Peter Högg und seine 92-jährige Mutter lassen sich viel Zeit. Vor jedem Ausstellungsstück im Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau bleiben sie lange stehen und tauschen ihre Eindrücke aus. "Die Darstellung ist phantastisch. Wenn man sich für den geschichtlichen Hintergrund interessiert, ist dieses Museum auf jeden Fall einen Besuch wert", sagt Högg. Seiner Mutter haben es vor allem die Fotos der Wittelsbacher Nachkommen aus der Zeit nach 1900 angetan. Die Familie von Kronprinz Rupprecht habe sie zum Teil noch gekannt, sagt die 92-Jährige aus Füssen. Als sie nach dem Rundgang durch die Ausstellung das Foyer betritt, ist auch sie rundum begeistert. "Sehr schön - und gar nicht kitschig."
Rund vier Monate ist es her, dass in Sichtweite der berühmten Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau ein neues Museum über die Geschichte der Wittelsbacher eröffnet wurde. Während die beiden Königsschlösser alljährlich rund zwei Millionen Besucher anlocken, erwartet der Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) in seinem Museum etwa 200 000 Besucher pro Jahr. Auf zwei Etagen und einer Ausstellungsfläche von etwa 1200 Quadratmetern können sie sich über das bayerische Herrschergeschlecht von den Anfängen bis zur Gegenwart informieren. Dabei steht ihnen ein Audio-Guide in sieben Sprachen zur Verfügung - darunter auch chinesisch, japanisch und russisch.
Neues Museum in Hohenschwangau
"Es sind in erster Linie Bildungstouristen und Kulturinteressierte, die unser Museum besuchen", blickt Museumsleiterin Luitgard Löw auf die ersten Monate zurück. Da der Spätherbst und Winter eine ungewöhnlich ruhige Zeit im sonst eher überlaufenen Hohenschwangau ist, sei es für eine aussagekräftige Bilanz noch zu früh. Doch schon jetzt werde deutlich, dass das Museum Besucher aus ganz Europa anspricht. "Wir hatten Italiener, Franzosen, sehr viele Schweizer und einige russische Reisegruppen hier." Die Zahl der Besucher aus China oder Japan sei dagegen überschaubar - bis jetzt. "Die asiatischen Gruppen sind zum Teil enorm gestresst. Die kommen mental gar nicht in Hohenschwangau an."
Wie Löw sagt, nimmt das Museum inmitten des vom Massentourismus heimgesuchten Ortes eine besondere Rolle ein. Während es in den Königsschlössern aufgrund des enormen Andrangs meist schnell gehen muss, werde den Besuchern im Museum so viel Zeit geboten, wie sie benötigen. "Bei uns sollen die Menschen aufatmen können. Sie finden Entschleunigung, Stille und Frieden - das wird unser Plus sein."
Nach den ersten Monaten gibt es laut Löw bereits einige Ideen, um das Museum noch besucherfreundlicher zu machen. So soll es künftig auch einen Audio-Guide für Kinder geben. Außerdem sollen vor allem für ältere Gäste in den Ausstellungsräumen mehr Stühle verteilt und die Schriften vergrößert werden. "Ein Museum ist nie fertig. Man wird immer durchgehen und Dinge sehen, die man verbessern kann." Nicht zuletzt müsse das Museum noch mehr beworben werden. "Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Das Museum ist noch nicht in den Köpfen der Menschen drin." Nach so kurzer Zeit sei dies allerdings nicht verwunderlich. Etwa drei bis vier Jahre Aufbauzeit müsse man für ein neues Museum einkalkulieren, sagt Löw. "Wir müssen uns erst noch auf dem Markt bemerkbar machen."
Und tatsächlich: Mary (31) und Josh May (33), die am Museum vorbeischlendern, haben keine Ahnung, was sich hinter der Fassade des prachtvollen Jugendstilbaus verbirgt. "Ein Museum über König Ludwig? Gibt es da noch mehr zu sehen als in den Schlössern?", fragt das junge Paar aus dem US-Bundesstaat Michigan. Bei der Ticket-Ausgabe habe man ihnen nichts von einem Museum erzählt.
Christa und Heinz Bubert aus Hamburg sind dagegen ganz bewusst nach Hohenschwangau gekommen, um sich das neue Museum anzusehen. "Die Schlösser haben wir mehrfach besucht. Es ist interessant, auch mal die ganze Geschichte der Wittelsbacher und etwas über die Hintergründe zu erfahren", sagt Heinz Bubert. Sie beide hätten zum Beispiel nicht gewusst, dass Ludwig II. einen Bruder hatte. "In den Schlössern bekommt man auch nur mit Mühe mit, dass Maximilian sein Vater war." Neben der Aufmachung der Ausstellung gefällt den Buberts im Museum vor allem eines: "Hier kann man sich viel Zeit lassen - das ist angenehm." dpa/AZ