Von Holger Sabinsky Augsburg. Nach zweieinhalb Wochen Pause im Prozess um Ursula Herrmanns Tod fährt Rechtsanwalt Walter Rubach scharfe Geschütze auf: Die Ermittlungsergebnisse der damaligen Sonderkommission seien manipuliert, geglättet und selektiv an Vorgesetzte weitergegeben worden, so der Verteidiger des Angeklagten Werner M. (59).
Er müsse davon ausgehen, dass "Parallelakten" geführt wurden und unter anderem die Augsburger Staatsanwaltschaft mit lückenhaften Unterlagen bedient wurde.
Um diese schweren Vorwürfe zu belegen, hat Rubach beantragt, Notizbücher mit handschriftlichen Aufzeichnungen des damaligen Ersten Sachbearbeiters Joachim Solon zu beschlagnahmen und im Prozess zu verlesen.
Das Gefecht dreht sich wieder um das Geständnis des Klaus P. Der frühere Bekannte von Werner M. hatte einmal bei der Polizei eingeräumt, er habe in M.'s Auftrag ein Loch im Wald gegraben und später eine Kiste darin gesehen. Ursula Herrmann war am 15. September 1981 entführt und in eine Kiste gesperrt worden, in der sie erstickte.
P. widerrief kurz darauf sein Geständnis, es gibt jedoch einige Zeugen, die ihn vor Ursulas Entführung auf seinem Mofa mit einem Spaten fahren gesehen haben. Über das Geständnis und eine anschließende Fahrt der Kripobeamten mit P. zum Tatort existiert merkwürdigerweise kein Protokoll, nur ein Aktenvermerk. Der Erste Sachbearbeiter Solon galt aber als akribischer Arbeiter, der geradezu fanatisch alle Details in seine Notizbücher schrieb. In Zeugenaussagen behauptete der Hauptkommissar a. D., er habe über das Geständnis keine Aufzeichnungen geführt. Verteidiger Rubach glaubt ihm dies nicht. Er geht davon aus, dass Solon umfangreiche Notizen gemacht hat, die aber zu dem Schluss führen, dass P.s Vernehmung einen anderen Verlauf genommen hat als den, den die Vernehmungsbeamten aufzeichnen ließen. Auch behauptet Rubach, das Geständnis sei "fremdinduziert" gewesen - durch "Auslassungen und ,Hineinfragen'".
Der Erste Sachbearbeiter handelte eigenmächtig
Rubach zielt auch in eine andere Richtung: Nach Aussagen von Ex-Kollegen war der über ein Jahr lang wichtigste Ermittler kein einfacher Typ. Er habe eigenmächtig gehandelt, sei nicht teamfähig gewesen und habe zu wenige Informationen weitergegeben.
Der frühere Soko-Leiter bestätigte dies gestern: Solon sei sehr engagiert und fleißig gewesen, habe aber den Informationsstrom nicht mehr bewältigen können. Dies habe er nicht eingesehen. War der dramatische Fall Ursula Herrmann ihm über den Kopf gewachsen? Als das Polizeipräsidium den Eindruck hatte, die Ermittlungen gerieten ins Stocken, schickte es die "fünf Weisen" - eine Truppe von erfahrenen Mordermittlern. Es kam zum Streit mit Hauptkommissar Solon, der daraufhin als Erster Sachbearbeiter abgelöst wurde. Solon hielt - und hält bis heute - Werner M. für Ursulas Entführer. Die Kollegen verfolgten später vor allem die Spur des Ex-Polizisten Harald W. Die heftigen Differenzen und Eifersüchteleien innerhalb der Ermittlungsgruppen sind wahrscheinlich ein Grund dafür, dass es erst nach mehr als 27 Jahren zu einem Prozess kam.
Und der Streit hat bis heute nicht an Schärfe verloren. Nach Informationen unserer Zeitung hat der Kripomann Helmut Ehling gegen seinen Vorgänger als Erster Ermittler Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt. Joachim Solon hatte ihn in seiner Zeugenaussage attackiert.
Ein anderer Ermittler berichtete gestern, dass die Erpresserbriefe trotz akribischer Untersuchung bis heute keine Hinweise auf die Täter gebracht haben. Zwar wurden Haare gefunden, eine DNA-Spur gehörte aber zu Ursulas Mutter. Vier weitere Erpresserbriefe stammten offenbar von Trittbrettfahrern. Zwei Drohbriefe hatte ein 14-jähriges Mädchen aus der Umgebung geschrieben.