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Geschichte: Flößerei auf dem Lech: Gefährliche Fahrten auf der Handelsstraße

Geschichte

Flößerei auf dem Lech: Gefährliche Fahrten auf der Handelsstraße

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    Der Untere Floßbindeplatz in Lechbruck um 1900. Hier wurden die Holzstämme zusammengebunden und die Fracht geladen. Dann begann die gefährliche Fahrt auf dem wilden Lech mit seinen Sand- und Kiesbänken.
    Der Untere Floßbindeplatz in Lechbruck um 1900. Hier wurden die Holzstämme zusammengebunden und die Fracht geladen. Dann begann die gefährliche Fahrt auf dem wilden Lech mit seinen Sand- und Kiesbänken. Foto: Flößermuseum

    Die Barmherzigen Brüder in Wien bestellten für ihr Krankenhaus 2500 Steinplatten. Der Flößermeister Josef Schwaller (1844 bis 1909) aus Apfeldorf am Lech lieferte die Ware aus dem Steinbruch in Lechbruck und dokumentierte dieses Geschäft wie alle anderen fein säuberlich in einem 200 Seiten starken Buch. Der Flößermeister und Händler hinterließ einen unschätzbaren Nachlass. Das Buch dokumentiert die Geschichte der Flößerei auf dem Lech und der Donau bis nach Wien. Der Augsburger Professor Karl Filser bereitet das Werk und die jährlichen Fuhrberichte gerade für den Historischen Verein Schongau wissenschaftlich auf.

    Die Flüsse waren über Jahrhunderte die wichtigsten Transportwege. Der Weg über Land war zu beschwerlich, die Straßen in miserablem Zustand. Schwaller schrieb über 30 Jahre detailliert nieder, was er verdient und geflößt, wohin er die Waren gebracht hatte. In einem Jahr beispielsweise waren es 125 Flöße. Auch über die Ausgaben und den Umsatz führte er genau Buch. „Es ist spannend, was er schreibt“, sagt der Geschichtsdidaktiker begeistert. Schwaller berichtet über einen Unfall, den seine Leute 1892 auf der Donau bei Linz erlitten hatten. Er sah vom Dampfschiff aus die Trümmer seines Floßes und die Baumstämme im Fluss treiben. „Ich fuhr vorbei, die Leute weinten. Ich zählte zuerst meine Flößer und sah bald, dass keiner ertrunken ist“, schreibt er erleichtert.

    Die Flößerei hatte über Jahrhunderte große Bedeutung für das Leben und den Wohlstand an den Flüssen. Seit kurzem ist sie als immaterielles Kulturerbe in die deutsche Unesco-Liste aufgenommen. Filser setzte beim Gutachten für die Bewerbung den Schwerpunkt auf die Erinnerungskultur. Ein lebendiges Beispiel dafür ist das liebevoll gestaltete Flößermuseum in Lechbruck (Ostallgäu), das am Samstag sein zehnjähriges Jubiläum feiert.

    Dort steht das alte Flößmeisterhaus

    Dietmar Hollmann, Vorsitzender des Fördervereins, und seine Mitstreiter hatten gerade noch rechtzeitig mit der Erforschung der Heimatgeschichte begonnen, bevor das Wissen der letzten Zeitzeugen erlosch. Und sie sicherten wertvolle Exponate aus so manchem Dachboden. Die Flößerei in Lechbruck fand um 1900 ein Ende, nachdem die Eisenbahn den Ort erreicht hatte (die es heute nicht mehr gibt). Für das Museum wurde ein ziemlich desolates denkmalgeschütztes Gebäude mit viel ehrenamtlichem Engagement liebevoll restauriert. Das alte Flößermeisterhaus stand früher am Lech, heute ist es mitten im Dorf.

    Es gibt viele spannende Geschichte rund um die Flößerei am Lech. Nur die Zünfte hatten das Recht, Handelsgüter zu flößen, berichtet Filser. Augsburger Kaufleute bestellten regelmäßig Waren in Italien. Diese kamen über den Reschenpass nach Füssen oder über den Brenner nach Mittenwald bis Schongau, wo sie dann auf die Flöße verladen wurden. Es handelte sich um begehrte Güter wie Baumwolle, Südfrüchte oder Wein. Um Alkoholmissbrauch vorzubeugen und die Flößer nicht zu verführen, gab es eine Warnung in der Zunftordnung: „Lasst die Finger weg vom Wein!“ Wie es damals gelang, die Waren wasserfest zu machen, weiß man nicht.

    Auch Eier, Speck und Brot wurden über den Lech transportiert

    Neben den Zünften gab es die Ortsflößer. Sie durften nur heimische Produkte transportieren. Holz und anderes Baumaterial wie Gips, Kalk, Wetzsteine und eben Steine. In Lechbruck gab es fünf Steinbrüche, sagt Hollmann. Der Sandstein wurde unter anderem im Südportal des Augsburger Doms und in der Steinernen Brücke in Regensburg verbaut. Transportiert wurden auch Nahrungsmittel: Eier, Speck, Brot und lebende Tiere. 1865 machten sich in Lechbruck 16 Flöße mit insgesamt 192 Rindern auf den Weg.

    Augsburg war der größte Holzabnehmer. Die Stadt kaufte Wälder in Tirol auf und ließ sie abholzen. Zwischen 1549 und 1568 wurden 350000 Stämme von Stanzach die 175 Kilometer lange Strecke gedriftet. Es war eine gefährliche Arbeit. Denn der Fluss war damals noch wild, nicht begradigt und nicht durch Staustufen zerstückelt. Bei Lechbruck war er 200 bis 300 Meter breit. Es gab Sand- und Kiesbänke, bei Hochwasser war er reißend.

    Die Masse ihres Frachtguts brachten die Flößer bis Regensburg und Wien. Das weiteste bekannte Ziel war Budapest. Nach Hause gingen die Flößer meist zu Fuß. Von Wien nach Lechbruck brauchten sie zwei bis drei Wochen. Oft kamen ihnen die Frauen das letzte Stück entgegen, damit die Männer nicht noch den Rest des Lohnes ausgaben.

    Das Flößermuseum ist Donnerstag von 17.30 bis 19 Uhr und Sonntag von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Außerdem nach Vereinbarung. Das Jubiläumsfest beginnt am Samstag, 16. Mai, um 10.30 Uhr.

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