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Horst Seehofer: Will er am Ende Kanzler werden?

Horst Seehofer

Will er am Ende Kanzler werden?

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    Aufgemerkt: Horst Seehofer unkt einmal mehr über seine eigene Zukunft.
    Aufgemerkt: Horst Seehofer unkt einmal mehr über seine eigene Zukunft. Foto: Matthias Balk/dpa

    Es ist für Horst Seehofer einer der schöneren Termine in diesen Tagen: Hotel Bayerischer Hof in München, Auszeichnung mit dem Sparlöwen durch den Bund der Steuerzahler, geballte Prominenz – und eine vielstimmige Lobeshymne auf den Ministerpräsidenten. Das tut gut nach alledem, was zuletzt auf den 67-Jährigen niedergeprasselt ist. Seehofer genießt es und vernimmt dann sichtlich erfreut jene Botschaft, die der Ökonom Hans-Werner Sinn am Ende seiner Laudatio ins Publikum ruft: „Gehen Sie in die Bundespolitik, und zwar nach ganz oben. Deutschland und Europa brauchen Ihre Weitsicht.“

    Der Zeitpunkt für Sinns Appell scheint perfekt gewählt. Tags zuvor hat Seehofer im ZDF-Sommerinterview in Berlin nicht ausgeschlossen, dass er zur Bundestagswahl 2017 als Spitzenkandidat seiner Partei antritt. Fragen, die besonders spannend seien, würden zwar erst nächstes Jahr beantwortet, sagte er da. Aber auf Nachfrage, ob es passieren könnte, dass er und nicht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Plakaten in Bayern im Wahlkampf zu sehen sein werde, antwortete Seehofer: „Na selbstverständlich.“

    Zurück in München: Seehofer betritt unter Beifall die Bühne und sagt zu Beginn seiner mehr als einstündigen, völlig frei gehaltenen Rede über die vorausgegangenen Schmeicheleien mit einem Schmunzeln: „Alles, was Sie über mich gesagt haben, ist richtig.“ Der Ingolstädter sagt diesen Satz gerne. Doch an diesem Tag passt er irgendwie besonders. Es ist ein altbekanntes Spiel Seehofers. Er äußert sich so, dass nichts, aber auch gar nichts ausgeschlossen ist. Er lässt Spekulationen Raum, was auch ein weiteres Zitat in seiner Rede unterstreicht. „Wenn meine Amtszeit voraussichtlich 2018 endet, wird Bayern fünf Milliarden Euro Schulden zurückgezahlt haben.“ Seehofer betont das „voraussichtlich“. Ingo Friedrich, Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats, schließt die Preisverleihung in München mit den Worten: „Wir haben heute den besten Seehofer aller Zeiten erlebt.“

    Will Horst Seehofer Kanzler werden?

    Seit Wochen wird über die politische Zukunft des Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden gerätselt. Bleibt er über 2018 hinaus Regierungschef in Bayern oder tritt er bei der Bundestagswahl 2017 tatsächlich als Spitzenkandidat an? Die Frankfurter Allgemeine titelte sogar „Kanzler Seehofer?“.

    Zu dem Vorhalt, dass er angekündigt habe, 2018, am Ende der Legislaturperiode, aufzuhören, sagt er jetzt: „2018 – das sind zwei Jahre. Wer möchte das vorhersagen.“ Die Bundestagswahl sei im September 2017. „Ich will dem Schicksal nicht ins Handwerk pfuschen.“ Seine Absicht sei, einen „organischen Generationswechsel“ in der CSU herbeizuführen. „Das heißt: möglichst im Einvernehmen mit Persönlichkeiten, die den Erfolg der Partei fortführen können.“ Es könnten jedoch Umstände eintreten, dass Pläne nicht wie vorgesehen erfüllt werden können: „Aber ich wünsche mir diese Umstände nicht.“

    Es sind genau diese Sätze, die nichts ausschließen und mit denen der CSU-Chef seit langem kokettiert. Nach dem Motto „Unsicherheit verbreiten sichert die eigene Macht“ lässt er seine Pläne im Nebulösen.

    Mit der Option Berlin hält sich Seehofer nun eine weitere Tür in diesem Machtspiel offen. Er wird bei der Bundestagswahl 68 Jahre alt sein – es wäre eine späte Rückkehr in die Bundespolitik, die er die meiste Zeit seines politischen Lebens betrieb. 2008, als Edmund Stoiber gehen musste, fiel ihm der Wechsel nach München nicht leicht. „Ich habe es getan, weil sich einige andere nicht einig waren“, wiederholt er immer wieder. Dass er als CSU-Vorsitzender eine machtpolitische Größe in Berlin blieb, machte ihm den Entschluss, Ministerpräsident zu werden, einfacher.

    CSU zu Seehofer: "Er muss eine klare Antwort geben"

    Und nun also zurück von der Bayerischen Staatskanzlei an den Kabinettstisch in der Hauptstadt? Sollte er 2017 tatsächlich als Spitzenkandidat seiner Partei antreten, dann müsste er „auch glaubwürdig sagen, nach Berlin zu gehen“, heißt es in CSU-Kreisen. „Er muss eine klare Antwort geben.“

    Eine klare Antwort hatte Seehofer im Frühjahr 2012 selbst vom damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen gefordert. Der CDU-Politiker war Spitzenkandidat seiner Partei in Nordrhein-Westfalen, ließ sich jedoch die Option offen, bei einer Niederlage ins Berliner Ministerium zurückzukehren, statt in NRW in die Opposition zu gehen. Die CDU stürzte auf 26,3 Prozent der Stimmen ab und verlor die Wahl krachend. Seehofer sagte damals, Röttgens Vorsprung in Umfragen sei innerhalb von sechs Wochen „weggeschmolzen wie ein Eisbecher in der Sonne“. Es ärgere ihn, „dass sich Röttgen den Notausgang nach Berlin nicht zugemacht hat“. Dies sei ein großer Fehler gewesen.

    Seehofer wird diesen Fehler nun nicht selbst begehen, glauben sie in der CSU. Bei der Bundestagswahl anzutreten, mit der Aussicht, im Fall einer Niederlage in Bayern ja Ministerpräsident bleiben zu können, sei undenkbar, sagt ein Parteivorderer. Franz Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002) hatten es getan und ihr gewonnenes Bundestagsmandat wieder zurückgegeben. Die SPD im Bayerischen Landtag hat Seehofer reflexartig zu einer Klarstellung aufgefordert. Ansonsten drohten eine „groß angelegte Wählertäuschung und durchschaubare Manöver“, erklärte Fraktionschef Markus Rinderspacher. Mit „inszenierten Theaterstücken“ sei es nicht getan. Rinderspacher: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“

    ---Trennung _Seehofer ist konservative Antwort auf Merkel_ Trennung---

    Gleichwohl stellt sich in der CSU die ernsthafte Frage, wer denn Spitzenkandidat und Zugpferd bei der Bundestagswahl sein soll. Gerda Hasselfeldt, die es 2013 war, tritt nicht mehr an. Gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gibt es dem Vernehmen nach innerparteiliche Widerstände, Entwicklungshilfeminister Gerd Müller werde wohl keine Mehrheit in der

    Seehofer, die konservative Antwort auf Merkel

    Ausgeschlossen ist nichts mehr. Auch deshalb nicht, weil es in der Partei erhebliche Zweifel an der Politik von Angela Merkel gibt. Seit die Kanzlerin im vergangenen Herbst die Grenze für Flüchtlinge geöffnet hat, ist Seehofer die konservative Stimme der Union. Seine Proteste gegen Merkels Flüchtlingspolitik sind längst keine Taktik mehr. Das macht er auch bei jeder Gelegenheit deutlich, um sich dann jedes Mal aufs Neue gegen Populismus-Vorwürfe wehren zu müssen. Bei den Wählern aber kommt das an: Seine Popularitätswerte sind nach dem neuesten „Deutschland-Trend“ der ARD sprunghaft gestiegen, Merkel verliert dagegen zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung.

    In der CSU gebe es längst zwei Strömungen, sagen sie in der Partei. Diejenigen, die Merkel weiter unterstützen wollen, und diejenigen, die sich deutlich von ihr abgrenzen. Festgemacht wird dies auch an der Tatsache, dass die CDU in den Umfragen abstürzt, während die CSU stabil ihre absolute Mehrheit hält. Seehofer treibe um, dass es für Schwarz-Rot in Berlin nicht mehr reichen könnte, sagt einer, der ihm ganz nahe ist. „Wir sind in einer Situation, in der ich gar nichts mehr ausschließen kann.“ Eines stehe jedoch fest: Seehofer will zwar „Frontmann“ sein, aber nicht Kanzler werden.

    Bleibt Seehofer über das Jahr 2018 Ministerpräsident?

    Bei all der Diskussion um eine mögliche Spitzenkandidatur Seehofers bei der Bundestagswahl rückt völlig in den Hintergrund, dass auch in Bayern eine Frage längst nicht beantwortet ist: Bleibt Seehofer womöglich über das Jahr 2018 hinaus Ministerpräsident? Der Ausgang ist offen. Er könnte sich im Herbst 2017 als CSU-Vorsitzender bestätigen und sich bei der Landtagswahl 2018 nochmals als Zugpferd ins Geschirr spannen lassen. An der Spitze der Oberbayern-Liste könnte er so ein gutes CSU-Ergebnis einfahren und damit vielleicht die absolute Mehrheit seiner Partei sichern. Das alles ist zur Stunde Spekulation. Fakt ist, dass in den Ministerien des Freistaats der Eindruck wächst, Seehofer könnte doch noch weitermachen, weil er „alles an sich ziehe“. Auch aus der Staatskanzlei ist zu hören, der Chef denke nicht an einen Abschied. Wieder andere sagen, Seehofer habe zwar ein gutes Gespür für die Chancen anderer. „Aber er verliert das Gespür, wenn es um ihn selbst geht.“

    Tatsächlich gingen Amtsübergaben in der Geschichte der CSU selten ohne schmerzhafte Erfahrungen über die Bühne. Außerdem kann Seehofer die Ankündigung, seine beiden Ämter – CSU-Chef und Ministerpräsident – 2018 zur Verfügung zu stellen, nicht einfach eigenmächtig revidieren. Einige Granden in der CSU müssten ihn schon darum bitten.

    Seehofer selbst macht nun erst mal Urlaub zu Hause im Altmühltal. Er werde die Sommerpause nach all den Strapazen, die nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind, nutzen, um mit sich ins Reine zu kommen, sagt ein langjähriger Weggefährte.

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