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Gegen Euro-Frust: Rentner aus Unterfranken gründet "Deutsche-Mark-Partei"

Gegen Euro-Frust

Rentner aus Unterfranken gründet "Deutsche-Mark-Partei"

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    Gerd von Vangerow-Nagel, Gründer der Deutsche-Mark-Partei, zeigt am Samstag (17.12.2011) in Markt Frammersbach im Landkreis Main-Spessart (Unterfranken) einen Zehn-Mark-Schein.
    Gerd von Vangerow-Nagel, Gründer der Deutsche-Mark-Partei, zeigt am Samstag (17.12.2011) in Markt Frammersbach im Landkreis Main-Spessart (Unterfranken) einen Zehn-Mark-Schein. Foto: David Ebener

    Ein Rentner aus Unterfranken will die Zeit zehn Jahre zurückdrehen und wieder Markstücke und -scheine in die Geldbörsen der Bürger bringen. Dafür hat Gerd von Vangerow nun eigens eine Partei gegründet - die Deutsche-Mark-Partei. Vor wenigen Tagen fand in Frammersbach (Landkreis Main-Spessart) im Nebenraum einer Turnhalle die Gründungsveranstaltung statt. Anwesend waren ein gutes Dutzend Interessierte und fast halb so viele Journalisten.

    Wichtigste Forderungen der Partei sind die Wiedereinführung der D-Mark und die Verstaatlichung aller deutschen Großbanken, wie der Vorsitzende zusammenfasst. Den ersten Arbeitsauftrag hat sich der 70-Jährige auch schon erteilt: ein bundesweiter Volksentscheid für die

    Immerhin wünsche sich mehr als die Hälfte der Deutschen einer Forsa-Umfrage vom Herbst zufolge die alte Währung zurück, sagt der adrett gekleidete Mann mit der randlosen Brille. "Der Euro-Frust war nie größer. Jetzt ist doch der beste Zeitpunkt für diese Partei", sagt der Rentner, der in Bayern kein Unbekannter ist. Der Lokalpolitiker gilt als streitbarer Mann. Medien nennen ihn gern "Spessart-Rebell", weil er schon mehr als 50 Mal gegen Politiker, Behörden und Staatsanwälte vor Gericht gezogen ist oder sich selbst vor dem Richter verantworten musste.

    Er selbst sieht sich als missverstandener Politiker, dem immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. 2003 zog er erfolglos bis vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, um eine Wiederholung der Landtagswahl zu erreichen. Seine damalige Partei, die Christlich Fränkische Union (CFU), war zur Wahl nicht zugelassen worden. Aus formalen Gründen heißt es offiziell, er hingegen sieht sich betrogen.

    Um als kleinere Partei erfolgreich zu sein, brauche es eine tragende Idee, sagt Politikwissenschaftler Roland Sturm von der Uni Erlangen-Nürnberg. "Es muss eine Grundstimmung im Volk sein, die zu den Zielen der Partei passt", so der Professor vom Institut für Politische Wissenschaft. Dass die Sehnsucht jedes zweiten Deutschen nach der D-Mark ausreicht, bezweifelt Sturm indes.

    Das Sitzungsprotokoll bewahrt er in einer dicken Mappe auf

    "Es kommt ja auch auf die Einordnung an. Wie wichtig ist den Bürgern die Wiedereinführung im Vergleich zu ihren anderen Problemen? Ich denke, soziale Themen stehen da viel weiter vorn." Es werde wahrscheinlich in naher Zukunft keine Massendemonstrationen für die Wiedereinführung der alten Währung geben, schätzt Sturm. Generell seien die Chancen für kleinere Parteien mittlerweile zwar deutlich besser geworden. Die größere Hürde sei jedoch, dann auch langfristig zu bestehen. "Es gab ja schon eine Pro-DM- oder eine Schill-Partei." Wenn sie jedoch nach ersten Erfolgen keine klare Positionierung böten, verschwänden sie ebenso schnell wieder in der Versenkung.

    Die 17 Euro-Länder im Vergleich

    Österreich: Laut Prognosen steigt die österreichische Staatsverschuldung 2011 auf 73,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, seit 2008 im Amt, steht in der Kritik. Allerdings nicht so sehr wegen der Schuldenkrise, sondern wegen Korruptions- und Untreuevorwürfen.

    Spanien: Mit einer Gesamtverschuldung von voraussichtlich 68,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert auch Spanien an den Maastricht-Kriterien. Der sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero scheiterte an der Schuldenkrise. Er wird durch den konservativen Mariano Rajoy ersetzt.

    Zypern: Mit einer Schuldenquote von 62,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert das kleine Land nur knapp an der Maastricht-Hürde von 60 Prozent. Dimitris Christofias ist seit 2008 Staatsoberhaupt und Regierungschef der Inselrepublik, die im Jahr 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde.

    Slowenien: Auf 42,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden sich die slowenischen Schulden 2011 voraussichtlich belaufen. Damit bleibt das Land im vom Maastricht-Vetrag vorgegebenen Rahmen. Bei den Wahlen im Dezember 2011 dürfte der sozialdemokratische Regierungschef Borut Pahor dennoch sein Amt verlieren.

    Slowakei: Die Slowakei gehört mit prognostizierten 44,8 Prozent Verschuldungsquote auch 2011 zu den stabileren Euro-Staaten. Ministerpräsidentin Iveta Radicová kündigte im Oktober vorgezogene Neuwahlen an. Nur unter dieser Bedingung wollte die Opposition der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms zustimmen.

    Portugal: Portugal ist mit geschätzten 101,7 Prozent Staatsverschuldung einer der Wackelkandidaten unter den Euro-Ländern. Pedro Passos Coelho ist seit Juni 2011 Premierminister. Er folgte auf José Sócrates, der im März nach einer gescheiterten Abstimmung über das Sparpaket seiner Regierung zurückgetreten war.

    Niederlande: Die Verbindlichkeiten wachsen bis zum Ende dieses Jahres voraussichtlich auf 63,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Aus den vorgezogenen Neuwahlen Ende 2010 ging der Liberale Mark Rutte als Sieger hervor. Seine Regierung wird vom Rechtspopulisten Geert Wilders toleriert.

    Malta: Der Inselstaat im Mittelmeer wird seine Schulden im laufenden Jahr nach bisherigen Prognosen bei 68 Prozent des Bruttoinlandsproduktes halten. Bereits seit mehr als sieben Jahren ist Lawrence Gonzi Regierungschef Maltas. Unter seiner Führung trat das Land im Mai 2004 der Europäischen Union bei.

    Luxemburg: Mit einer Gesamtverschuldung von etwa 17,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2011 ist Luxemburg eines von nur fünf Ländern, die die Kriterien des Maastricht-Vertrages einhalten. Auch politisch ist das kleine Land ein Hort der Stabilität. Jean-Claude Juncker ist bereits seit 1995 Premierminister.

    Italien: Seit Monaten wird über Rettungsgelder für Italien spekuliert. Die Staatsschulden steigen 2011 auf geschätzte 120,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach langem Tauziehen trat Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurück. Nachfolger Mario Monti bildete eine Übergangsregierung.

    Irland: Irland hatte als erstes Land Rettungsgelder in Anspruch genommen. Die Staatsschulden steigen in diesem Jahr auf schätzungsweise 112 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt). Regierungschef Brian Cowen stürzte über die Schuldenkrise. Seit März 2011 ist Enda Kenny irischer Ministerpräsident.

    Griechenland: Mit einer dramatischen Schuldenquote von 157,7 Prozent der Wirtschaftsleistung bringt Griechenland die Euro-Zone in die größten Schwierigkeiten. Seit November 2011 ist Lucas Papademos Regierungschef. Er löste Giorgos Papandreou ab, der wegen seines harten Sparkurses massiv unter Druck geraten war.

    Frankreich: Die französische Staatsverschuldung steigt weiter. In 2011 wird ein Wert von 84,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat in der Krise an Rückhalt verloren. Bei den Wahlen 2012 droht ihm der Machtverlust.

    Finnland: Auf 50,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes schätzt die europäische Statistikbehörde Eurostat die finnische Staatsverschuldung in 2011. Der konservative Ex-Finanzminister Jyrki Katainen ist seit Juni 2011 Ministerpräsident. Er löste Mari Johanna Kiviniemi nach nur einem Jahr im Amt ab.

    Estland: Estland ist der Musterschüler unter den Euro-Ländern. Die Staatsschulden fallen 2011 voraussichtlich auf 6,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der diplomierte Chemiker Andrus Ansip lenkt seit 2005 als Premierminister die Geschicke des nordeuropäischen Staates, der 2004 der EU beitrat.

    Deutschland: Deutschland gilt als Stabilitätsgarant in Europa. Mit einer Schuldenquote von 82,4 Prozent der Wirtschaftsleistung verstößt aber auch die Bundesrepublik gegen die Stabilitätskriterien. Angela Merkel (CDU) ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Ihre Koalition hat seit der letzten Wahl deutlich an Zuspruch verloren.

    Belgien: Mit prognostizierten 97 Prozent Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung gehört Belgien zu den Sorgenkindern. Seit Juni 2010 gibt es in Brüssel keine gewählte Regierung – ein unrühmlicher Weltrekord. Die Hoffnungen, dass sich daran bald etwas ändert, erhielten im November 2011 einen empfindlichen Dämpfer.

    Nun aber hat Vangerow-Nagel seine seit sieben Jahren bestehende CFU umbenannt. Das entsprechende Sitzungsprotokoll vom Oktober bewahrt er in seiner zentimeterdicken Mappe auf, aus der er auch immer wieder Kopien von Zeitungsartikeln, Briefe an ihn oder eben Protokolle zieht. 58 Mitglieder habe seine Partei in der Region, darunter fünf neue. "Das ist erst der Anfang, das wird seine Kreise ziehen. Davon bin ich überzeugt." Den Namen "Deutsche-Mark-Partei" habe er beim Patentamt schützen lassen. Einen Zeitplan, Finanzierungsideen oder ähnlich Konkretes hat der Politiker dagegen nicht im Gepäck. "Jetzt muss es erstmal anrollen", wiegelt er ab. Bundestags- und Landtagswahlen seien ja erst 2013 wieder.

    Im Bäckersladen im 4500-Einwohner-Dorf Frammersbach ist kein klares "Ja" zur neuen Partei im Ort zu erkennen. "Zurück zur D-Mark? Nein, besser nicht. Das kostet doch auch wieder einen Haufen Geld", sagt eine ältere Kundin dazu. Die junge Bäckersfrau dagegen zeigt sich aufgeschlossen. "Wenn es was bringt, würde ich schon die Deutsche-Mark-Partei wählen", so die Verkäuferin. dpa

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