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Ingolstadt: Verbrechen häufen sich in Ingolstadt: Ein Gefühl von „Klein-Chicago“

Ingolstadt

Verbrechen häufen sich in Ingolstadt: Ein Gefühl von „Klein-Chicago“

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    Verbrechen häufen sich in Ingolstadt: Ein Gefühl von „Klein-Chicago“
    Verbrechen häufen sich in Ingolstadt: Ein Gefühl von „Klein-Chicago“

    Nach dem zweiten Mordfall binnen einer Woche im September flachste ein Ingolstädter Justizvertreter noch auf die Frage, ob Ingolstadt ein „Klein-Chicago“ werde: „Nein, das noch nicht. Aber wir arbeiten hart daran.“

    Spätestens seit Sonntag aber ist das Image der im Wohlstand aufblühenden Vorzeigestadt bundesweit angekratzt. Nach dem kaltblütigen Mord mit dem spektakulären Selbstmord des Täters gleich danach im Polizeipräsidium fragen sich aber auch viele Ingolstädter, was los ist in ihrer Stadt. Zumal es am selben Sonntagabend auch noch einen Mordversuch gab, bei dem ein Mann seine Ex-Freundin und deren neuen Freund überfahren wollte. Die Frau wurde schwerst verletzt.

    Natürlich ist das alles Stadtgespräch. „Wo leben wir denn eigentlich?“, fragt sich der Obsthändler an der Ecke. Und die ältere Dame, die gerade die Äpfel begutachtet, sagt das, was in diesen Tagen viele Leute meinen: „Man traut sich ja langsam nicht mehr nachts auf die Straße.“

    Gewaltverbrechen oder heftige Massenschlägereien

    Solche Befürchtungen kennt man in der Stadt. Sie werden immer dann besonders laut, wenn es wieder ein Gewaltverbrechen oder heftige Massenschlägereien in Diskotheken gegeben hat, bei denen sogar auf Polizeibeamte losgeprügelt wird. Oder nach brutalen Angriffen durch Betrunkene auf unschuldige Passanten, wie es beinahe jedes Wochenende passiert. Aus dem Grund schickt der Stadtrat seit drei Jahren auch Security durch die nächtlichen Straßen. Doch auch das ist nichts Ungewöhnliches für eine Stadt mit rund 130 000 Einwohnern. Ebenso wenig die Präventionsmaßnahmen gegen Jugendkriminalität, Alkoholexzesse oder Drogenmissbrauch.

    „Ingolstadt ist und bleibt mit die sicherste Großstadt in Bayern“

    Alles dieselben Lösungsversuche wie woanders auch. Die Kommunalpolitik ist überzeugt, dass sie alle Hausaufgaben gemacht hat. „Es gibt leider zurzeit eine auffällige Häufung. Die absoluten Fallzahlen zeigen aber dennoch keine außergewöhnliche Steigerung“, verweist Stadtsprecher Gerd Treffer auf die Polizeistatistik. Eine Verschlechterung der Sicherheitslage sei objektiv nicht erkennbar. „Ingolstadt ist und bleibt mit die sicherste Großstadt in Bayern“, fügt der Sprecher im Auftrag von Oberbürgermeister Alfred Lehmann noch an.

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    Am Sonntag gab es in Ingolstadt wieder ein Gewaltverbrechen. Ein 43-Jähriger hatte einen Mann getötet und hat sich dann selbst erschossen.

    Trotzdem bleibt ein beklemmendes Gefühl. Dort wird ein Obdachloser erschlagen; da zertrümmert ein enttäuschter Ehemann seiner Frau mit einem Stahlmeißel fast den Schädel; Tage zuvor wird ein Boxpromoter auf offener Straße von einem Geschäftspartner erschossen. Vermutlich zwar aus Notwehr. Aber wieder war einer tot. Und jetzt dieser blutige Sonntag.

    Bittere Realität

    Das alles passt gar nicht dorthin, wo man Vollbeschäftigung hat, die Steuern sprudeln und die Kaufkraft weit überdurchschnittlich ist. Wo Wohlstand herrscht. Da empfindet man es vielleicht ganz besonders schlimm, wenn das Verbrechen die Schlagzeilen macht, die sonst die Premium-Autos, neueste Unterhaltungselektronik, topmoderne Hochschulbauten oder Künstler schreiben. Aber es ist bittere Realität: Zwischen den Klängen eines international berühmten Georgischen Kammerorchesters krachen Schüsse. Oder bayerische Lebensfreude bei einem Volksfest wird jäh durch blutige Messerattacken beendet.

    Sofort ertönt der Ruf nach der Polizei. Tut sie zu wenig? Sie verneint und zeigt die Statistik: Die Verbrechensentwicklung liegt unter dem Landesdurchschnitt. Für manche Stadtbürger ist das nur ein schwaches Beruhigungsmittel. Die Momentaufnahme sieht anders aus.

    Häufung der Verbrechen "reiner Zufall"

    Diese Häufung von schweren Verbrechen macht das schlechte Gefühl. Solche Emotionen versteht der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter. Aber er sagt auch deutlich, dass man in den vergangenen vier Jahren sogar weniger Verbrechen hatte als andere Großstädte. Die Häufung jetzt sei „reiner Zufall“ und überdies sei kein Fall mit dem anderen vergleichbar. „Jede Art von Tendenz, die man da rauslesen würde, wäre gekünstelt und hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun“, sagt der Chef der Ermittlungsbehörde.

    So sieht es auch Walter Kimmelzwinger, der Chef im Polizeipräsidium. Spektakuläre Kapitaldelikte dürften kein Gradmesser sein, warnt er. Zumal man es zuletzt durchweg mit Beziehungstaten zu tun gehabt habe, und solche seien „grundsätzlich nicht zur aussagefähigen Bewertung der Sicherheitslage geeignet“. Die Sicherheitsbilanz sei im Gegenteil in den vergangenen Jahren für Ingolstadt stets sehr positiv ausgefallen. Im Großstadtvergleich sei es die drittsicherste Stadt Bayerns. Rein statistisch also genau das Gegenteil von „Klein-Chicago“.

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