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Georgensgmünd: Verteidiger im "Reichsbürger"-Prozess plädiert auf fahrlässige Tötung

Georgensgmünd

Verteidiger im "Reichsbürger"-Prozess plädiert auf fahrlässige Tötung

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    Blick auf das Haus in Georgensgmünd.
    Blick auf das Haus in Georgensgmünd. Foto: Daniel Karmann, dpa (Archiv)

    Im Prozess gegen den sogenannten Reichsbürger aus Georgensgmünd hat die Verteidigung auf ein Urteil wegen fahrlässiger Tötung plädiert. Anwalt Michael Haizmann forderte am Freitag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eine entsprechend "angemessene Haftstrafe" für seinen Mandanten. Welches Strafmaß ihm vorschwebt, ließ der Verteidiger offen. Bei fahrlässiger

    Der 50 Jahre alte Wolfgang P. ist unter anderem wegen Mordes und versuchten . Er hatte bei einem Routineeinsatz der Polizei am 19. Oktober 2016 auf Beamte geschossen; einer starb, zwei weitere wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Haft wegen Mordes gefordert. Sie sieht bei P. auch eine besondere Schwere der Schuld; dies würde eine vorzeitige Haftentlassung ausschließen.

    Waffen des "Reichsbürgers" sollten beschlagnahmt werden

    "Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik, deren Organe und Behörden ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Bei dem Einsatz sollten die rund 30 Waffen des Jägers beschlagnahmt werden, weil er als nicht mehr zuverlässig galt.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Anwältin Susanne Koller sagte, ihr Mandant sei am Tattag von einem Überfall auf sein Anwesen ausgegangen. Er habe nicht gewusst, dass Polizisten vor seiner Tür standen. Den Einsatz bezeichnete Koller als "dilettantisch" und unnötig. Haizmann warf der Polizei "mangelnde Besonnenheit" vor: Statt das Haus von P. frühmorgens mit einem Spezialeinsatzkommando zu stürmen, hätten Beamte den Bewohner auch per Megafon zum Verlassen seines Anwesens auffordern können.

    Die Verteidiger wandten sich gegen den Vorwurf der Heimtücke. Ein Polizist, der mit einer geladenen Waffe ein Haus betritt, müsse mit allem rechnen und sei nicht wehrlos. Den Justizbehörden warf Haizmann vor, ein Exempel statuieren zu wollen, weil P. als sogenannter Reichsbürger einen Polizisten getötet habe.

    Das Urteil soll am Montag (10.30 Uhr) gesprochen werden. dpa/AZ

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