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Herrmann-Prozess am Landgericht Augsburg: Ursulas Familie zweifelt an der Schuld des Angeklagten

Herrmann-Prozess am Landgericht Augsburg

Ursulas Familie zweifelt an der Schuld des Angeklagten

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    Augsburg Die Familie der 1981 entführten und getöteten Ursula Herrmann vom Ammersee hat starke Zweifel an der Schuld des Hauptangeklagten Werner M. (59). In einem neuen Schreiben an den Schwurgerichtsvorsitzenden Wolfgang Rothermel erklärt Ursulas Bruder Michael Herrmann junior, die Familie könne zum jetzigen Zeitpunkt die Indizienkette gegen den Angeklagten nicht nachvollziehen.

    Dies sei den Herrmanns aber sehr wichtig, schließlich habe man 27 Jahre ohne Täter gelebt. Die Familie der toten Ursula möchte sich, das wird deutlich, nicht vorschnell auf eine Tätertheorie festlegen. Auch wird Kritik an der Argumentation der Staatsanwaltschaft laut. Michael Herrmann nennt mehrere Gründe, warum seine kleine Schwester aus seiner Sicht kein bewusst ausgewähltes Opfer gewesen sein kann, sondern ein Zufallsopfer gewesen sein muss. Der Text schließt mit der mehrdeutigen Bemerkung, die Familie hoffe, das Urteil des Gerichts am Ende akzeptieren zu können.

    Die Nebenkläger wollen, dass der Fall objektiv aufgeklärt wird

    Das Schreiben ist bislang nicht öffentlich geworden. Marion Zech, die Anwältin der Familie Herrmann, bestätigte aber auf Nachfrage dessen Existenz. Ihren Mandanten sei sehr wichtig, dass der Fall objektiv aufgeklärt werde. Zu diesem Zweck nähmen sie ihre Aufgabe als Nebenkläger in dem Prozess sehr ernst und ließen sich ständig über den Verlauf informieren.

    Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Familie auf so ungewöhnliche Weise direkt an das Gericht wendet. Bereits Mitte April hatte Michael Herrmann eine Bombe platzen lassen: Er habe erhebliche Zweifel am Hauptindiz der Staatsanwaltschaft, einem Tonbandgerät Grundig TK 248. Die Anklagevertreter gehen davon aus, dass dieses bei Werner M. im Oktober 2007 gefundene Gerät bei den Erpresseranrufen an die Familie Herrmann benutzt worden ist. Die Untersuchungsergebnisse des Landeskriminalamts zu dem Tonbandgerät nannte Michael Herrmann, der sich als Musiklehrer mit Tontechnik auskennt, "unvollständig bzw. einseitig".

    Und er ging sogar so weit, sein Fernbleiben vom Prozess anzukündigen - solange sich die Ermittlungen ausschließlich gegen Werner M. richteten und mögliche Alternativtäter aus dem Blick gerieten.

    Ursulas Bruder hatte im März und April an einigen Verhandlungstagen teilgenommen. Ihm war nicht entgangen, wie immer wieder Pannen bei den Ermittlungen zur Sprache kamen. So auch gestern: Es ging um einen grünen Telefondraht, der in der Nähe des Tatorts in den Bäumen gefunden worden war. Die Polizisten maßen dem Draht unerklärlicherweise zunächst keine Bedeutung bei.

    Schüler des Landeserziehungsheims Schondorf holten den Draht von den Bäumen. Erst ein halbes Jahr nach Ursulas Entführung stellten die Ermittler den Klingeldraht bei ihnen sicher. Wie sich herausstellte, war genau solch ein Draht auch als Radio-Antenne in Ursulas Todeskiste verwendet worden.

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