Die Opposition im Landtag bezichtigt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Zusammenhang mit dem Verkauf der rund 32.000 GBW-Wohnungen im Frühjahr 2013 der Lüge: Anders, als von Söder stets behauptet, hätte der Freistaat die Wohnungen von der staatlichen BayernLB kaufen können, wettert etwa SPD-Chefin Natascha Kohnen: „Herr Söder hat gelogen und die Mieterinnen und Mieter verkauft.“
Als Beleg dient SPD, Grünen und Freien Wählern ein nun aufgetauchtes Schreiben des damaligen EU-Wettbewerbskommissars Joaquin Almunia an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Der Brief, der dieser Redaktion vorliegt, ist auf den 9. Dezember 2013 datiert – also mehr als ein halbes Jahr nach dem Verkauf der GBW an die Augsburger Immobilienfirma Patrizia. Darin verweist Almunia auf das Bestreben der Kommission vor dem Verkauf, „die Rentabilität der BayernLB sicherzustellen, damit künftig keine Steuergelder mehr benötigt werden“. Die Auflagen der Kommission bezögen sich jedoch „ausschließlich auf den Rückzahlungsplan“, so Almunia weiter. Veräußerungen von Bayern-LB-Beteiligungen dagegen „wurden von der Bank/Deutschland zugesagt“. Und was die GBW betreffe, habe „die Kommission lediglich darauf hingewiesen, dass der Verkauf nicht zu neuen Beihilfen führen darf, beispielsweise durch ein überhöhtes Angebot der öffentlichen Hand“. Genau dieser Satz dient der Opposition nun als Beleg dafür, „dass der Freistaat Bayern die GBW-Wohnungen hätte übernehmen können“, wie etwa Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagt. Weil Söder als Finanzminister stets das Gegenteil gesagt hat, sei sein „Falschspiel“ nun „offiziell aufgeflogen“, findet der Grüne Ludwig Hartmann.
"Dass die EU auf den Verkauf der GBW verzichtet hätte, ist nicht vorstellbar"
Die Realität dürfte allerdings weit weniger skandalös sein, als es die Opposition gerne hätte. Schließlich stand die BayernLB nach der üppigen Staatshilfe 2009 kurz vor der Zerschlagung – was dem bayerischen Steuerzahler in jedem Fall zumindest zehn Milliarden Euro gekostet hätte. Um die Bank und das Steuergeld zu retten, musste im so genannten Beihilfeverfahren mit der EU-Kommission also unbedingt ein Ergebnis erzielt werden.
Die Kommission diktierte der Bank dafür mit straffem Zeitplan die Rückzahlung von knapp fünf Milliarden Euro an den Freistaat. Die Beihilferegeln legten zudem fest, dass sich die Bank zur Sanierung von allen Beteiligungen trennen musste, die nicht zum engeren Bankgeschäft gehörten. Dazu zählte zuvorderst die letztlich 2,45 Milliarden Euro teure Immobilien-Tochter. „Dass die EU auf den Verkauf der GBW verzichtet hätte, ist nicht vorstellbar“, erklärte Ex-Bankchef Michael Kemmer im GBW-Ausschuss.
Aber hätte der Freistaat nicht doch selbst kaufen können? Einen direkten Verkauf an Freistaat oder Kommunen habe die EU untersagt, berichtete Kemmer. Und eine Teilnahme des Freistaats am verlangten Bieterverfahren „wäre faktisch nicht möglich gewesen“, erklärt der CSU-Landesbankbeauftragte Ernst Weidenbusch: Denn das im Sinne Almunias „überhöhte Angebot“ des Staates hätte aus EU-Sicht schon dann vorgelegen, wenn der Freistaat mehr geboten hätte als private Mitbieter. Der zur Rückzahlung der Staatshilfe dienende staatliche Kaufpreis hätte als illegale Beihilfe gegolten - was unvermeidlich zur Zerschlagung der Bank geführt hätte.
Almunia sei ja Sozialist und wollte wohl wegen des Verkaufs von Sozialwohnungen nicht in die Schusslinie geraten, glaubt Ex-Bankchef Kemmer. Alle bislang gehörten Zeugen widersprächen zudem dem Lügen-Vorwurf an Söder, findet CSU-Mann Weidenbusch: Der Opposition sei aber „zu Wahlkampfzwecken mittlerweile offensichtlich jedes Mittel recht“.
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