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Gillamoos: Söder und Aiwanger gehen sich beim Gillamoos an den Kragen

Gillamoos

Söder und Aiwanger gehen sich beim Gillamoos an den Kragen

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    Markus Söder beim politischen Frühschoppen.
    Markus Söder beim politischen Frühschoppen. Foto: Armin Weigel, dpa

    Man weiß inzwischen, dass Markus Söder kein großer Bierfreund ist, sondern lieber bei zuckerfreier Cola bleibt. Als der bayerische Ministerpräsident am Montagvormittag in der Festhalle von Abensberg ein frisch Gezapftes in die Hand gedrückt bekommt, nimmt er trotzdem einen kräftigen Schaumschluck. Einige hundert Leute durften kommen. Jetzt also Haltung bewahren, gut präsentieren. Was tut man nicht alles im Wahlkampf?

    Der Gillamoos in Abensberg ist auch in diesem Jahr abgespeckt

    In einem Braugasthof ein paar hundert Meter weiter, ein paar Minuten früher, muss man Hubert Aiwanger nicht zweimal um ein Prosit bitten. Steinkrug nach oben, Blasmusik aus. "Willkommen bei der Veranstaltung des gesunden Menschenverstands", ruft der Bundesvorsitzende der Freien Wähler den paar dutzend Parteifreundinnen und -freunden entgegen.

    Der politische Frühschoppen am Abensberger Gillamoos ist auch in diesem Jahr wieder ein abgespeckter, ein digitaler geworden. Statt im Bierdunst großer Zelte traten die Grünen in einem Jazzclub auf, die FDP in einem Altstadtlokal, die AfD im Schlossgarten und die SPD überhaupt nicht. Die meisten Augen richteten sich aber ohnehin auf zwei Personen: Söder und Aiwanger, der Ministerpräsident und sein Vize, "Team Vorsicht" und "Team Freiheit", Cola und Festbier.

    Schon im letzten Jahr war das Publikum beim Gillamoos stark begrenzt.
    Schon im letzten Jahr war das Publikum beim Gillamoos stark begrenzt. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Als Beobachter konnte man sich den Digital-Gillamoos so zum Vorteil machen. Legte man die zwei Livestreams übereinander, im linken Ohr der fränkelnde Söder, staatstragend, manchmal frotzelnd, im rechten Ohr der auf Niederbairisch bellende Aiwanger, dann wurde aus zwei Volksfestreden ein Kanon der Konservativen, ein Stimmfangduell zweier Regierungspartner, die nach der bayerischen Landtagswahl 2018 meinten, sich gefunden zu haben, und die zuletzt doch merklich auseinanderdrifteten.

    Lässt Corona die Bayern-Koalition auseinanderbrechen?

    Der Koalitionskrach kam mit dem Coronavirus. Als Söder Lockdowns verlängerte, forderte Aiwanger Öffnungen. Jetzt, wo der CSU-Mann nun langsam lockert, weil viele Menschen gegen das Virus immun sind, will sich sein Wirtschaftsminister noch immer nicht impfen lassen. Im ZDF-Sommerinterview schritt Söder ein. Er mache sich "a bissle Sorgen" darum, dass Aiwanger sich "in eine Ecke manövriert, aus der er selbst nicht mehr herauskommt. Der Dissens, er wird auch beim Gillamoos mehr als deutlich, wenn man die beiden gegenüberstellt. Hier Aiwanger, der einen Freedom Day am 11. Oktober fordert, wenn Tests kostenpflichtig werden sollen, was der FW-Chef tunlichst ablehnt; der vor einer "Dauermaskenpflicht" in den Schulen warnt und – offensichtlich vor allem an Söder gerichtet – sagt: "Es wird der Bürger in die Enge getrieben, es wird Angst geschürt, es wird gespalten." Dort Söder, der von 130.000 geretteten Menschenleben und 850.000 verhinderten Long-Covid-Fällen spricht und der sagt: "Wer sich nicht impfen lassen will, kann auf Dauer nicht hoffen, dass der Staat und der Steuerzahler das Geld für die Tests bezahlt."

    FW-Chef Hubert Aiwanger griff nicht nur die Grünen in seiner Rede an.
    FW-Chef Hubert Aiwanger griff nicht nur die Grünen in seiner Rede an. Foto: Matthias Balk, dpa

    Natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten: Beide wollen eine starke Polizei, direkter Adressat sind oft der Mittelstand, die Familienbetriebe, die Landwirtschaft. Und klar sei auch, wer diese Gruppen nicht auf dem Schirm habe: die politische Linke. Ein kurzer freundlicher Ballwechsel zwischen Festhalle und Gasthaus.

    Söder: "Wenn es rot-rot-grün gibt, wird Toni Hofreiter Landwirtschaftsminister."

    Aiwanger: "Eine Frau Baerbock hat noch kein Rathaus von innen gesehen. Wir schon."

    Söder: "Eine Linkspartei in der Regierung, die hasst die Bundeswehr."

    Aiwanger: "Ein Kevin Kühnert, der selbst noch keine zwei Steine aufeinandergesetzt hat, ruft dazu auf, großen Immobilienbesitz zu enteignen."

    So unterschiedlich sie auch sein mögen, der machtbewusste Söder und der über Einschlagsbeschränkungen für frisches Fichtenholz meckernde Aiwanger, beide buhlen sie um ein Kreuz der Bürgerlichen. Wenn sie auftreten, dann geht es auch um die Frage: Wer vertritt bayerische Interessen in Berlin? Söder wollte das gerne persönlich, ihm wurde die Möglichkeit vom Bundesvorstand der Union genommen. Armin Laschet soll Kanzler werden.

    Die Freien Wähler inszenieren sich auf dem Gillamoos als Anti-CSU

    Aiwanger, der mit seiner Partei auch schon in Rheinland-Pfalz und Brandenburg im Landtag sitzt, sieht seine Chance gekommen. Das politische Pflaster am Gillamoos ist hart, Trump-Vergleiche in der politischen Analyse längst abgenutzt, doch als der FW-Chef seine Gedanken am Montag schweifen ließ, musste man unfreiwillig an den Anti-Establishment-Wahlkampf des Ex-US-Präsidenten denken. Ein Kreuz für seine Partei sei "ein Akt des Patriotismus". Sie kämen nicht aus den Rhetorikkursen, ließen sich nicht von Lobbygruppen schmieren, kleine Spitze an die CSU, Stichwort Maskenaffäre. Dann eine der berühmten Aiwanger-Metaphern: Aus Berlin wehe ein kalter Atem der politischen Arroganz herunter, nach Bayern, "der den Leuten das Zittern in die Knochen treibt". Und doch strebt Aiwanger eine Koalition mit der Union an. Und Söder? Glaubt nicht, dass Aiwanger nach Berlin kommt und will deswegen Stimmen an ihn verhindern. Wenn er in einem aktuellen Wahlkampfspot davon spricht, dass die Freien Wähler.

    Auch Markus Söder frotzelt gegen seinen Koalitionspartner

    Am Ende geht es beim Gillamoos nicht nur um Gefühligkeit, um Themen und Spitzen, sondern um einfache Wahlarithmetik. Das macht Söder klar, bevor er seine Rede schließt. Die Logik des Ministerpräsidenten ist einfach: Wer nicht CSU wählt, bekommt mindestens rot-grün. Die FDP? Der "geborene Partner", rücke aber täglich nach links. Und die Aiwanger-Truppe? Ihr Einfluss in Berlin: "Nullkommanullkommanullkommanull." Dann legt Söder noch mal nach. Im Fußballstadion hätte man gesagt: "In Europa kennt euch keine Sau!" In Abensberg drückt man es noch etwas zivilisierter aus: "Jeder muss wissen, dass sie nicht in den Bundestag kommen. Weil sie im Westen keiner kennt und im Norden versteht sie keiner." Und dadurch sei eine Stimme für die Freien Wähler, natürlich, eine für die Linken, die SPD und die Grünen. Schließlich würden Stimmen aus Bayern, die nicht in den Bundestag kämen, durch Überhangs- und Ausgleichsmandate an andere verteilt.

    Als sich Söders Kreis schließt, nippt Hubert Aiwanger schon wieder an seinem Steinkrug und grinst in die Kameralinsen. In einer Insa-Umfrage Anfang August tauchten seine Freien Wähler zum ersten Mal separat auf: 3,5 Prozent bundesweit. Seitdem sind sie wieder unter "Sonstige" gelistet. Von Abensberg nach Berlin ist es noch ein weiter Weg.

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