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Inhofer-Prozess: Die Rettung eines Lebenswerks

Inhofer-Prozess

Die Rettung eines Lebenswerks

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    August Inhofer (2. v. r.) kann Geschäftsführer von Inhofer bleiben. Links im Bild: Prof. Eckhart Müller, rechts Walter Lechner, dazwischen Firmenanwalt Alfred Sauter.
    August Inhofer (2. v. r.) kann Geschäftsführer von Inhofer bleiben. Links im Bild: Prof. Eckhart Müller, rechts Walter Lechner, dazwischen Firmenanwalt Alfred Sauter. Foto: Ulrich Wagner

    Im Gesicht von August Inhofer kämpfen Erleichterung und Betroffenheit um die Vorherrschaft. Es geht unentschieden aus. Wie soll ein Mann auch dreinblicken, der immer ein untadeliges Leben geführt hat und nun mit 79 Jahren ums Haar sein gesamtes Lebenswerk zerstört sah. Und jetzt gerade so davongekommen ist.

    August Inhofer kommt aus einfachen Verhältnissen und hat nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach ein erfolgreiches Familienunternehmen mit mehr als 1100 Mitarbeitern geformt. Seine Arbeitstage beginnt er noch heute frühmorgens dort, wo alles begann: in der Schreinerei in Wullenstetten, einem Ortsteil von Senden im Landkreis Neu-Ulm. Er trinkt Kaffee, liest Zeitungen, dann spricht er im Möbelhaus viel mit Mitarbeitern. Inhofer ist ein gesundes Unternehmen, bei dem die Leute mehrheitlich gern arbeiten.

    Das alles hätte für August Inhofer vorbei sein können, wenn er nicht auf umsichtige Richter getroffen wäre. Die 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg hat milde Strafen gegen den Firmengründer und seine Familienmitglieder verhängt. Strafen, die es ermöglichen, dass Inhofer eine gesunde Firma und ein großer Arbeitgeber bleibt. Mit den elf Monaten Bewährungsstrafe kann August Inhofer Geschäftsführer des Unternehmens bleiben.

    Operativer Geschäftsführer bekommt die größte Strafe

    Seine Schuld ergibt sich vor allem aus der sogenannten Allzuständigkeit des Geschäftsführers. „Das Strafrecht lässt einen Geschäftsführer kaum vom Haken“, sagt der Vorsitzende Richter Wolfgang Natale. August Inhofer ist formal verantwortlich, wenngleich er im Alltagsgeschäft nicht mehr viel mitmischt. Er kümmert sich mehr um seine Wohnbau-Firma, die seit Mitte der 60er Jahre mehrere tausend Wohneinheiten im Raum Ulm/Neu-

    Seinen Neffen Edgar, 50, hat es ärger erwischt. Er ist operativer Geschäftsführer des Möbelhauses. Bei ihm sieht das Gericht die Hauptverantwortung für das jahrelange Beschäftigen von Scheinselbstständigen als Verkäufer. Dadurch wurden Sozialabgaben und auf dem Papier auch Steuern hinterzogen.

    August Inhofers Bruder Karl, 81, und sein Schwiegersohn Peter Schorr, 42, als Personalchef, müssen wegen Beihilfe Geldstrafen von 60000 und 45000 Euro zahlen.

    Nach vielen Streitigkeiten im Gerichtssaal: Versöhnliches Urteil

    Mit diesem Urteil können, ja müssen die Inhofers leben. Sie hatten das Glück , dass sich die Richter nicht blind auf das verlassen haben, was in der Anklage stand. Denn die Vorwürfe sind im Laufe der Beweisaufnahme seit Ende Juli gehörig geschrumpft. Von anfangs 49 Scheinselbstständigen blieben 21. Dieser Umstand bringt den Firmenanwalt und früheren bayerischen Justizminister Alfred Sauter zu einer unversöhnlichen Äußerung: „Dieses lange öffentliche Verfahren hätten wir uns ersparen können, wenn die Staatsanwaltschaft nicht so nachlässig ermittelt hätte.“ Auch Verteidiger Walter Rubach verteilt noch einmal einen Seitenhieb auf die

    Richter Natale schlägt im Urteil dagegen versöhnliche Töne an, nachdem es im Laufe der Verhandlung zu einem heftigen Streit mit der Staatsanwaltschaft gekommen war: „Auch die Kammer hat den Fall ursprünglich gravierender bewertet, als er sich herausgestellt hat.“ Für Natale ist nach elf Prozesstagen klar, dass es bei Inhofer kein „durchgängiges, auf Gewinnmaximierung und Ausbeutung gerichtetes System“ gegeben habe. Vielmehr hat die Beweisaufnahme ergeben, dass das Beschäftigen von freien Verkäufern durchaus branchenüblich war. Den Schaden durch die verurteilten Fälle beziffert Natale auf rund 920000 Euro. Insgesamt haben die Inhofers bereits rund 7,5 Millionen zurückgezahlt. Das sei einer von außergewöhnlich vielen „Milderungsgründen“ zugunsten der Angeklagten.

    Dass das Gericht mit seinem Urteil deutlich unter den Forderungen der Staatsanwälte geblieben ist – ja sogar unter dem Strafmaß, das sich die Ankläger in einem Gespräch mit den Verteidigern vorstellen konnten – thematisiert Natale nicht mehr. Es kann aber durchaus als letzte Spitze gegen die Staatsanwaltschaft verstanden werden, die voraussichtlich in Revision gehen wird. Chefankläger Rolf Werlitz legt Wert auf die Feststellung, dass „wir keine Unschuldigen verfolgt haben“.

    Raum Augsburg profitiert von Bewährungsauflage

    Und es gibt Nutznießer aus dem Prozess. Von den eineinhalb Millionen Euro, die August Inhofer als Bewährungsauflage zahlen muss, gehen je 25000 Euro an 20 gemeinnützige Einrichtungen im Großraum Augsburg. Dieses Geld hätte Inhofer wohl lieber im Raum Neu-Ulm verteilt gesehen, wo er sich seit vielen Jahren karitativ engagiert.

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