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Gesundheit: Notrufnummer in psychischen Krisen

Gesundheit

Notrufnummer in psychischen Krisen

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    Menschen in Oberbayern können in psychischen Krisen mit einer Notrufnummer ausgebildete Fachkräfte erreichen, die ihnen helfen.
    Menschen in Oberbayern können in psychischen Krisen mit einer Notrufnummer ausgebildete Fachkräfte erreichen, die ihnen helfen.

    0180/6553000 heißt die Notrufnummer, die Menschen in seelischen Krisen, aber auch ihren Angehörigen oder Freunden, in Oberbayern schnell helfen will. Herr Dr. Welschehold, Sie sind Psychiater und Ärztlicher Leiter der Leitstelle des Krisendienstes für den Bezirk

    Ja, die haben wir immer wieder und versuchen den Anrufern auch kurz zu helfen. Aber für ganz Oberbayern und Schwaben reichen unsere Ressourcen nicht aus. Ab Oktober ist aber eine Ausweitung auf Ingolstadt geplant.

    Nun hat das bayerische Kabinett Eckpunkte für das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz beschlossen. Es sieht ein Hilfenetz im ganzen Freistaat vor. Kommt also auch ein Notruf für Schwaben?

    Das kann man nur hoffen. Denn wir brauchen eine transparente und schnelle Hilfe in ganz Bayern und auch nicht nur in den Großstädten. Anders als in anderen Bundesländern ist in

    Wen erreiche ich überhaupt unter der Notrufnummer 0180/6553000 – direkt einen Arzt, einen Therapeuten?

    Keinen Arzt. Aber Sie sind direkt mit im Bereich der Psychiatrie ausgebildeten und erfahrenen Fachkräften wie Psychologen oder Sozialpädagogen sowie Fachpflegekräften verbunden, die Ihnen ohne Zeitdruck zuhören und so geschult sind, dass sie einschätzen können, welche Hilfe nötig ist.

    Das geht am Telefon?

    Ja, das geht oft am Telefon. Aber die Leitstelle mit unserem Fachpersonal ist ja nur die eine Säule des psychiatrischen Krisendienstes. Wenn beispielsweise Angehörige anrufen und berichten, dass in ihrer Familie sich ein Mensch in großer seelischer Not befindet, eventuell nicht mehr zugänglich ist, sich zurückgezogen hat, dann können unsere Fachkräfte von der Leitstelle ein mit zwei Experten besetztes mobiles Team zu der betroffenen Person nach Hause schicken, um vor Ort Hilfe zu leisten.

    Es werden auch hauptsächlich Angehörige sein, die anrufen, oder?

    Nein, etwas mehr als 50 Prozent der Anrufer sind Menschen, die sich selbst in akuten seelischen Notsituationen befinden.

    Warum ist ein neuer psychiatrischer Krisendienst überhaupt notwendig? Gibt es nicht schon genügend Angebote?

    Es gibt sehr viele Angebote, aber bisher keine speziell dafür zuständige Stelle, die über alle Angebote in einer Region den Überblick hat und für Menschen in wirklich akuten psychischen und psychiatrischen Notsituationen verbindliche, fachspezifische Soforthilfe vorhält. Wir wollen keinesfalls andere Hilfsangebote verdrängen. Auch sind wir nicht der Meinung, dass jeder durch unser Nadelöhr durch muss. Aber gerade auch von Angehörigen wurde immer wieder eine einheitliche Anlaufstelle für Menschen und ihre Angehörige in akuten psychiatrischen Krisen gefordert. Aus meiner langjährigen klinischen Erfahrung weiß ich, dass Menschen in solchen Situationen oft einfach in die nächste Klinik kommen. Das ist aber nicht immer nötig, denn oft reicht ambulante Hilfe.

    Was ist überhaupt eine psychiatrische oder psychische Krise?

    Wir haben es hier mit einer großen Bandbreite an Problemen zu tun. Zum einen rufen Menschen an, die akut ein subjektiv belastendes oder traumatisierendes Erlebnis hatten und daraus folgend mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Also etwa nach einer bedrohlichen Situation, einem plötzlichen Verlust wie einer Trennung oder bei schweren Paarkonflikten. Das sind ernst zu nehmende Situationen, da sie viele Menschen gefühlt in existenziell bedrohliche Lebenslagen bringen. Diese Situationen bezeichnen wir als psychosoziale Krisen. Dann gibt es aber auch Menschen, die schon länger psychisch krank sind, vielleicht sogar schon in Behandlung waren und die aufgrund einer akuten Belastung wieder aus der Bahn geworfen werden, sodass sie in eine schwere Depression geraten oder sich in einer wieder auftretenden Psychose beispielsweise extrem bedroht fühlen, eventuell auch Stimmen hören.

    Nehmen psychische Krisen zu?

    Eine Zunahme beobachte ich nicht. Psychische Erkrankungen sind leider immer noch sehr stigmatisierend in unserer Gesellschaft. Andererseits ist auch zu beobachten, dass mehr Menschen erkennen und sich eingestehen können, dass sie oder eine ihnen nahestehende Person psychisch ein Problem haben. Und immer mehr Menschen holen sich dann zum Glück Hilfe.

    Bayern gilt als ein Bundesland, das eine hohe Selbstmordrate aufweist. Kann der Krisendienst hier gegensteuern?

    Die Selbstmordrate ist in Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern tatsächlich höher. Und bei vielen Menschen, die bei uns anrufen, spielt Lebensmüdigkeit eine Rolle. Aufgabe unseres Teams ist es, zu erkennen, wie gefährdet der Einzelne ist und entsprechende Hilfen anzubieten beziehungsweise Maßnahmen einzuleiten. Gerade Kritikern des Krisendienstes sage ich immer wieder, dass es jede Anstrengung lohnt, Menschen von diesem endgültigen Schritt abzubringen. Interview: Daniela Hungbaur

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