Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Interview: Hubert Aiwanger: „Ich lasse mich nicht als Amigo verunglimpfen“

Interview

Hubert Aiwanger: „Ich lasse mich nicht als Amigo verunglimpfen“

    • |
    Im Zuge der Masken-Affäre werden auch gegen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Vorwürfe laut.
    Im Zuge der Masken-Affäre werden auch gegen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Vorwürfe laut. Foto: Marcus Merk

    Herr Aiwanger, jetzt hat die CSU gleich mehrere Fälle mutmaßlicher Korruption am Hals und prompt geraten auch Sie unter Verdacht, weil Sie angeblich die niederbayerische Firma Zettl als Lieferant für Schutzmasken gegenüber anderen Firmen bevorzugt hätten. Ärgert Sie das?

    Hubert Aiwanger: Ja, das ärgert mich. Da ist eine fingierte Geschichte an die Bild-Zeitung gegangen mit Insiderinfos, just als der Fall Nüßlein in die Schlagzeilen kam. Ich hätte zu Beginn der Corona-Krise für fünf Euro netto pro Maske zu teuer eingekauft. Dabei wird völlig ignoriert, dass das in diesem Moment ein fairer Preis für ein deutsches Qualitätsprodukt war. Der Bundesgesundheitsminister hat noch vor wenigen Wochen mit den Apotheken sechs Euro für teils chinesische Masken abgerechnet, um überhaupt Ware zu bekommen. Und auch einfache Mund-Nasen-Masken wurden damals für fünf Euro und mehr verkauft. Wir dagegen haben Qualitätsprodukte eingekauft. Die waren ihr Geld wert. Außerdem ging es darum, eine eigene bayerische Produktion aufzubauen, was uns gelungen ist, und nicht darum, am Weltmarkt auf Schnäppchenjagd zu gehen.

    Bevorzugung von Maskenhändler? Hubert Aiwanger bezeichnet Vorwürfe als Unsinn

    Dennoch steht der Vorwurf im Raum, dass Sie andere Angebote ignoriert hätten, zum Beispiel das der Firma Take Cair des oberfränkischen Unternehmers Michael Kretzer.

    Aiwanger: Das ist Unsinn. Die Masken der Firma Zettl hatten bereits Ende März 2020 eine deutsche Qualitätszertifizierung. Das war die erste Sonderzulassung in Deutschland. Das erste Angebot der Firma Take Cair an die Staatsregierung ist dagegen Anfang März 2020 vom Gesundheitsministerium mit der nachvollziehbaren Begründung „nicht zertifiziert“ abgelehnt worden. Noch in der zweiten Aprilhälfte 2020 gab Take Cair dann in einem standardisierten Erfassungsbogen im Wirtschaftsministerium an, noch immer keine Zertifizierung für CPA-Masken zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hat Zettl bereits in großem Stil Qualitätsware geliefert, die wir im medizinischen Bereich dringend gebraucht haben. Zettl ist nicht bevorzugt behandelt worden. Es ist eine absolute Unverschämtheit, so etwas zu behaupten.

    Der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn wirft Ihnen vor, zu teuer eingekauft zu haben.

    Aiwanger: Zettl hat seine Näherinnen nach deutschen Tariflöhnen anständig bezahlt, anstatt sie in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit zu schicken. Die Firma Take Cair produziert bis heute keine eigenen medizinischen Schutzmasken in Bayern. Sie hat lediglich FFP2-Masken der chinesischen Firma Kingfa mit finnischem Zertifikat im Angebot. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, dann wären die Zettl-Mitarbeiter heute arbeitslos und wir würden weiter auf chinesische Masken warten. Herr von Brunn hat die Zettl-Masken für fünf Euro netto als „sauteuer“ bezeichnet. Er meint damit wohl auch die „sauteuren“ deutschen Löhne. Ja, mit asiatischer Kinderarbeit oder polnischen Löhnen wär’s etwas billiger gegangen, liebe SPD – schönen Gruß an die Gewerkschaften!

    Sie verstehen aber schon, dass Oppositionspolitiker und Journalisten nachfragen müssen, wenn der Verdacht besteht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist? Das ist so, wenn ein Skandal ruchbar wird.

    Aiwanger: Ich lasse mich nicht als Amigo verunglimpfen, wie Herr von Brunn das offensichtlich versucht. Take-Cair-Chef Kretzer ist CSU-Schatzmeister der Mittelstandsunion in Hof. Stellen Sie sich vor, ich hätte von ihm im April 2020 Masken für drei Euro gekauft, die nicht zertifiziert waren und deren Kauf vom Gesundheitsministerium bereits abgelehnt worden war – dann wäre doch der Skandal perfekt gewesen.

    Aiwanger im Interview: Geldspenden sind unfair

    In der Affäre bewegt sich aber auch etwas. Unter dem Druck der Öffentlichkeit will CSU-Chef Markus Söder jetzt das Abgeordnetenrecht verschärfen. Machen Sie da mit?

    Aiwanger: Damit kann ich gut leben, aber es springt mir alles zu kurz. Was mir fehlt, ist das Thema Konzernspenden. Die Parteien im Bundestag bekommen pro Jahr etwa 15 Millionen Euro von Dax-Konzernen und großen Unternehmen, davon geht knapp die Hälfte an CDU und CSU. Das würde ich verbieten, weil ich überzeugt bin, dass diese großen Spenden die Politik der Parteien beeinflussen und obendrein den politischen Wettbewerb massiv verzerren. Wer Spenden annimmt, kann das Geld zu Wahlkampfzwecken einsetzen. Wir Freie Wähler nehmen es nicht und sind damit im Nachteil. Ich plädiere dafür, dass der politische Wettbewerb ausschließlich über die staatliche Parteienfinanzierung, über Mitgliedsbeiträge und über Spenden von Mitgliedern finanziert wird. Nur da redet keiner gerne darüber – übrigens auch nicht die Medien, weil auch die von Wahlwerbung profitieren.

    Anzeigen kann man kaufen, Berichterstattung nicht. Unsere Leser kennen den Unterschied. Sie kennen ihn doch auch, oder?

    Aiwanger: Trotzdem ist es so, dass Geld Wahlen gewinnt. Das weiß jedes Kind. Ich will nicht, dass es bei uns irgendwann so ist wie in den USA, wo sich Waffenhersteller und Ölindustrie einen Präsidenten quasi kaufen können.

    Abgeordnetenrecht "soll nicht an den Freien Wählern scheitern"

    Noch einmal zum Abgeordnetenrecht. Auch bei den Freien Wählern gibt es Abgeordnete, die zugleich als Anwälte tätig sind. Tragen Sie als Regierungspartei Söders Vorschläge dennoch mit, Geschäft und politisches Mandat schärfer zu trennen?

    Aiwanger: Da gibt es zweifellos ein Spannungsfeld, wenn jemand, der aus der Wirtschaft kommt, sich dann möglicherweise nicht mehr für ein Abgeordnetenmandat interessiert. Aber so eine Anwaltskanzlei lässt sich ja auch vermieten. Ich denke, es ist besser, solche Interessenkonflikte von vorneherein zu vermeiden. An den Freien Wählern sollte das nicht scheitern.

    Wie geht es Ihnen denn zurzeit mit Ihrem von Affären geplagten Koalitionspartner CSU? Sie wollen ja mit den Freien Wählern in den Bundestag. Und klar ist auch, dass Ihre Chancen umso größer sind, je schlechter die CSU in der öffentlichen Meinung dasteht.

    Aiwanger: Ich mag da jetzt nicht in den Wunden der CSU herumbohren. Mich bewegt im Moment viel mehr, wie wir eine Corona-Politik mit Maß und Ziel hinbekommen. Was alles andere betrifft – da sollte jeder vor seiner eigenen Tür kehren. Ich will da nicht mit Häme gegen die CSU reagieren, auch wenn ich weiß, dass wir andere Töne hören würden, wenn es andersrum wäre.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden