Als er einst seinen Vertrag für das Volontariat, die zweijährige Ausbildung zum Redakteur, unterschrieb, musste seine Mutter mit nach Augsburg kommen. Weil er noch nicht volljährig war damals. Und weil sie dem Personalchef versprechen musste, dass der Sohn als Journalist „mit diesem revolutionären Quatsch“ aufhören würde. Das ist jetzt 48 Jahre her – und die Ideen der 68er, mit denen der junge Walter Roller sympathisierte, hat er schnell hinter sich gelassen und bei der Augsburger Allgemeinen eine beachtliche Karriere gemacht.
Nach fast einem halben Jahrhundert geht Chefredakteur Walter Roller, 66, jetzt in den Ruhestand. Bei einer großen Abschiedsfeier im Foyer des Medienzentrums Augsburg würdigte Herausgeberin Alexandra Holland das Lebenswerk Rollers: „Ich behaupte, nur wenige Journalisten in Bayern haben die bayerische Landespolitik so lange und intensiv verfolgt wie Walter Roller“, betonte sie.
Vom Volontär stieg der gebürtige Illertisser nach Stationen in mehreren Lokalredaktionen mit nur 27 Jahren zum Redaktionsleiter der Günzburger Zeitung auf. 1985 wechselte er in die Zentralredaktion, wurde erst Leiter des Bayern-Ressorts, später stellvertretender Chefredakteur und 2011 schließlich Chefredakteur unserer Zeitung. Roller habe sich als Chef und als Autor nicht nur den Respekt der Kollegen erworben, sagte Alexandra Holland, sondern – was eigentlich noch wichtiger sei: „Er hat sich in die Herzen und in den Verstand unserer Leser hineingeschrieben.“ Seine Leitartikel und politischen Analysen hätten nicht nur stets den Kern der Sache getroffen, sondern zugleich das Denken und das Lebensgefühl „unserer schwäbischen und altbayerischen Leser“, sagte Holland.
Dass die Augsburger Allgemeine in der Region und in Bayern dieses Gewicht habe, „daran hat Roller großen Anteil“, sagte auch Andreas Scherer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Mediengruppe Pressedruck. Er kenne die Mentalität der Menschen in der Region wie kein anderer, „denn er ist selber einer von ihnen“, sagte Scherer.
„Es war mir eine Ehre und eine Freude, für dieses Haus in verantwortlicher Position so lange arbeiten zu dürfen“, betonte Walter Roller, der erste aus Schwaben stammende Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, in seiner Abschiedsrede. Es sei ihm schon ein bisschen schwer ums Herz: „Denn das Miteinander in der AZ-Gemeinschaft werde ich vermissen.“ Doch jeder Wechsel biete die Chance für neue Impulse, sagte Roller. Denn gerade in stürmischen und unübersichtlichen Zeiten bleibe die Zeitung als Informationsquelle unverzichtbar.
Humor- und respektvolles Programm
Ein ebenso humor- wie respektvolles Programm hatten die Kollegen für Walter Roller vorbereitet: So schickte Kabarettist Wolfgang Krebs als Stoiber, Seehofer und Söder Videobotschaften nach Augsburg. Ein ganzer Lexikon-Band voller Begriffe, die Roller in seiner Zeit als Chefredakteur geprägt hat, sind im „rolex“ zusammengefasst, einer Art Roller’schem Lexikon.
Mit dem Abschied von Walter Roller, der am 30. Juni offiziell aus dem Unternehmen ausscheidet, beginnt die Ära von Gregor Peter Schmitz, dem neuen Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, der seit 1. Februar im Haus ist. Der 42-Jährige war zuvor Leiter des Hauptstadtbüros sowie Chef des Ressorts Politik und Weltwirtschaft der Wirtschaftswoche. Der promovierte Jurist und Politikwissenschaftler begann seine Karriere 2005 als Leiter des Brüsseler Büros der Bertelsmann Stiftung. Von 2007 bis 2013 arbeitete er für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und für Spiegel Online in Washington und anschließend bis 2015 als Europa-Korrespondent in Brüssel.
Als drittgrößte regionale Tageszeitung sei die Augsburger Allgemeine einer der am besten aufgestellten Zeitungs-Titel in Deutschland, sagt Schmitz. Eine Zeitung mit riesigem Potenzial, als Heimatzeitung tief verankert in der Region, aber mit deutschlandweiter Ausstrahlung. Durch noch mehr exklusive Texte und Analysen möchte er diese Position weiter ausbauen. „Wir wollen in Zukunft unsere starken Inhalte auf allen Plattformen – in Print und Online, per Video, Audio oder Live-Veranstaltung – an die Frau oder den Mann bringen“, sagt Schmitz, „und dadurch unsere vielen Leser und Abonnenten in der Region noch enger an uns binden sowie neue, vor allem jüngere, gewinnen.“