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Protest in Kempten: Gläubige protestieren nach Kirchenasyl-Strafbefehl gegen Pfarrer

Protest in Kempten

Gläubige protestieren nach Kirchenasyl-Strafbefehl gegen Pfarrer

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    Mehrere hundert Menschen – vorneweg viele Geistliche – zogen schweigend durch die Kemptener Innenstadt, um gegen den Strafbefehl gegen den Immenstädter Pfarrer Uli Gampert zu protestieren.
    Mehrere hundert Menschen – vorneweg viele Geistliche – zogen schweigend durch die Kemptener Innenstadt, um gegen den Strafbefehl gegen den Immenstädter Pfarrer Uli Gampert zu protestieren. Foto: Ralf Lienert

    Es ist ein langer Menschenzug, der Dienstagmittag schweigend durch die Kemptener Innenstadt schreitet. Vorneweg Männer und Frauen in schwarzen Talaren. Passanten bleiben verdutzt stehen. Sie blicken auf die Transparente, die Demonstranten in die Höhe halten und die – so sagt es der Organisator, der evangelische Dekan Jörg Dittmar – für die Kirchenvertreter sprechen sollen. „Kirchenasyl ist nicht kriminell“, ist dort zu lesen. Oder: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst behandelt werden wollt.“

    Mit dem ökumenischen Schweigemarsch reagierte das evangelische Dekanat Kempten auf den Strafbefehl gegen den Immenstädter Pfarrer Uli Gampert. Mit Zustimmung des Kirchenvorstands der Auferstehungskirche hatte er dem 22-jährigen Afghanen Reza Jafari eineinhalb Jahre lang Zuflucht gewährt. Vergangene Woche wurde das Asyl aufgehoben, nachdem der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags eine sechsmonatige Duldung für Jafari erwirkt hatte. Gampert wurde daraufhin vom Amtsgericht Sonthofen als erster bayerischer Pfarrer wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt belangt: Er soll 4000 Euro Geldbuße bezahlen.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar Kirchenasyl: Schweigemarsch der Gläubigen ist die richtige Antwort

    Die vorbereiteten 120 Stoffschleifen für die Demonstranten waren bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Schweigemarsches vergriffen. Laut Organisatoren kamen am Ende knapp 400 Menschen aus vielen Teilen des Allgäus und darüber hinaus, um ein Zeichen „gegen die Kriminalisierung des Kirchenasyls“ zu setzen. Die Polizei sprach zu Beginn von 250 Teilnehmern.

    Schweigemarsch in Kempten - Verschiedene Konfessionen sind dabei

    Darunter sind auch zahlreiche Pfarrer verschiedener Konfessionen. „Ich erkläre mich zu 100 Prozent solidarisch“, sagt zum Beispiel Dekan Michael Edenhofer von den Alt-Katholiken in Kempten. „Das heute ist auch ein ökumenisches Zeichen: Dass wir zusammengehören, dass wir eine Kirche sind.“

    Der katholische Stadtpfarrer von St. Lorenz, Dr. Bernhard Ehler, findet es „merkwürdig“, dass der Strafbefehl erlassen wurde, nachdem die sechsmonatige Duldung für Jafari vorlag. Die Justiz müsse sich zudem fragen, ob die Anwendung eines Gesetzes der Wirklichkeit gerecht werde. Dies umso mehr, als das Kirchenasyl in seinen Augen angesichts der inzwischen strafferen Abwicklung der Asylverfahren an Bedeutung verlieren dürfte.

    Er wisse, was Kirchenasyl bedeute, sagt Christoph Schieder, evangelischer Dekan aus Memmingen. Er habe diesen Schutz bereits zweimal gewährt. „Der Vorwurf, dass Kirchen leichtfertig damit umgehen, ist unberechtigt.“ Schieder betont: Der Schweigemarsch richte sich nicht gegen den Rechtsstaat. „Es geht um den Blick auf den Einzelfall.“

    „Für die Nächstenliebe“

    Diese Feststellung ist auch Dekan Dittmar wichtig – ebenso wie die Tatsache, dass mit dem Kirchenasyl nicht Gesetze gebeugt, sondern Zeit für eine umfassende Prüfung gewonnen werden soll, ob im jeweiligen Fall ein Bleiberecht angebracht ist. Dittmar, der nach seinen Worten in den vergangenen Tagen viel Zuspruch erhalten hat, pocht nun auf eine verlässliche juristische Klärung des Themas: „Wenn das Kirchenasyl in diesem Staat abgeschafft werden soll, dann müssen wir Kirchen für die Nächstenliebe das einstecken, was es kostet.“ In diesem Fall erwartet er von den staatlichen Behörden aber ein offenes Vorgehen: „Dann soll man die Flüchtlinge aus den Kirchen holen lassen, statt hinterher mit einem Strafbefehl nachzutreten.“ Dass der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer den betroffenen Pfarrern im August 2017 Schutz versprochen hatte, mache die Sache nicht einfacher.

    Der schweigende Zug macht eine Runde durch Kemptens Innenstadt – von der evangelischen Kirche zur katholischen Basilika und wieder zurück. Der Weg der Demonstranten führt auch an der Residenz vorbei, in der die Kemptener Justiz untergebracht ist. Ein Passant zückt sein Handy und macht Fotos. Einen Kommentar will er nicht abgeben: Heute werde man sofort in die Nazi-Schublade gesteckt.

    Die Oberallgäuerin Fabienne Fürst kennt das Pfarrerehepaar Gampert. „Alles, was auf den Plakaten steht, kann ich unterschreiben“, sagt die 27-Jährige. „Kirchenasyl darf kein Verbrechen sein.“ Das finden auch Günter Staimer, 66, und Anke Horstkotte aus Bidingen (Ostallgäu): „Es wäre verlogen, sich als Christ nicht christlich zu verhalten.“

    Zurück in der evangelischen St.-Mang-Kirche sagt Dekan Dittmar in Richtung der Gamperts: „Wir stehen hinter euch.“ Dann erheben sich die Männer und Frauen und applaudieren minutenlang. Nicht nur Marlies Gampert schießen da Tränen der Rührung in die Augen. Ihr Mann ergreift das Wort, um sich für die Unterstützung zu bedanken. „Unser einziges Ziel ist es, dass Kirchenasyl straffrei bleibt. Denn ich denke, dass es noch ganz vielen Menschen helfen kann.“ Menschen, wie Reza Jafari. Auch er ist bei dem Schweigemarsch dabei – und gewinne daraus, so sagt er, viel Kraft.

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