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Gitmord-Prozess: Wenn die Liebhaber kamen, musste er in der Arbeit schlafen

Gitmord-Prozess

Wenn die Liebhaber kamen, musste er in der Arbeit schlafen

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    Wenn die Liebhaber kamen, musste er in der Arbeit schlafen
    Wenn die Liebhaber kamen, musste er in der Arbeit schlafen Foto: Ulrich Wagner

    Von Peter Richter Augsburg. "Du musst Nägel mit Köpf¿ machen", riet ihm ein guter Freund. Bei

    Der Mordprozess gegen Tanja E., die 31-jährige Ehefrau des Opfers, und Andre H., ihren Ex-Geliebten, geht vor der Schwurgerichtskammer des Augsburger Landgerichts dem Ende zu. Seit Mitte Oktober hat er verstörende Einblicke in ein ungewöhnliches, wie Zeugen es nennen "verworrenes" Beziehungsgeflecht geliefert. Angesiedelt ist es im Milieu des BRK-Rettungsdienstes. Beide Angeklagte, das Opfer und Dutzende Zeugen sind ausgebildete Sanitäter. Man kennt sich von gemeinsamen Fahrten oder den Schichten in der Rettungsleitstelle, trifft sich in der Sauna. Nach der attraktiven Blondine Tanja E. drehten sich die Männer um.

    1996 heiratet Peter E., trotz Warnungen aus dem Freundeskreis, Tanja, die 14 Jahre jünger ist. Schon im ersten Ehejahr betrügt sie ihn. Sie habe ihren Mann wachrütteln wollen, rechtfertigte die Angeklagte im Nachhinein ihre vielen Affären. Zeugen, mit denen sie bis zur Geburt ihrer Tochter 2003 beim Roten Kreuz im Rettungswagen gefahren war, bezeichnen sie vor Gericht wenig schmeichelhaft als "Betriebsschlampe".

    Peter E. bleibt das Treiben seiner Frau natürlich nicht verborgen. Er geniert sich, mit Freunden darüber zu reden, doch er leidet unter den Demütigungen: Wenn die Haustür wieder mal versperrt ist, weil Tanja gerade einen Liebhaber empfängt, wartet er entweder in einer Kneipe bei einem Bier oder er nächtigt, gehüllt in einem Schlafsack, am Arbeitsplatz in der Bundesagentur für Arbeit. Er war Leiter der Familienkasse.

    Die bildhafte Formulierung "Nägel mit Köpfen" machen hat der 45-Jährige in den Wochen nach Weihnachten immer wieder benutzt. Freunden und Arbeitskollegen vertraut er an, er werde sich von seiner Ehefrau nach wiederholten Anläufen endgültig trennen. Der 45-Jährige, der seit einem Jahr bei einem Freund eine Dachkammer bewohnt, ist zudem frisch verliebt. Er will ein neues Leben anfangen. Ihm ist klar, dass er die beiden Kinder, an denen er doch so sehr hängt, noch weniger sehen wird. Auch wenn er weiß, Anna-Lena (4) ist nicht seine Tochter. Dass auch Tobias (7) nicht sein Sohn ist, wird Peter E. dagegen nie erfahren. Erst eine DNA-Analyse nach seinem Tod bringt es ans Licht.

    2007 will der 45-Jährige den schon länger diskutierten Verkauf der 2003 in Königsbrunn bezogenen Doppelhaushälfte in die Tat umsetzen - ohne zu ahnen, dass dies sein Todesurteil ist.

    Tatmotiv für das Verbrechen war Habgier, ist Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai überzeugt. Wäre es zur Scheidung gekommen, hätte Tanja E. lediglich Anspruch auf 354 Euro Unterhalt gehabt. Und sie wäre auf der Straße gestanden. Bei einem natürlich Tod ihres Mannes wäre sie dagegen mit der Lebensversicherung und der Witwenrente gut versorgt gewesen und hätte im eigenen Haus wohnen können. Auch ein neues Auto hätte sie sich leisten können. Bereits zwei Tage nach dem Tod von Peter E. äußert sie den Wunsch, es solle ein teurer BMW-Geländewagen sein.

    Der ein Jahr ältere Mitangeklagte, früher ihr Geliebter, will willfähriges "Werkzeug" bei dem Verbrechen gewesen sein. Er sei ihr "hörig" gewesen, so die Einschätzung von Arbeitskollegen. Auch nach der Trennung hatte Andre auf ihre Kinder aufgepasst, sich um den Haushalt gekümmert, wenn sie mit andern Männern ausging. Dass er nicht der Vater von Anna-Lena ist, für die er Unterhalt zahlt, erfährt er erst in der Haft.

    Am 21. Januar 2007, vier Tage nach seiner Einlieferung, stirbt Peter E. im Augsburger Klinikum. Nicht an den Folgen eines Herzinfarktes, wie zunächst angenommen, sondern an einem tödlichen Medikamentencocktail aus atem- und kreislaufhemmenden Medikamenten. Die Ampullen mit Dormicum, Ketanest und Hypnomidate hatte sich Andre H., wie er gesteht, unter einem Vorwand von einem Kollegen aus BRK-Beständen geben lassen.

    Wochen vor dem Zusammenbruch im gemeinsamen Wohnhaus hatte die Angeklagte im Freundes- und Bekanntenkreis verbreitet, Peter gehe es schlecht, er klage über Schmerzen in der Brust. Typische Symptome für einen bevorstehenden Herzinfarkt. In dieses Szenario scheint zu passen, dass bei dem 45-Jährigen und in seinem Auto Nitrosprays gefunden werden. Peter habe mit Sicherheit kein Nitrospray gebraucht, ist sich Georg S., der Freund, bei dem er zuletzt gewohnt hat, sicher. Zweimal die Woche hatten die beiden zusammen gejoggt. Sein Freund sei "kerngesund" gewesen.

    Vier Tage nach dem Tod von Peter E. wird Andre H. festgenommen, einen Tag später die Ehefrau des Opfers. Die 31-Jährige bestreitet, etwas mit dem Verbrechen zu tun zu haben. Sie sei zwar zur Tatzeit im Haus, aber in einem anderen Stockwerk gewesen, wo sie ihre Kinder ins Bett gebracht und dann beim Fernsehen gebügelt habe.

    Wer ist diese Frau, die zu jedem Verhandlungstag im modischen Top erscheint, die scheinbar unberührt neben ihrem Anwalt Gerhard Decker mit anhört, wie Zeugen - Männer wie Frauen - ein vernichtendes Urteil über sie fällen? Vermutlich wird dies auch der Prozess nicht klären können. Die Zuschauer im stets vollbesetzten Gerichtssaal haben ihr Urteil längst gefällt. Dennoch, Stimmungen sind noch keine juristisch verwertbaren Fakten. "Die Planung war gut", sagten ermittelnde Kriminalbeamte. "Schlecht" sei nur gewesen, "was sie bis zu ihrer Festnahme sagte und unternahm". Alles andere als eine Verurteilung wegen Mordes, und damit eine lebenslange Freiheitsstrafe, wäre eine Sensation.

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