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Interview: Gibt es bald Wolfsrudel in Bayern?

Interview

Gibt es bald Wolfsrudel in Bayern?

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    Bislang wurden in Bayern vor allem einsame Wölfe gesichtet. Doch Biologen erwarten, dass sich im Bayerischen Wald bald auch Rudel bilden könnten.
    Bislang wurden in Bayern vor allem einsame Wölfe gesichtet. Doch Biologen erwarten, dass sich im Bayerischen Wald bald auch Rudel bilden könnten. Foto: Bernd Wüstneck, dpa

    Im Allgäu und im Bayerischen Wald wurden in letzter Zeit immer wieder Wölfe gesichtet. Sind das nur Einzelfälle oder werden wir bald ganze Wolfsrudel in den bayerischen Wäldern sehen?

    Andreas von Lindeiner: Es ist in Bayern generell keine regionale Häufung erkennbar – mit Ausnahme des Bayerischen Waldes und des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr. Wir gehen davon aus, dass es dort zu einer Rudelbildung kommen wird. 2016 hatten wir so viele Beobachtungen wie in den acht Jahren zuvor zusammen. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass vermehrt Wildkameras in den Wäldern eingesetzt werden.

    Woher kommen die Wölfe, die nun in Bayern gesichtet werden?

    Andreas von Lindeiner: Sie kommen aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet, zum Teil aber auch aus den Südalpen und dem Balkan. Sogar in Nordrhein-Westfalen und in den Niederlanden sind welche aufgetaucht. Wölfe sind sehr wanderfreudige Tiere. Und sie haben sich generell sehr vermehrt. Das fing schon nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze an. Von da an hatten die Tiere aus dem östlichen Raum die Möglichkeit, sich in den waldreichen Gebieten im Süden niederzulassen und sich zu vermehren. Trotzdem ist es nach wie vor keine Alltäglichkeit, einen Wolf zu beobachten. Die Tiere sind enorm scheu.

    Kann diese Vermehrung für andere Arten zum Problem werden?

    Andreas von Lindeiner: Nein, aus Artenschutzgründen besteht keine Gefahr. Wölfe werden nur dort heimisch, wo sie auch genügend Beute finden. Wenn ihnen die Nahrung auszugehen droht, ziehen Wölfe einfach weiter oder sie haben weniger Nachwuchs. Kurzum: Wölfe regulieren nicht ihre Beute, sondern die Beute reguliert die Wölfe.

    Das Thema Wolf ist bei vielen Menschen mit Angst verknüpft. Immer wieder hört man Geschichten von Eltern, die ihre Kinder nicht mit dem Rad am Wald entlangfahren lassen wollen. Halten Sie das für übertrieben?

    Andreas von Lindeiner: Wenn man den Wolf reizt, dann kann er natürlich gefährlich werden. Aber in den vergangenen Jahrzehnten hat es in West- und Mitteleuropa nicht einen einzigen Übergriff gegeben. Wölfe nähern sich den Menschen nicht. Außerdem gehören Kinder nicht zu ihrem Beuteschema. Es mag sein, dass wir so sozialisiert wurden, dass Wölfe angsteinflößende, gefährliche Tiere sind. Aber im Grunde kennt keiner von uns den Wolf. Und außerdem können manche Hunde durchaus gefährlicher sein als ein Wolf.

    In Norddeutschland sollen wildernde Hunde mehr Schafe reißen als der Wolf. Ist das in Bayern ähnlich?

    Andreas von Lindeiner: Ja, in Bayern ist das vergleichbar. Dass Hunde Schafe reißen, ist nicht von der Hand zu weisen – auch wenn Hundebesitzer das sicher nicht gerne hören. Ich möchte den Wolf auf keinen Fall verharmlosen. Er wäre durchaus in der Lage, dem Menschen gefährlich zu werden. Aber die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering. Von Hunden geht da deutlich mehr Gefahr aus – auch weil sie an den Menschen gewöhnt sind.

    Und trotzdem ist für viele Menschen, gerade auch Landwirte, der Wolf das Feindbild. Im Landwirtschaftsausschuss geht es am Mittwoch darum, wie man Maßnahmen zum Schutz vor dem Wolf ergreifen könnte. Wie sehen Sie die ganze Diskussion?

    Andreas von Lindeiner: Wir brauchen ein Signal, dass man akzeptiert, dass man den Wolf nicht verhindern kann. Etwa vom Bauernverband oder vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern. Es gibt aber auch andere Organisationen, die großen Druck ausüben. Es muss Abstand davon genommen werden, Abschussforderungen zu stellen oder den Schutzstatus herabzustufen. Eine Obergrenze für Wölfe – so etwas kann es nicht geben. Wer soll denn sagen: Jetzt reicht’s? Kann ein Landwirt sagen: Wir wollen keine Wölfe? Die Bereitschaft, sich konstruktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, muss vorhanden sein. Nur so kann man Präventionsmaßnahmen auf den Weg bringen.

    Wie könnten solche Maßnahmen denn aussehen?

    Andreas von Lindeiner: Zunächst einmal muss man festhalten, dass wir pro Jahr nur ein halbes Dutzend Landwirte haben, die über Fälle klagen, in denen ein Wolf oder ein Luchs ein Tier gerissen hat. Es hält sich wirklich in Grenzen. In den bayerischen Bergen ist das größte Problem, dass wir dort eine sehr kleinteilige Beweidung haben. Die Besitzer sehen die Tiere oft tagelang nicht. Wir müssen aber erwarten können, dass Leute, die Schafe in den Bergen haben, die Haltung an den Wolf anpassen. Dazu gehört etwa, die Tiere nachts einzupferchen. Möglich ist es auch, Herden zusammenzufassen, damit sich die Präventionsmaßnahmen wirtschaftlicher gestalten und sich die Landwirte die Kosten teilen können oder gemeinsam einen Herdenschutzhund kaufen. Es gibt viele Optionen. Man muss nur bereit dazu sein.

    So verhalten Sie sich, wenn Sie einem Wolf begegnen

    Der Wolf reagiert auf den Anblick von Menschen vorsichtig, aber er ergreift nicht immer sofort die Flucht. Oft zieht sich das Tier langsam und gelassen zurück, teilt das Landesamt für Umwelt mit.

    Falls doch eine Begegnung stattfinden sollte, beachten Sie bitte folgende Regeln:

    Haben Sie Respekt vor dem Tier.

    Laufen Sie nicht weg. Wenn Sie mehr Abstand möchten, ziehen Sie sich langsam zurück.

    Falls Sie einen Hund dabei haben, sollten Sie diesen in jedem Fall anleinen und nahe bei sich behalten.

    Wenn Ihnen der Wolf zu nahe erscheint, machen Sie auf sich aufmerksam. Sprechen Sie laut, gestikulieren Sie oder machen Sie sich anderweitig deutlich bemerkbar.

    Laufen Sie dem Wolf nicht hinterher.

    Füttern Sie niemals Wölfe – die Tiere lernen sonst sehr schnell, menschliche Anwesenheit mit Futter zu verbinden und suchen dann eventuell aktiv die Nähe von Menschen.

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