Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat im Inhofer-Prozess völlig überraschend eine Kehrtwende hingelegt. Nachdem die Anklage sich zuvor monatelang gegen eine Verfahrensabsprache gewehrt und in diesem Zusammenhang sogar einen heftigen Streit mit dem Gericht in Kauf genommen hatte, trafen sich sich vor knapp zwei Wochen vier Vertreter der Anklagebehörde mit den Inhofer-Verteidigern, um über mögliche Strafen zu verhandeln. Das hat der Vorsitzende Richter Wolfgang Natale am Montagmorgen bekanntgegeben.
Die Verhandlungsbereitschaft der Staatsanwaltschaft kam aus dem Nichts. Im bisherigen Verfahren hatten sich die Ankläger unnachgiebig gezeigt. Das begann mit der Verhaftung des Möbelhaus-Geschäftsführers Edgar Inhofer und des Personalchefs Peter Schorr im Dezember 2012 und setzte sich im Prozess fort. Obwohl die Beweisaufnahme klar zugunsten der Angeklagten verlaufen ist und das Gericht dies auch signalisiert hat, stellte sich die Staatsanwaltschaft quer. Sie wollte zumindest Edgar Inhofer hinter Gittern sehen.
Doch jetzt gab es offenbar einen Sinneswandel, wodurch auch immer dieser ausgelöst worden ist. Am 23. September trafen sich vier Vertreter der Staatsanwaltschaft, darunter der Behördenleiter Rolf Werlitz und die Leiterin der Wirtschaftsabteilung, Brigitta Baur, mit den Inhofer-Verteidigern. Am Ende standen deutlich mildere Strafen zur Diskussion, als sie sich die Staatsanwaltschaft bisher vorstellen konnte.
Inhofer-Prozess: Urteil könnte kommende Woche fallen
Konkret wurde besprochen, dass für Edgar Inhofer eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren plus eine Geldstrafe von 540 bis 720 Tagessätzen infrage kommt. Ins Gefängnis müsste der 50-Jährige damit nicht, Geschäftsführer könnte er offiziell aber auch nicht mehr bleiben. Bei Seniorchef August Inhofer steht eine Bewährungsstrafe von elf Monaten im Raum, der 79-Jährige kann somit an der Spitze des Familienunternehmens bleiben. Karl Inhofer, 81, und Peter Schorr, 42, die wegen Beihilfe angeklagt sind, könnten demnach sogar mit Geldstrafen davonkommen.
Die Spitze des Familienunternehmens steht wegen Sozialabgabenbetrug und Steuerhinterziehung vor Gericht. Die Firma Inhofer soll jahrelang Scheinselbstständige beschäftigt haben.
Die 10. Strafkammer hat sich zu den „Deal“-Gesprächen am Montag noch nicht positioniert. Das Gericht hat aber bereits vor Wochen dargelegt, dass es einen Teil der Vorwürfe aus der Anklage als nicht bewiesen betrachte und die Vorwürfe der Steuerhinterziehung seiner Ansicht nach nicht ins Gewicht fielen, da kein tatsächlicher Schaden entstanden ist. Das Urteil könnte nun kommende Woche gesprochen werden.