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Glaube: Eine Katholikin: "Ja, ich denke verstärkt über einen Austritt nach"

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Eine Katholikin: "Ja, ich denke verstärkt über einen Austritt nach"

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    Mit der katholischen Kirche haben viele Gläubige Probleme. Wir fragten Menschen in unserer Region, wie sie ganz persönlich zur Kirche stehen.
    Mit der katholischen Kirche haben viele Gläubige Probleme. Wir fragten Menschen in unserer Region, wie sie ganz persönlich zur Kirche stehen. Foto: Ralf Lienert

    Amts- und Würdenträger der katholischen Kirche haben zuletzt binnen einer Woche bittere Wahrheiten erfahren müssen. Erst durch eine repräsentative Studie, dann durch ihre am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Kirchenstatistik. Beides zeichnet ein desaströses Bild. Und die Zahlen für dieses Jahr, die im Sommer 2022 bekannt gegeben werden, dürften noch weitaus drastischer ausfallen.

    Beispiel Kirchenaustritte: Im Erzbistum Köln, in dem sich Kardinal Woelki heftiger Kritik an seinem Umgang mit Missbrauchsfällen zu stellen hat, kehrten im Jahr 2020 zwar weniger Menschen der Kirche den Rücken als 2019. Eine Trendwende ist das aber mitnichten. Allein in der Stadt Köln traten in der ersten Hälfte dieses Jahres 9004 Christen – das zuständige Amtsgericht unterscheidet nicht zwischen Katholiken und Protestanten – aus (Gesamtjahr 2020: 6960). Und das unter Corona-Bedingungen: Das Gericht kann nach wie vor Austritts-Termine nur in eingeschränktem Maße anbieten.

    Im Bistum Augsburg kehrt Ruhe ein

    Im katholischen Bistum Augsburg ist dagegen nach den Turbulenzen der letzten Jahre – Rücktritt von Bischof Mixa wegen Prügel- und Veruntreuungsvorwürfen; Debatten um die Bistumsreform und das Verhalten von Bischof Zdarsa – mit dem im Juni 2020 zum neuen

    Aber es sind ja nicht die Kirchenaustritte allein. Die Zahl der Gottesdienstteilnehmer etwa ist – vor allem coronabedingt – erdrutschartig eingebrochen auf bundesweit 5,9 Prozent (2019: 9,1). Im Bistum Augsburg waren es 8,3 Prozent (2019: 11,8). Werden alle die, die fernblieben, in die Gotteshäuser zurückkommen? Wohl kaum.

    Die Gründe dafür hat die Studie, der „MDG-Trendmonitor“, aufgezeigt. Sie sind vielfältig, und doch wird das Versagen der Institution Kirche überdeutlich. 1690 Katholikinnen und Katholiken wurden im Sommer 2020 unter anderem diese Fragen gestellt:

    • Glauben Sie an Gott? 74 Prozent antworteten mit Ja.
    • Haben Sie schon einmal an Kirchenaustritt gedacht? 39 Prozent antworteten mit Ja.
    • Haben Sie den Eindruck, die Kirche halte teilweise zu starr an überholten Normen fest? 70 Prozent antworteten mit Ja.

    Und so beantworten Gläubige aus unserer Region diese Fragen:

    Thomas Schmitt, 33 Jahre, Höchststädt:

    Glauben Sie an Gott?

    Thomas Schmitt: Ja, ich glaube an Gott und an ein Leben nach dem Tod. Ich glaube an die biblischen Lehren, vor allem auch an die Bergpredigt. Mir gibt mein Glaube Halt. Die wichtigste Botschaft für mich ist: Wir sind geliebt und wir sind gerettet. Das hat mich an der Umfrage im Übrigen sehr erstaunt, dass so viele Menschen zwar noch in der katholischen Kirche sind, aber gar nicht mehr an Gott glauben – das macht eigentlich keinen Sinn.

    Haben Sie schon einmal an einen Kirchenaustritt gedacht?

    Schmitt: Wenn man von den vielen Kirchenaustritten hört, dann fragt man sich als Katholik selbst schon: Wo stehe ich? Was hält mich – und was trennt mich? Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass für mich meine Heimatgemeinde in Höchstädt entscheidend ist, in der der Glaube wirklich gelebt wird, und nicht das, was allgemein in der Amtskirche gesagt und getan wird. Wir haben in

    Hält die Kirche an überholten Normen fest?

    Schmitt: An der Amtskirche habe ich seit längerem größere Zweifel. Auf der Leitungsebene der katholischen Kirche, also etwa auf Bistumsebene, aber auch auf Vatikanebene, wird aus meiner Sicht sehr viel kaputt gemacht. Da kommen leider immer wieder neue Störfeuer, die das Leben der Gemeinden vor Ort nur erschweren – wie etwa jetzt der Umgang mit homosexuellen Menschen. Meiner Meinung nach ist es das oberste Gebot unseres Glaubens, dass niemand ausgeschlossen wird. Ich erlebe immer wieder, dass die Menschen vor Ort in den Kirchengemeinden komplett anderer Meinung sind als die Amtskirche und auch wesentlich weiter. Wenn sich die Amtskirche nicht verändert, wird dieser Widerspruch für alle immer schwieriger.

    Patricia Schweier, 67, Königsbrunn:

    Glauben Sie an Gott?

    Patricia Schweier: Ein uneingeschränktes Ja! Dieser Gott übersteigt zwar bei weitem meine Vorstellungskraft, gleichzeitig kommt er mir aber sehr nahe. Das alttestamentliche Wort „Jahwe“ drückt das am deutlichsten für mich aus. Es lässt sich übersetzen mit „Ich bin der als der ich mich erweisen werde“ – in jeder Situation neu, in unbegrenzter Liebe, überraschend. Er weist mir den Weg, geht mit und hilft mir, immer neu den Sinn meines Daseins zu entdecken. Er wird für mich spürbar in den Worten der Heiligen Schrift, durch Ereignisse und Begegnungen im Alltag und die Resonanz auf beides in mir. Glaube ist Vertrauen, das täglich geprüft wird und neu errungen werden will.

    Haben Sie schon einmal über Kirchenaustritt nachgedacht?

    Schweier: Ja, ich frage mich immer wieder, warum ich finanziell eine Institution unterstütze, in der ich als Frau nicht mit allen Konsequenzen ernst genommen und gleichberechtigt behandelt werde. Und doch ist sie der Raum, in dem ich vielen Menschen begegnet bin, die mein Leben positiv geprägt haben, wo ich Gemeinschaft erlebe und mich über viele Möglichkeiten des Engagements freue. Das alles möchte ich nicht missen. Es sind Erfahrungen, die ich allen wünschen würde, auch wenn ich gut verstehen kann, dass viele sich verletzt und enttäuscht für den Austritt entscheiden. Für mich gilt jedenfalls (noch): Auftreten, nicht austreten! – nach meinen Möglichkeiten.

    Haben Sie den Eindruck, die Kirche halte teilweise zu starr an überholten Normen fest?

    Schweier: Ja und nein. Normen, die dem Leben dienen, ein friedliches Zusammenleben und Freiheit in Verantwortung ermöglichen, muss Kirche verteidigen, an der Seite der Suchenden, Schwachen und Leidenden. Leider verwenden Entscheidungsträger zu viel Energie für die Aufrechterhaltung von Strukturen und Lebensformen, die zeitbedingt in früheren Jahrhunderten verständlich waren, aber heute ein Hindernis darstellen für die fruchtbare Verkündigung von Jesu Botschaft und oft nur dem Zweck der männlichen Machterhaltung dienen. Die Kritik Jesu an den Strukturen seiner Zeit ist hier deutlich. Es gilt heute mutig auf die Zeichen der Zeit Antwort zu geben und damit nicht dem Wirken des Geistes Gottes im Weg zu stehen. Das bedeutet auch, Vielfalt und Weite zulassen, denn katholisch bedeutet allumfassend, nicht einengend.

    Franziska Leininger, 28, Augsburg:

    Glauben Sie an Gott?

    Franziska Leininger: Ein klares „Ja“. Bei der Frage „Welches Gottesbild haben Sie?“ schaut die Sache schon anders aus. Ich glaube nicht, dass Gott als alter bärtiger Mann von einer Wolke herunter schaut und die Geschicke der Welt lenkt. Für mich ist Gott in allem was mich um gibt. Es kann der Nachbar sein, der mir im Treppenhaus einen freundliches Lächeln schenkt, wenn es mir grade vielleicht nicht zu lachen zumute ist. Es kann aber auch der Baum sein, der mir bei 40° C in der Sonne Schatten spendet. Ich sehe Gott in der ganzen Schöpfung.

    Haben Sie schon einmal an einen Kirchenaustritt gedacht?

    Leininger: An einen Kirchenaustritt in der Form nicht, aber es gab eine Zeit, in der ich den Glauben fast verloren hätte. Ich war 13 Jahre alt, als ich ins zweifeln kam. Da haben Ereignisse in meiner damaligen Heimatgemeinde stark an der Glaubwürdigkeit an der Institution Kirche gezerrt. Damals hat meine Mutter sich ehrenamtlich stark eingesetzt, hat neben Beruf und Familie die Aufgabe einer erkrankten Hauptamtlichen zur Erstkommunion-Vorbereitung übernommen. Dem Priester ist danach nichts besseres eingefallen, als zu sagen, er möchte hiermit jegliche ehrenamtliche Zusammenarbeit mit meiner Mutter beenden. Ich befand mich damals in der Firmvorbereitung und war eine fleißige Ministrantin. Hier habe ich mich zum ersten Mal gefragt, kann ich daran noch glauben. Ich kam dann zum Schluss, dass ich an GOTT glaube und nicht an unfähiges Bodenpersonal. Nur den Friedensgruß konnte ich nach diesem Vorfall diesem Priester nicht mehr geben, da waren die Verletzungen, die er meiner Familie angetan hatte, zu groß.

    Hält die Kirche an überholten Normen fest?

    Leininger: Ja, absolut! Die Kirche braucht dringend Reformen. Leider stellen sich hierbei noch viele hohe Würdenträger in den Weg. Meines Erachtens nur, weil sie Angst haben, ihre Macht und ihren Einfluss innerhalb der Kirche zu verlieren. Auch wird ein Punkt sein, dass Bischöfe und Kardinäle den Bezug zum echten Leben verloren haben und die Augen vor der derzeitigen Krise in der Kirche verschließen bzw. ihren Blickwinkel wie mit Scheuklappen verringern. Zum Glück gibt es viele Reformgruppen, die für Veränderungen in der Kirche kämpfen - Veränderungen, die einen Wandel, sowie eine Bereicherung und keinen Verlust darstellen wollen. Es wäre dringend notwendig, wenn die Kirchenhierarchie das endlich ernst nehmen würde und längst überfällige Konsequenzen daraus zieht. Es ist dafür bereits 5 nach 12.

    Nadine Städler, 24 Jahre, Opfenbach:

    Glauben Sie an Gott?

    Nadine Städler: Diese Frage kann ich nicht klar mit ja oder nein beantworten. In schwierigen Zeiten in meinem Leben kam es durchaus vor, dass ich meinen Schutzengel oder Gott um Hilfe gebeten habe. Das hat mir ohne Frage neue Kraft und Vertrauen gegeben. Tendenziell glaube ich trotzdem nicht an eine einzelne göttliche Person. Vor allem stellt sich mir die Frage, warum gerade wir Christen den einzig wahren Gott gefunden haben sollen – und warum nicht die Muslime, die Juden oder die Buddhisten? Allgemein will ich die Existenz übernatürlicher Wesen nicht pauschal ausschließen.

    Haben Sie schon einmal an einen Kirchenaustritt gedacht?

    Städler: Für mich bedeutet die Mitgliedschaft in der Kirche seit meiner Kindheit unter anderem Gemeinschaft, schöne Traditionen und die Unterstützung anderer Menschen durch meine Beiträge. Trotzdem muss ich diese Frage leider mit „Ja“ beantworten. Gerade nach vielen Diskussionen mit Familie und Freunden über den Glauben und über die Kirche mit ihren bestehenden Normen denke ich verstärkt über einen Austritt nach – ob und wann ich diesen Schritt mache, weiß ich aber noch nicht. Ich bin mit einigen Dogmen, Vorgängen und Ansichten in der Kirche ganz und gar nicht einverstanden. Außerdem bin ich der Meinung, dass man auch ohne offizielle Mitgliedschaft in der Kirchengemeinschaft glauben darf.

    Hält die Kirche an überholten Normen fest?

    Städler: Meine Antwort auf diese Frage lautet eindeutig: JA. Beginnen möchte ich beim Zölibat, das Menschen dazu zwingt, ihre körperliche Zuneigung zu einem anderen Menschen zu verleugnen oder zu verstecken Ich halte das für widernatürlich, es birgt die Gefahr einer verkrampften Sexualität. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Verschweigen von sexualisierter Gewalt. Dies verärgert und irritiert mich enorm. Auf der einen Seite werden Nächstenliebe und Barmherzigkeit gepredigt, auf der anderen Seite können Täter weiterhin in der Kirchengemeinschaft meist ungestraft tätig sein. Das kann und darf man nicht akzeptieren! Weitere veraltete Normen sind die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sowie die fehlende Gleichstellung von Mann und Frau. Es ist wirklich an der Zeit, all diese Strukturen zu verändern und anzupassen!

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit einem angehenden Pfarrer aus der Reihe "Augsburg, meine Stadt" an:

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