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Höhlen: Seehunde aus Kalk und Wasser

Höhlen

Seehunde aus Kalk und Wasser

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    In der Vogelherdhöhle bei Giengen wurden einige der ältesten Kunstwerke der Welt gefunden. Das berühmteste: ein nur 4,8 Zentimeter kleines Wildpferd, geschnitzt aus Mammutelfenbein. Es soll 32 000 Jahre alt sein. Foto: Yvonne Salvamoser
    In der Vogelherdhöhle bei Giengen wurden einige der ältesten Kunstwerke der Welt gefunden. Das berühmteste: ein nur 4,8 Zentimeter kleines Wildpferd, geschnitzt aus Mammutelfenbein. Es soll 32 000 Jahre alt sein. Foto: Yvonne Salvamoser Foto: Yvonne Salvamoser

    Unsere Reporter fahren durchs Verbreitungsgebiet unserer Zeitung und bringen Geschichten mit. Dieses Mal eine aus dem Untergrund: Nass, kalt, dunkel. Nein, richtig gemütlich ist es in der Charlottenhöhle in Giengen an der Brenz (Landkreis Heidenheim) nicht. Das fand auch schon Homo sapiens sapiens, unser Vorfahr, der vor etwa 35 000 Jahren im Lonetal lebte. Nur den Eingangsbereich des düsteren Hohlfelsens nutzte er wohl als Lagerstätte.

    Dort allerdings halten sich seine Nachfahren heute nicht lange auf: Die Höhle ruft. 587 Meter geht es in den Fels hinein, vorbei an bizarren, feucht-glänzenden Tropfsteinen, die manchmal spitz wie Vampirzähne von der Decke ragen oder wie Termitenhügel aus dem Steinboden wachsen. Die nach der Königin Charlotte von Württemberg benannte Höhle ist eine der längsten Schauhöhlen Süddeutschlands. An Spitzentagen lockt sie über 500 Besucher an.

    An diesem späten Sommerferiennachmittag kommen viele Kinder. Sie haben ihre Eltern oder Großeltern mitgebracht. "Gib mir deine Hand", fordert eine ältere Dame ihre Enkelin auf, bevor sie gemeinsam mit einem Führer das Innere der Höhle betreten. "Nö. Ich hab im Dunkeln keine Angst. Und außerdem: So dunkel ist es auch wieder nicht", antwortet das Mädchen prompt.

    Sie hat recht: Alle paar Meter leuchten Strahler auf besonders sehenswerte Kalk- und Tropfsteinformationen. Elektrisches Licht gibt es dort schon seit 1893. Kurz nachdem die Höhle entdeckt wurde, wurde sie für die Öffentlichkeit erschlossen. Die Tropfsteine beeindruckten die ersten Besucher, erklärt der Führer. Dazu das damals noch seltene elektrische Licht - eine Sensation.

    Ein Lichtkegel erhellt eine Ansammlung Stalakmiten - Tropfsteine, die vom Boden her nach oben wachsen - und Stalaktiten, die ihnen von der Decke entgegenragen. Sie sehen aus wie Korallen, schimmern weiß wie Porzellan. Die Kinder erkennen in den aus Wasser und Kalk über Jahrhunderte entstandenen Steinen Zinnsoldaten, Seehunde, Totenköpfe. "Richtig gruselig", findet ein Bub, der sich eng an seinen Vater geschmiegt durch den nächsten engen Gang schlängelt. "Iiii", ruft ein Mädchen. Mit ihrer Hand hat sie die feuchte Wand gestreift. Eine Frau schnäuzt. In der Höhle herrschen permanent acht Grad, die Luftfeuchtigkeit beträgt bis zu 98 Prozent.

    Hinter einer der letzten Biegungen, bevor die Besucher den Rückweg antreten, glänzt auf Kopfhöhe eine glatt polierte Stelle. Es ist ein Bärenschliff. Höhlenbären, die längst ausgestorben sind, rieben dort Schmutz und Ungeziefer aus ihrem Fell.

    Bären, Raubkatzen, Wildpferde - große und gefährliche Tiere dienten den ersten modernen Menschen vor Tausenden von Jahren als Vorlage für Schnitzereien aus Mammutelfenbein. Und eine der bekanntesten, das Vogelherdpferdchen, fand man 1931 in der gleichnamigen Höhle. Sie liegt nur wenige Kilometer von der Charlottenhöhle entfernt. Eine Führung gibt es dort an diesem Donnerstag nicht. Helle Strahler? Fehlanzeige. Wer einen der Eingänge passiert hat, steht bald allein im Finstern, hört nur das Kratzen seiner Schuhe auf dem felsigen Untergrund. Irgendwie ungemütlich, zu kalt, zu feucht und vor allem zu dunkel. Von Yvonne Salvamoser

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