Das Justizopfer Gustl Mollath und der Freistaat Bayern haben sich im Streit um Entschädigung für die unberechtigte Unterbringung in der Psychiatrie gütlich geeinigt. Der Freistaat zahlt "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" einen weiteren Betrag in Höhe von 600.000 Euro, wie das Landgericht München I am Dienstag mitteilte. Damit seien alle Ansprüche abgegolten und der Rechtsstreit beendet.
Mollath ist das wohl bekannteste Justizopfer Deutschlands. Er war 2006 nach einem Prozess wegen angeblicher Gewalt gegen seine Ehefrau in die Psychiatrie eingewiesen worden - zu unrecht, wie sich Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren herausstellte. 2747 Tage - mehr als sieben Jahre - hatte er in der Psychiatrie verbracht.
Mollath forderte vor Gericht 1,8 Millionen Euro
Vor Gericht verklagte Mollath daraufhin den Freistaat in einem Amtshaftungsverfahren und forderte 1,8 Millionen Euro. In der Summe enthalten sind zum Beispiel 800.000 Euro Schmerzensgeld, 288.000 Euro Verdienstausfall und 90.000 Euro Anwaltskosten. Nach Ansicht des Freistaates hingegen stehen ihm gesetzlich 25 Euro pro Tag als Entschädigung zu, das wären 68.675 Euro.
Chronologie: Der Fall Gustl Mollath
Seit 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie und kämpfte für seine Freilassung. Im August 2013 wurde er entlassen. Jetzt hat der Fall ein juristisches Nachspiel. Eine Chronologie der Ereignisse:
November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 geschlagen, gebissen, getreten und gewürgt haben. Mollath bestreitet die Vorwürfe.
September 2003: Die Hauptverhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Das Verfahren wird ausgesetzt und beginnt im April 2004 neu. Ein Gutachter attestiert Mollath gravierende psychische Störungen.
Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften. Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt.
August 2006: Ein Gutachter bescheinigt Mollath eine wahnhafte psychische Störung und paranoide Symptome. Er wird vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen.
Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft Mollaths Revision als unbegründet.
November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 wird publik. Danach traf ein Teil von Mollaths Vorwürfen zu. Die Freien Wähler fordern den Rücktritt der damaligen bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU) und einen Untersuchungsausschuss.
18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft beantragt die Wiederaufnahme des Mollath-Prozesses.
24. Juli 2013: Das Landgericht Regensburg weist die Anträge zurück.
6. August 2013: Das Oberlandesgericht Nürnberg hebt die Regensburger Entscheidung auf und ordnet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens sowie die sofortige Freilassung Mollaths an.
5. September 2013: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gibt einer Beschwerde Mollaths statt. Seine Unterbringung in der Psychiatrie war demnach seit 2011 verfassungswidrig.
14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath im Wiederaufnahmeverfahren frei.
1. März 2018: Mollath kündigt eine Schadenersatzklage gegen den Freistaat Bayern an.
20. März 2019: Vor dem Landgericht München I beginnt der Zivilprozess um Amtshaftungsansprüche. Mollath verlangt knapp 1,8 Millionen Euro Entschädigung. Das Gericht empfiehlt den Parteien, sich auf einen Vergleich zu einigen.
Mitte Juni 2019: Mollaths Anwalt Hildebrecht Braun und das bayerische Justizministerium teilen mit, dass sie nicht zu einer beiderseitigen Einigung gekommen sind. Damit geht der Streit vor Gericht weiter.
12. November 2019: Das Landgericht München I teilt mit, dass sich Mollath und der Freistaat «ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Abgeltung der geltend gemachten Ansprüche insbesondere aufgrund unberechtigter Unterbringung in einem forensischen psychiatrischen Krankenhaus» auf die Zahlung von weiteren 600.000 Euro geeinigt habe. Schon zuvor hatte Mollath rund 70.000 Euro erhalten - die gesetzliche Entschädigung von 25 Euro pro Tag.
Das Gericht hatte im Juni vorgeschlagen, dass die Ansprüche des Klägers gegen Zahlung von weiteren 600.000 Euro abgegolten sein sollten, zusätzlich zu den bereits bezahlten 70.000 Euro. Dem stimmte damals zwar das Justizministerium, nicht aber die Klägerseite zu. Zur aktuellen Einigung war Mollaths Anwalt zunächst nicht zu erreichen. (dpa)
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