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Günzburg: Ungelernte Aushilfen, kaum Anmeldungen: Schule droht Aus

Günzburg

Ungelernte Aushilfen, kaum Anmeldungen: Schule droht Aus

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    So jung und schon als Lehrer an der Tafel? Ein Fall an einer Günzburger Realschule sorgt für viel Aufregung.
    So jung und schon als Lehrer an der Tafel? Ein Fall an einer Günzburger Realschule sorgt für viel Aufregung. Foto: Mohssen Assanimoghaddam, dpa (Symbolbild)

    Sie haben selbst kaum pädagogisches Wissen – und doch standen zwei junge Männer an der Günzburger Dominikus-Zimmermann-Schule über Monate hinweg im Klassenzimmer und unterrichteten Realschüler. Diese Nachricht macht viele Menschen fassungslos – Eltern genauso wie Realschullehrer, die um das Image ihrer Schulform fürchten. Selbst Mitarbeiter des Kultusministeriums, das nach eigenen Angaben bis vor ein paar Tagen nichts von den Aushilfslehrern wusste.

    Der eine hatte 2017 Abitur gemacht, der zweite 2018. Beide sind erst seit Kurzem für ein Lehramtsstudium eingeschrieben. Und doch hielt die Schulleitung sie für geeignet. „Ihre fachlichen sowie persönlichen Qualifikationen wurden berücksichtigt“, schreibt Schulleiterin Roswitha Schön in einer Stellungnahme an unsere Redaktion.

    Günzburger Realschule: Lange Liste von Problemen

    Doch die fragwürdige Personalentscheidung ist offenbar nur die Spitze eines Eisbergs von Problemen an der staatlichen Realschule: akuter Lehrermangel, unzufriedene Eltern, Konkurrenz in der eigenen Stadt. Es ist eine Geschichte, die zeigt, wie sich der gute Ruf einer Schule schleichend ins Gegenteil verkehren kann. Und an deren traurigem Ende das Aus des Hauses stehen könnte.

    Besonders dramatisch sehen Eltern, Lehrkräfte und Kommunalpolitiker in Günzburg die Tatsache, dass die Realschule drastisch sinkende Anmeldezahlen verzeichnet. Für das kommende Schuljahr wird mit Müh und Not eine einzige Eingangsklasse gebildet – und das, obwohl sich die ehemalige Knabenrealschule zum September 2017 auch für Mädchen geöffnet hatte. Nur 20 Kinder sind an der Dominikus-Zimmermann-Realschule für das neue Schuljahr angemeldet worden, darunter kein einziges Mädchen. Die kirchliche Maria-Ward-Realschule Günzburg verzeichnet dagegen einen sprunghaften Anstieg der Anmeldungen. Sie wird im neuen Schuljahr mit 109 neuen Fünftklässlern erstmals vier Eingangsklassen bilden. Als Grund für diesen Erfolg wird in Günzburg zum einen das große Engagement des Maria-Ward-Schulleiters Christian Hörtrich gesehen. Aber auch der schlechte Ruf der staatlichen Realschule in Günzburg spiele dabei eine wichtige Rolle.

    Die Dominikus-Zimmermann-Realschule in Günzburg hat mit Problemen zu kämpfen.
    Die Dominikus-Zimmermann-Realschule in Günzburg hat mit Problemen zu kämpfen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Zum Schülermangel kommt Personalmangel

    Neben dem Schülermangel hat die Dominikus-Zimmermann-Realschule mit Personalmangel zu kämpfen – aus diesem Grund sind auch die beiden Aushilfen ohne Studienabschluss eingesetzt worden. Schulleiterin Roswitha Schön teilt mit, dass die Schule den Bedarf umgehend sowohl auf den Seiten des Kultusministeriums als auch im bayerischen Realschulnetz veröffentlicht hatte. Es konnte aber keine Aushilfslehrkraft gefunden werden. Das ist rätselhaft, denn die Warteliste mit fertig ausgebildeten Realschullehrkräften in Bayern ist voll. Jedes Jahr gibt es deutlich weniger Planstellen als Bewerber. Ist eine Stelle zu besetzen, müssen die Leute auf der Warteliste zuallererst angefragt werden. Notfalls, so heißt es aus dem Ministerium, könnten auch Lehramtsstudenten „in höheren Fachsemestern“ eingestellt werden. Doch dass derart unerfahrene Aushilfslehrer einspringen, bezeichnet ein Sprecher von Minister Michael Piazolo (Freie Wähler) als „absoluten Ausnahmefall“.

    Aushilfslehrer haben Unterrichtsverbot

    Ab sofort haben die jungen Hilfskräfte Unterrichtsverbot, dürfen bis zu den Sommerferien aber bei organisatorischen Dingen helfen – zum Beispiel bei Zusatzangeboten am Nachmittag oder Veranstaltungen.

    Aus Sicht der Schulleiterin hätten Eltern und Lehrer begrüßt, dass mithilfe der beiden Studenten der Pflichtunterricht abgedeckt gewesen sei. In Günzburg nehmen viele die Situation jedoch ganz anders wahr. Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD) sagt: „Die Probleme an der Dominikus-Zimmermann-Realschule beschäftigen uns schon seit längerer Zeit. Zuletzt haben sich viele Eltern an die Stadt gewandt, die in Sorge darüber sind, was mit dem Schulstandort passiert.“

    Eltern sind in Sorge um den Schulstandort

    Eltern von Realschülern sprechen unserer Redaktion gegenüber von einer chaotischen Situation. Dem Lehrerkollegium bescheinigen sie großes Engagement. Doch herrsche auch dort große Unzufriedenheit. Viele Lehrkräfte würden die Schule am liebsten verlassen, heißt es. Immer wieder hätten sich Familien auch an das zuständige Ministerium gewandt, um die Probleme mit der seit 2011 dort tätigen Schulleiterin anzusprechen. Auch über die Beschäftigung der beiden Aushilfen ohne Ausbildung hätten sich Eltern sehr wohl dort beklagt.

    Als Träger der Schule hat der Landkreis in den vergangenen Jahren 3,2 Millionen Euro in die Erweiterung und Sanierung des Schulhauses investiert. Weitere 1,8 Millionen sind für die Sanierung des Flachdachs geplant. Einfluss auf die personelle Besetzung der Schulleitung hat der Geldgeber jedoch nicht. „Die Schülerzahlen entwickeln sich gegensätzlich zu den gigantischen Investitionen“, kritisiert Oberbürgermeister Jauernig. „Spätestens jetzt ist es Zeit für eine schonungslos offene und ehrliche Analyse der Situation.“ Werde der Rückgang der Schülerzahlen nicht gestoppt, drohe der Realschule in wenigen Jahren das Aus. Das Kultusministerium müsse handeln, bevor es zu spät sei. „Jeder kennt das Problem, aber keiner unternimmt etwas.“

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Löcherstopfen ist Alltag an den Schulen

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