Als Leihoma Silvia nach Hause gehen will, zieht sich die zweijährige Mia (beide Namen geändert) wie selbstverständlich ihre Schuhe an und winkt den Eltern schon mal zum Abschied. Natürlich kann Mia nicht mit ihrer Ersatzoma mitgehen. Die Szene zeigt jedoch, wie innig das Verhältnis zwischen Leihoma und dem betreuten Kind werden kann.Aber was ist eineLeih-oma eigentlich?
Silke Wolf führt den Leihomaservice in München. Wer bei ihr anruft, sucht Großeltern zum Ausleihen. Das heißt: Frauen oder Männer, die ein bis zwei Mal in der Woche auf das Kind aufpassen oder im Krankheitsfall und am Wochenende einspringen. „Manche Familien suchen nur für eine begrenzte Zeit, die meisten aber behalten ihre Oma über viele Jahre“, sagt Wolf. Die Leihomas seien meist Rentnerinnen mit viel Zeit. Sie hätten entweder keine eigenen Enkel oder diese sind schon erwachsen. In den meisten Fällen leben aber die Enkel oder die Großeltern zu weit weg.
Viele Zugezogene haben das Problem
Wolf kennt das Problem selbst. Sie ist hochschwanger von ihrer Heimatstadt Bremen nach München gezogen. Somit leben auch die Großeltern ihres Sohnes nicht in der Nähe. „Ich habe dann auch viele Zugezogene kennengelernt, die das selbe Problem hatten“, erzählt sie. Zu diesem Zeitpunkt war ihr das Konzept Leihoma bereits bekannt. „Ich kenne den Bremer Oma Hilfsdienst, der schon seit 1981 Omas an Familien vermittelt.“ Die Mutter ihrer Freundin habe dort als Leihoma gearbeitet. „Da habe ich mich gefragt, warum es so etwas nicht auch in Bayern gibt.“ Seit 2002 vermittelt sie nun Leihomas und -opas. Momentan hat sie 250 Omas im Pool, die rund 300 Familien betreuen – aber nur einen Opa, der einer früh verwitweten Frau helfe, ihre drei Jungs großzuziehen.
„Von den Opas kommt weniger Interesse“, bedauert Wolf. Den Hauptgrund dafür sieht sie in der finanziellen Lage der Ersatzgroßeltern. „Frauen bekommen schon wegen ihres Geschlechts lange nicht so viel Rente wie Männer.“ Das liege auch daran, dass die Frauen oft ihr Arbeitsverhältnis ausgesetzt hätten, um die eigenen Kinder großzuziehen. „Die Frauen sind oft in Not“, sagt Wolf. Die hohen Mieten in München und steigenden Lebenskosten könnten viele Rentnerinnen nicht tragen und seien auf eine Nebenbeschäftigung angewiesen. „Als Leihoma können sie aber das Nützliche mit dem Schönen verbinden.“
Bei der Vermittlung spielt das Vertrauen eine wichtige Rolle, sagt Wolf. Deshalb nehme sie sich viel Zeit für die Gespräche mit den Eltern und hole sich regelmäßig Feedback von ihnen ein. Bei der Einstellung der Leihgroßeltern frage sie sich immer: Würde ich meinen eigenen Sohn mit dieser Person alleine lassen? Zudem müssen die Leihomas und -opas ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Mobilität ist ein weiteres Kriterium für die Aufnahme. Ein eigenes Auto sei aber nicht nötig.
Leihomas bekommen zehn bis zwölf Euro
Zwischen zehn und zwölf Euro bekommen die Frauen, die Wolf vermittelt, in der Stunde. 15 Prozent davon zahlen sie an die Minijobzentrale. Für die Familien kommt zusätzlich ein Betrag von 15 Euro monatlich dazu, der an den Dienst entrichtet wird. Und eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 25 Euro. „Wir wollen einen Dienst anbieten, der Menschen hilft, aber natürlich müssen wenigstens meine Kosten gedeckt sein“, sagt Wolf, die ein Büro mit zwei Mitarbeiterinnen betreibt. Ihren Leihomas rät sie, den Nebenverdienst als Minijob anzumelden. „So sind sie unfallversichert und die Eltern können die Betreuungskosten geltend machen.“ Doch wer haftet eigentlich, wenn etwas passiert? „Wenn ein Kind sich beim Spielen verletzt, ist die Krankenversicherung der Eltern zuständig“, sagt Wolf. Sehen aber Eltern oder Versicherer die Aufsichtspflicht verletzt, werde es zum Haftpflichtfall. „Zum Glück ist bei mir bisher nichts passiert“, sagt Wolf erleichtert. Nur ein Mal sei ein Junge weggelaufen, der habe aber bei der Haustür schon auf die Leihoma gewartet.
Warum die 56-jährige Leihoma Silvia trotzdem das Risiko eingeht? „Meine Mutter war immer für meine Kinder da. Das will ich zurückgeben.“ Zur Mutter der Leihenkelin sei ein freundschaftliches Verhältnis entstanden, zumal die junge Mutter den Rat der erfahrenen 56-Jährigen gerne annimmt. „Ich bin kein Ersatz, aber eine Zusatzhilfe.“ Sie habe die Zeit, dem Kind ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, was Eltern neben Haushalt, Arbeit und Partner oft nicht mehr schaffen.