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Ingolstadt: Prozess gegen mutmaßlichen Rathaus-Geiselnehmer beginnt

Ingolstadt

Prozess gegen mutmaßlichen Rathaus-Geiselnehmer beginnt

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    Eine Geiselnahme spielte sich im August 2013 im Rathaus in Ingolstadt ab.
    Eine Geiselnahme spielte sich im August 2013 im Rathaus in Ingolstadt ab. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Erst ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei konnte die Geiselnahme nach fast neun Stunden beenden. Beamte schossen den 24-Jährigen am Abend des 19. August 2013 im Rathaus von Ingolstadt nieder. Die Geiseln wurden unverletzt befreit. Der Mann hatte einer Mitarbeiterin der Behörde seit Jahren nachgestellt - ein klassischer Fall von Stalking. Von diesem Dienstag (23. September) an steht der mutmaßliche Täter wegen

    Das Drama hatte an jenem Montag kurz vor 9.00 Uhr begonnen. Bewaffnet mit einem Messer und der Attrappe einer Pistole betrat der Mann das Alte Rathaus und brachte vier Geiseln in seine Gewalt. Die erste ließ er schon kurze Zeit später laufen. Am frühen Nachmittag kam auch Ingolstadts Dritter Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) frei. Vorausgegangen waren langwierige Verhandlungen zwischen dem Krisenstab und dem 24-Jährigen.

    Polizisten schießen mutmaßlichen Geiselnehmer in die Schulter

    Spektakuläre Geiselnahmen in Deutschland

    Immer wieder halten Geiselnahmen in Deutschland Polizei und Bevölkerung in Atem. Ein Überblick über einige spektakuläre Fälle:

    19. August 2013: In Ingolstadt nimmt ein 24-Jähriger im Rathaus drei Geiseln, darunter den dritten Bürgermeister von Ingolstadt. Die Polizei kann die Geiselnahme am Abend unblutig beenden.

    4. Juli 2012: Eine Zwangsvollstreckung in Karlsruhe endet tödlich. Ein 53-Jähriger nimmt in einer Wohnung einen Gerichtsvollzieher, einen Sozialarbeiter, den neuen Eigentümer der Wohnung und einen Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes als Geisel.

    Er entlässt zunächst den Sozialarbeiter in die Freiheit, erschießt dann aber alle anderen Geiseln. Auch seine Lebensgefährtin hatte er zuvor im Schlafzimmer erschossen, sich selbst tötete er mit einem Kopfschuss aus einer Schrotflinte.

    März 2011: Ein 30-Jähriger Mann verschanzt sich in seiner Wohnung in Bad Langensalza und hält seinen vierjährigen Sohn als Geisel. Zuvor bedrohte der Mann die Angestellte eines Supermarkts mit einer Pistole und flüchtete zu sich nach Hause. Der Junge kann acht Stunden nach der Geiselnahme befreit werden. Der Mann wird festgenommen.

    Februar 2011: Ein Mann führt in einer Aachener Bank ein Gespräch wegen eines Kredites und wird dabei von einer Psychologin begleitet. Weil die Beratung nicht so läuft wie gewünscht, greift er einen Kugelschreiber und droht damit, seine Begleiterin "abzustechen". Für etwa eine Stunde hält der Mann vier Personen in seiner Gewalt.

    Oktober 2006: Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei beendet in Königstein im Taunus eine Geiselnahme. Die Polizisten schießen einem psychisch kranken Mann in die Schulter, der eine Nachbarin in seine Gewalt gebracht hatte.

    September 2004: Ein mehrstündiges Geiseldrama nimmt in Neuss bei Düsseldorf ein blutiges Ende. Mit einem Kopfschuss tötet ein Polizist den Geiselnehmer, der seine Lebensgefährtin in seine Gewalt gebracht hatte. Die Frau erleidet leichte Verletzungen und einen Schock.

    April 2002: Drei Männer flüchten nach einem Banküberfall im niedersächsischen Wrestedt mit zwei Angestellten als Geiseln durch Deutschland und Polen. In der Ukraine werden die Täter gefasst, eine Geisel konnte ihnen zuvor bereits entkommen.

    Dezember 1999: Drei Angestellte eines Sicherheitsunternehmens in einer Filiale der Landeszentralbank in Aachen sind rund 50 Stunden lang in der Gewalt eines Verbrechers, der schließlich von der Polizei gezielt getötetet wird.

    Oktober 1995: Der Versuch von fünf Schwerverbrechern, mit fünf Beamten in ihrer Gewalt aus der Haftanstalt Bützow (Mecklenburg-Vorpommern) zu entkommen, scheitert.

    Juni 1995: Bankräuber nehmen in Berlin 16 Geiseln und verschwinden nach 14 Stunden durch einen zuvor gegrabenen Tunnel mit 16,32 Millionen Mark, davon 5,62 Millionen Mark Lösegeld.

    Oktober 1994: Ein Bankräuber bedroht in Herzogenrath bei Aachen 14 Stunden lang das Leben von 17 Menschen, dann tötet er sich mit einer Handgranate.

    Juni 1992: Zwei Gangster überwältigen im Krankentrakt des Gefängnisses in Werl (Westfalen) mehrere Bedienstete. Als die Polizei eingreift, überschüttet einer der Männer zwei Geiseln mit Benzin und zündet sie an.

    August 1988: Zwei bewaffnete Gangster ziehen nach einem Banküberfall in Gladbeck eine blutige Spur über Bremen zur holländischen Grenze bis ins Siebengebirge. Zwei Geiseln werden erschossen.

    Bei der Befreiung der beiden anderen Geiseln schossen die SEK-Beamten auf den Mann und trafen ihn an Schulter und Hand. Die Polizei hatte sich für den Zugriff durch das Spezialeinsatzkommando entschieden, als sich die Situation am späten Nachmittag zuspitzte. Sie wollte eine Situation wie 2009 im Straubinger Hochsicherheitsgefängnis verhindern. Damals hatte ein Häftling eine Therapeutin als Geisel genommen und vergewaltigt.

    Als Motiv für die Geiselnahme von Ingolstadt gilt massive Verärgerung des mutmaßlichen Täters über ein Hausverbot im Rathaus, das wegen des Stalkings einer Mitarbeiterin ausgesprochen worden war. Der 24-Jährige verstieß gegen die Auflage. Zudem soll er mehrere Angestellte der Stadt bedroht und Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben.

    Angeklagter war bereits in Therapie

    Während der Geiselnahme verlangte er, das Hausverbot aufzuheben. Psychiater des Mannes berieten die Polizei. Der mutmaßliche Täter ohne festen Wohnsitz war in Therapie gewesen. Wenige Wochen vor der Geiselnahme wurde er wegen Stalkings, Beleidigung und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. 

    Mehr als 200 Polizisten hatten den Rathausplatz während des Dramas weitläufig abgesperrt, Geschäfte mussten schließen. Sogar ein Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Rathaus wurde abgesagt. Der Fall löste eine Diskussion über härtere Gesetze gegen Stalking aus. 

    Für den Prozess vor dem Landgericht Ingolstadt sind neun Verhandlungstage vorgesehen. Es werden zahlreiche Zeugen und Sachverständige gehört. Das Urteil soll am 24. Oktober verkündet werden.

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