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Georgensgmünd: Nach "Reichsbürger"-Mord suspendierter Polizist will zurück in Dienst

Georgensgmünd

Nach "Reichsbürger"-Mord suspendierter Polizist will zurück in Dienst

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    Rund zwei Jahre nach den tödlichen Schüssen eines "Reichsbürgers" auf einen Polizisten in Georgensgmünd muss sich nun ein Hauptkommissar vor Gericht verantworten.
    Rund zwei Jahre nach den tödlichen Schüssen eines "Reichsbürgers" auf einen Polizisten in Georgensgmünd muss sich nun ein Hauptkommissar vor Gericht verantworten. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Nach den tödlichen Schüssen eines "Reichsbürgers" auf einen Polizisten in Georgensgmünd wurde er vom Dienst suspendiert - nun kämpft ein Hauptkommissar um seinen Ruf. Er wolle in den Polizeidienst zurückkehren, sagte der 52-Jährige am Mittwoch am Rande eines Gerichtsverfahrens vor dem Amtsgericht in Ansbach. Und er verwahrte sich gegen den Vorwurf, von der Gefährlichkeit des "Reichsbürgers" Wolfgang P. gewusst zu haben. Sonst hätte er seine Kollegen gewarnt, sagte er.

    Die Staatsanwaltschaft hatte den 52-Jährigen ursprünglich wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung im Amt durch Unterlassen angeklagt. Der Beamte hatte privat Kontakt zu P. gehabt. Nach Ansicht der Anklagebehörde wusste er dadurch, dass der 50-Jährige eine Waffe besitzt. Landgericht und Oberlandesgericht in Nürnberg sahen jedoch keinen ausreichenden Tatverdacht gegen den Hauptkommissar und ließen die Anklagepunkte nicht zur Verhandlung zu.

    Der 52-Jährige beteuerte vor Gericht seine Unschuld

    Der 52-Jährige betonte nun, er habe "keinerlei Hinweise gehabt, dass der (Reichsbürger) dermaßen überziehen wird". Sonst hätte er es "selbstverständlich weitergegeben". "Ich bin Galaxien von den Reichsbürgern entfernt", sagte der Polizist. P. hatte im Oktober 2016 auf Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos geschossen. Ein 32 Jahre alter Beamter wurde dabei getötet, zwei weitere verletzt.

    Der Hauptkommissar sagte, P. sei ihm als Vermögensberater empfohlen worden, und so sei er einmal bei einem Vortrag von ihm gewesen. Gechattet habe er mit dem 50-Jährigen nie. Der Beamte beklagte, er sei vorverurteilt worden. In den 20 Monaten, in denen er suspendiert sei, sei sein ganzes Leben zerstört worden. "Ich kämpfe weiter um meine Rehabilitation", sagte er. Sein Anwalt Reinhard Debernitz ergänzte, durch das Verfahren in Ansbach seien die Chancen seines Mandanten gestiegen, in seinen Job zurückzukommen.

    Der Polizist hatte eine Waffe samt Munition im Keller liegen - und nicht im Waffenschrank

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Der Hauptkommissar musste sich am Mittwoch wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz verantworten. Er hatte eine Pistole, die er privat besaß, samt 150 Schuss Munition im Keller liegen, und nicht - wie vorgeschrieben - sicher in einem Waffenschrank aufbewahrt. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld vorläufig eingestellt. Der 52-Jährige muss allerdings eine Geldauflage von 1500 Euro bezahlen.

    Bei dem Einsatz in Georgensgmünd hatten die Waffen von P. beschlagnahmt werden sollen, weil er bei den Behörden als nicht mehr zuverlässig galt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den "Reichsbürger" im Oktober 2017 wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft. Die sogenannten "Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik als Staat ab. (dpa)

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