden nichts mehr findet, dann befällt er auch gesunde, stehende Bäume. Und das ist auch das, was uns die Schäden bringt. Wenn die Zahl der Käfer pro Baum bei etwa 400 bis 500 Tieren liegt, dann schafft es der Baum nicht mehr, sich dagegen zu wehren, etwa mit Harz. Er stirbt dann ab.
Wie groß ist der Schaden in Bayern?
Sailer: In Bayern hatten wir letztes Jahr – und heuer ist das ganz ähnlich – große Käferschäden vor allem in Oberfranken, im nördlichen Unterfranken, in Niederbayern und in der Oberpfalz. In unserer Region ist es nicht so dramatisch wie in diesen Gebieten, aber es ist auch bei uns erneut erhöhte Wachsamkeit gefordert. Die durchschnittlichen Schadmengen auf das Jahr gerechnet lagen 2018 in den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg zwischen einem und zwei Festmeter pro Hektar. Im Moment schaut es so aus, als könnten wir auch dieses Jahr mit einem blauen Auge davonkommen. Das hängt aber davon ab, wie das Wetter in den nächsten Wochen wird. Wärme und Trockenheit befördern den Befall.
Was Waldbesitzer tun müssen
Was kann man tun?
Sailer: Die Waldbesitzer müssen ihre Flächen derzeit jede Woche kontrollieren und Bäume, die befallen sind, unverzüglich einschlagen und aus dem Wald bringen, bevor die Käfer ausfliegen – entweder gleich in ein Sägewerk oder auf einen Lagerplatz mindestens 500 Meter vom nächsten Fichtenbestand entfernt. Auch das Entrinden des Schadholzes ist eine wirksame Bekämpfungsmaßnahme, wenn die Entwicklung der Käferbrut noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Wenn es gar nicht anders geht und die Zeit drängt, bleibt als letzte Möglichkeit nur der Einsatz von Insektiziden. Das ist aber nicht das Ziel. Im Gegenteil: Wir fördern mit fünf Euro pro Festmeter die insektizidfreie Bekämpfung der Borkenkäfer.
Welche Bäume werden denn von den Käfern heimgesucht?
Sailer: Die Hauptbaumart sind Fichten. Wenn Käfer aber wirklich in Massen vorkommen, dann können auch Kiefern oder Lärchen befallen werden. Generell gilt: Je dicker die Rinde, desto schwerer tut sich der Käfer, der ja nur fünf Millimeter groß ist, da durchzukommen und Brutgänge anzulegen.
Kann man das befallene Holz überhaupt noch verkaufen?
Sailer: Das Holz ist verwertbar. Es ist genauso nagelfest und elastisch wie Frischholz. Aber es hat eine Eigenart: Es verfärbt sich blau, wenn es eingeschnitten am Wegrand liegt. Deswegen gibt es einen Preisabschlag, der im Moment bei 25 bis 30 Euro pro Festmeter liegt.
Borkenkäfer können aber auch wertvoll sein, weil sie bei der Walderneuerung wie ein natürlicher Katalysator wirken. Wie sehen Sie das?
Sailer: Im Nationalpark Bayerischer Wald hat man 1986 in einem Gebiet, das vom Sturm heimgesucht wurde, etwa 30000 Festmeter Fichtenholz einfach liegen lassen. In Folge haben sich immens viele Borkenkäfer entwickelt, die über Jahre hinweg mehrere tausend Hektar Wald des Nationalparks aufgefressen haben. Was nachwächst, sind wieder Fichten, aber auch viele andere Baumarten. Das heißt, im Grunde ist ein Befall von Käfern auch eine Möglichkeit, eine andere Baumartenzusammensetzung zu schaffen als vorher. Das kann man als Chance nutzen. Etwa, wenn man den Wald an den Klimawandel anpassen will. Wir empfehlen daher auch den Waldbesitzern, Fichten, die es eher kühl und feucht mögen, mit anderen klimatoleranten Arten zu mischen. Aber: Es ist natürlich schwierig, einem Waldbesitzer, dem gerade seine Bäume weggefressen wurden und der einen großen finanziellen Schaden hat, das als Chance zu vermitteln.
Eichenprozessionsspinner sind für Menschen eine Gefahr
Abgesehen vom Borkenkäfer gibt es derzeit noch einen anderen Schädling im Wald: den Eichenprozessionsspinner. Wie groß ist das Problem bei uns?
Sailer: Ich bin vor knapp neun Jahren an das Amt in Augsburg gekommen. Da war der Eichenprozessionsspinner in der Region praktisch unbekannt. Mittlerweile ist das anders. Der Eichenprozessionsspinner ist zum Problem geworden. Er schädigt zwar durch Blattfraß auch die Eichen, hat aber auf den Menschen deutlich gravierendere Auswirkungen. Es kann zu schweren Reaktionen kommen, wenn man mit den Härchen der Raupen in Berührung kommt oder diese einatmet. Die Tiere sind vor allem von Norden aus dem Donautal zu uns gekommen. Wir finden sie im Landkreis Augsburg mittlerweile flächendeckend.
Warum hat sich der Eichenprozessionsspinner derart ausgebreitet?
Sailer: Das hat mit den warmen Witterungsverhältnissen in den letzten Jahren zu tun. Die Schmetterlinge können sich so besser entwickeln.
Was muss ein Waldbesitzer tun, wenn er einen Baum findet, der befallen ist?
Sailer: Er sollte kein Holz machen, weil er sich sonst selbst in Gefahr bringt. Bei Eichen am Waldrand, wo Spaziergänger oder Landwirte vorbeikommen, sollte er mindestens den Baum absperren und Schilder aufstellen, damit die Leute wegbleiben. Wenn es auf Dauer Probleme gibt, dann gibt es die Möglichkeit, die Tiere mit chemischen Mitteln zu bekämpfen. Früher hat man die Bäume auch abgeflammt. Aber in Zeiten wie jetzt, wo es oft im Frühjahr sehr trocken ist, ist das mit der Waldbrandgefahr nicht zu vereinbaren.
Zur Person: Wolfgang Sailer hat Forstwissenschaften studiert und leitet das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Augsburg.