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Heiraten in Bayern: Für immer dein? Wie Ehepaare die Namensfrage lösen

Heiraten in Bayern

Für immer dein? Wie Ehepaare die Namensfrage lösen

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    „Namen sind Schall und Rauch“, sagt Standesbeamter Andreas Rösel (links), hier mit dem Hochzeitspaar Annabel Müller und Björn Ewald.
    „Namen sind Schall und Rauch“, sagt Standesbeamter Andreas Rösel (links), hier mit dem Hochzeitspaar Annabel Müller und Björn Ewald. Foto: Ralf Lienert

    Als Annabel Müller ihren heutigen Ehemann kennenlernte, war sie schon einen Tag und eine Nacht gerannt, ohne Pause und ohne Schlaf. Sie lief über den Pass Lunghin, einen Gebirgsweg im Südosten der Schweiz, 2645 Meter über dem Meeresspiegel. Ein Gewitter zog auf. Blitzte es am Himmel, begann sie die Sekunden zu zählen, bis der Donner ihr Ohr erreichte. Sie wusste: Wenn sie nicht mehr bis drei zählen kann, ist das Gewitter nah und sie in Lebensgefahr. Und die Abstände wurden immer kürzer.

    Sie gelangte zu einem Felsvorsprung, unter dem zwei andere Läufer Schutz suchten, die wie sie an dem 200-Kilometer-Rennen über Stock und Stein teilnahmen. „Das ist etwa so weit wie von Stuttgart nach München, nur dass man dabei fünfmal die Zugspitze überquert“, erzählt sie. Ein Blitz schlug ein, nicht weit entfernt. Die drei hatten Glück, zwei von ihnen gleich im doppelten Sinne.

    Solche Erlebnisse schweißen zusammen. Viel mehr, als es ein gemeinsamer Name jemals könnte, sagen Annabel Müller und Björn Ewald. Er ist einer der Männer, den die Extremsportlerin unter dem Felsvorsprung kennenlernte. Nun sitzen die beiden in ihrem Haus in einem Neubaugebiet in Füssen. Die Fassade des Holzgebäudes ist noch nicht ganz fertig, die beiden sind gerade erst eingezogen. Aus ihnen ist ein Liebespaar geworden, ein Brautpaar sogar. Ein paar Tage später werden sie sich das Ja-Wort geben.

    Sie lachen viel, wenn sie von ihrer ersten Begegnung erzählen und ihrem Hobby, dem Laufen. Immer wieder greift eine Hand nach der des Partners. Die zwei haben vieles gemeinsam. Der Name gehört nicht dazu. Frau Müller bleibt nach der Trauung Frau Müller, Herr Ewald heißt weiter Herr Ewald. Unter so abenteuerlichen Umständen sich die beiden kennenlernten – die Frage, wie sie künftig heißen werden, lösten sie auf ziemlich schlichte Weise.

    Erst vor 25 Jahren liberalisierte der Gesetzgeber das Namensrecht und erlaubte fortan beiden Ehepartnern, ihren jeweiligen Namen zu behalten. Bis dahin hatten sie sich auf einen gemeinsamen Namen einigen müssen. Einzig ein Doppelname mit Bindestrich erlaubte es einem der beiden, seinen Namen zumindest nicht ganz zu verlieren. Konnten sich Paare nicht einigen, galt der Name des Mannes automatisch als Ehename. Diese Praxis stoppte das Bundesverfassungsgericht. Es bereitete damit den Weg für eine Ehe mit unterschiedlichen Namen. Immer mehr Paare nutzen heute diese Möglichkeit – Paare wie Annabel Müller und Björn Ewald.

    „So einzigartig wie du“, steht auf den Kästchen, das Annabel Müller und Björn Ewald mit in den Trausaal gebracht haben.
    „So einzigartig wie du“, steht auf den Kästchen, das Annabel Müller und Björn Ewald mit in den Trausaal gebracht haben. Foto: Ralf Lienert

    So oder so: Viele tun sich schwer damit, ihren Namen aufzugeben

    Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat kürzlich untersucht, wie sich Ehepaare im Laufe der Jahrzehnte in der Namensfrage entschieden haben. „Für die wenigsten ist es einfach, den eigenen Namen aufzugeben“, stellen die Autoren der vor wenigen Monaten veröffentlichten Studie fest. Denn der Name trage einen Teil der Identität, der Verlust könne schmerzhaft sein – gleichzeitig aber auch willkommen, wenn man nach außen einen Neubeginn dokumentieren wolle.

    Die Forscher gehen auch auf die Frage ein, nach welchen Gesichtspunkten Paare entscheiden, wie sie heißen werden. Vielen geht es demnach wie Annabel Müller, die ihren Namen hauptsächlich aus beruflichen Gründen behalten hat. Die 41-Jährige ist selbstständig. Sie hält Vorträge, in denen es beispielsweise darum geht, wie man Entscheidungen schnell und gut treffen kann. Dabei überträgt sie ihre sportlichen Erfahrungen aufs Berufsleben.

    Nun sitzt sie in ihrem Haus vor einem Fenster. Dahinter sind die Berge zu sehen – Sehnsuchtsort der Sportlerin und ihres Mannes. Diese schlagen sich auch in ihrem Geschäftslogo nieder. Es besteht aus den Initialen ihres Vor- und Nachnamens, „A“ und „M“. Die Buchstaben bilden ein Gebirge. „Die Berge sind meine Leidenschaft, beruflich wie privat. Hätte ich meinen Namen geändert, hätte auch das Logo keinen Sinn mehr ergeben.“

    Und ein weiterer Grund sprach gegen einen gemeinsamen Namen. Annabel Müller war bereits einmal verheiratet, ihr 44-jähriger Partner ebenfalls. Müller ist ihr Mädchenname. Später nahm sie den Namen ihres damaligen Mannes an, danach legte sie ihn wieder ab. Das sei mit großem Aufwand verbunden gewesen, den sie sich jetzt gerne spare.

    1996, zwei Jahre nach Einführung der neuen Regel, entschieden sich 8,8 Prozent der Paare für die Variante, heißt es in der Studie. Heute sind es 13,5 Prozent. Dass ein Mann den Namen seiner Frau annimmt, ist noch seltener: Nur sechs Prozent der Paare wählen diesen Weg.

    Anja und Martin Stube aus Augsburg zählen dazu. Sie sind – nach langem Ringen – zu dieser Lösung gelangt. Wie viele andere haben sie sich nach einem Aufruf unserer Redaktion gemeldet und ihre Geschichte erzählt. Ihr Mann habe vor der Hochzeit Metzler geheißen und dann ihren Namen angenommen, sagt Anja Stube, 32. Dabei waren seine Zweifel groß. Martin, 35, habe berufliche Nachteile befürchtet, würde ihn in seinem Unternehmen niemand mehr mit dem neuen Namen kennen, erzählt sie. Auch Anja, die gebürtige Dresdnerin, wollte ihren Namen behalten. Sie ist die letzte in ihrer Familie, die ihn weitergeben könnte. Trotzdem war für beide klar: „Wir wollten einen gemeinsamen Namen auf dem Klingelschild haben.“ Monatelang debattierten sie, ohne eine Lösung zu finden.

    Als ein Würfelspiel über den gemeinsamen Namen entschied

    Dann überlegten sie, ein Los entscheiden zu lassen. „Ganz wollten wir es nicht dem Zufall überlassen, deshalb haben wir Kniffel gespielt. Da geht es auch um Können“, erzählt Anja Stube. Sie gewann das Würfelspiel mit 240 zu 180 Punkten. Nun heißt ihr Mann Herr Stube.

    Die mit großem Abstand gängigste Variante ist nach wie vor die: Die Frau nimmt den Namen des Mannes an. Zuletzt entschieden sich drei Viertel aller Paare dafür, sagen die Sprachforscher. Viele Paare begründen dies damit, dass es der Tradition entspreche. Häufig, so steht es in der Studie, seien es die Männer selbst, die so argumentieren. Viele Leserinnen schrieben unserer Redaktion aber auch, dass es ihnen selbst ein Anliegen sei, wie ihr Ehemann zu heißen. „Ich bin in dieser Hinsicht altmodisch und wollte den Namen meines Mannes annehmen“, schrieb etwa eine Augsburgerin.

    Schwieriger wird die Wahl, wenn Kinder mit im Spiel sind. Das sagten viele Befragte den Autoren der Studie. In diesem Fall nämlich muss sich das Paar auf einen Namen für das Kind einigen – auf den des Mannes oder der Frau. Bindestrichnamen sind hier nicht erlaubt.

    Apropos Doppelnamen. Die gab es bereits vor der Reform vor 25 Jahren. Allerdings nutzen überwiegend Frauen diese Möglichkeit. Vor 40 Jahren lag ihr Anteil bei 96 Prozent. Jetzt sind es immer noch 88 Prozent. Entscheiden sich Paare heute für eine vergleichsweise exotische Variante, erregt das allerdings längst nicht mehr so viel Aufmerksamkeit wie früher, wie die Zuschrift einer Leserin zeigt: „Mein damaliger Mann hat schon 1986 meinen Namen angenommen, das war so ungewöhnlich, dass es gleich in der Zeitung stand.“

    Und inwiefern ist die Wahl des Namens eine Frage der Emanzipation? Für Alice Schwarzer, Deutschlands bekannteste Feministin, ist es auch heute keine Selbstverständlichkeit, dass Frauen ihren Namen behalten können, wenn sie heiraten. In ihrer Zeitschrift Emma riet sie mal einer 28-Jährigen, die sich mit ihrem Bräutigam stritt, auf keinen Fall ihren Namen aufzugeben, denn der sei Teil ihrer Identität. „Warum solltest du dich selbst ausradieren?“

    Schwarzer erzählte, wie schwierig es gewesen sei, eine Frau, die ihren Namen aufgegeben hatte, zu einem Geburtstag ihrer Freundin einzuladen. „Es gab sie nicht mehr. Sie war verschwunden – zusammen mit ihrem Namen.“ Als sie im Alter der Leserin gewesen sei, habe sie auch geplant zu heiraten, einen Juristen. Sie wäre mit ihm, falls nötig, bis zum Europäischen Gerichtshof gezogen, um durchzusetzen, dass sie beide ihre Namen behalten können. Die junge Frau habe das heute nicht mehr nötig. Heute genügt eine Erklärung beim Standesamt.

    Was in der Region eine richtige Hochzeitshochburg ist

    Annabel Müller und Björn Ewald haben diese in Füssen abgegeben. Die Stadt ist nicht nur unter Touristen beliebt, sondern auch unter Brautpaaren. Mit 250 Trauungen bei 17.000 Einwohnern ist sie eine regelrechte Hochzeitshochburg. Das Standesamt befindet sich in einem ehemaligen Dominikanerkloster nahe dem Lech. Sein Chef Andreas Rösel sitzt kerzengerade auf seinem Bürostuhl. Hinter ihm hängt ein Gemälde, das den jungen König Ludwig II. zeigt, den Erbauer des nahe gelegenen Schlosses Neuschwanstein. Rösel freut sich sichtlich, darauf angesprochen zu werden. Er lächelt und fängt an, über Ludwig zu plaudern. Bis er sagt: „Er war eher der musische Typ.“

    Es muss Liebe sein: Und trotzdem heißt Frau Müller auch nach der Trauung in Füssen Frau Müller und Herr Ewald Herr Ewald.
    Es muss Liebe sein: Und trotzdem heißt Frau Müller auch nach der Trauung in Füssen Frau Müller und Herr Ewald Herr Ewald. Foto: Ralf Lienert

    Zwischenfrage: Sind Standesbeamte die musischen Typen unter den Staatsdienern? „Man braucht auf jeden Fall einen Sinn für Romantik“, antwortet Rösel. Er traut Paare in vier verschiedenen Sälen des früheren Klosters, manchmal auch auf Schloss Bullachberg in Schwangau, mit Blick auf Neuschwanstein. Rösel legt Wert auf eine eher unübliche Sitzordnung: Bei ihm sitzen die Brautpaare mit dem Gesicht zu den Gästen, schließlich seien sie der Mittelpunkt. Auf vorgefertigte Reden würde er nie zurückgreifen, höchstens als Inspiration. 1998 traute er sein erstes Paar. Bis zum heutigen Tag hat er etwa 1500 Ehen geschlossen, schätzt er, alle so individuell wie möglich.

    Wenn es jedoch darum geht, nach welchen Kriterien Brautleute in Füssen ihren Namen wählen, ist es schnell vorbei mit der Individualität. Auch Rösel sagt: „Die meisten entscheiden sich für den klassischen Weg: den Namen des Mannes als gemeinsamen Ehenamen“, sagt er. Zugleich kennt auch er den Fall, dass berufliche Gründe gegen eine Namensänderung sprechen. Einmal hat er eine Schauspielerin des König-Ludwig-Musicals in Füssen getraut. In dieser Branche, sagt er, sei der eigene Name eben eine Marke.

    Häufig erlebt Andreas Rösel den Fall, dass beide Brautleute oder einer von ihnen Ausländer sind und die Namenswahl eingeschränkt ist. Denn viele Länder haben andere Gesetze, manche sind liberaler, manche ziemlich restriktiv. Rösel muss die Paare darauf hinweisen, wenn diese eine Variante nutzen wollen, die problematisch sein könnte; das Heimatland soll die Papiere ja anerkennen. „Hinkende Namensführung“ nenne man das.

    Und dann hat der Standesbeamte noch eine Glücksbotschaft

    Gegenüber seines Schreibtisches steht ein Regal mit einigen Dutzend roten und blauen Büchern. Darin finde er die Gesetze aller anerkannten Staaten der Welt, sagt Rösel – und die habe er als deutscher Standesbeamter zu berücksichtigen. Im Commonwealth beispielsweise, also im Vereinigten Königreich und dessen ehemaligen Kolonien, könne man, was Namen angeht, fast alles machen. „Dort könnte ich mich auch König Ludwig II. nennen, das würde man in Deutschland aber nicht anerkennen“, sagt Rösel. Oder: In Österreich dürfen seit einigen Jahren beide Ehepartner einen Doppelnamen tragen. Auch das ist in Deutschland nicht möglich.

    Rösel selbst hat 1997 geheiratet. Damals wäre es ihm schwergefallen, auf seinen Namen zu verzichten, erzählt er. Heute sei ihm das egal. „Ich nenne meine Frau ja nicht Frau Rösel oder Frau Turner“, sagt er – so hieß sie vor der Hochzeit. Er sehe heute vieles entspannter. Dann wird er grundsätzlich: „Um glücklich zu sein, muss man nicht zum Standesamt gehen.“ Seinen zwei erwachsenen Söhnen und seiner Tochter wird er jedenfalls ans Herz legen, sich nicht zu viel mit solchen Fragen zu beschäftigen. „Namen“, sagt er noch, „sind nur Schall und Rauch.“

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