Ein Mann der leisen Töne war Hubert Aiwanger noch nie. Wenn der Chef der Freien Wähler etwas zu sagen hat, dann tut er das gerne mit der Wucht einer niederbayerischen Ackerwalze. Was soll man also erwarten, wenn sich der nach 15 Jahren dienstälteste Parteichef im Bayerischen Landtag seiner eigenen Partei in einem Fußballstadion zur Wiederwahl stellt? Richtig – ein lautstarkes Donnerwetter, wie es jeder Fankurve gut zu Gesicht stehen würde. Der Gegner an diesem Spieltag in Nürnberg: Berlin.
Die dort beheimatete „durchgeknallte Bundesregierung“ entferne sich immer mehr von der Mitte der Gesellschaft und sei geprägt von „ideologischen Verirrungen“, wettert Aiwanger am Samstag eine Halbzeit lang, also 45 Minuten, vor der spärlich besetzen Zuschauertribüne des Max-Morlock-Stadions. Die Freien Wähler würden nicht akzeptieren, dass den Rathäusern „das Dach abgedeckt“ würde von denen, „die noch kein Rathaus von innen gesehen haben“. Seine eigene Partei dagegen mache Politik für alle – „vom armen Schlucker bis zum Großunternehmer“, erklärt Aiwanger.
Aiwanger will in Berlin "gute Tipps geben"
Genau aus diesem Grund müssten die Freien Wähler, nachdem sie es in Bayern bereits bis in die Staatsregierung geschafft hätten, künftig auch in der Bundeshauptstadt mitmischen. „Deutschland braucht uns, wir kommen nach Berlin“, skandiert der 50-Jährige beinahe im Stile der Fußballfans, die Jahr für Jahr mit Gesängen à la „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ den Einzug ins Pokalfinale herbeizuschreien versuchen – in den wenigsten Fällen mit Erfolg.
Hubert Aiwanger beziffert die Chancen seiner Freien Wähler, deren Bundeschef er seit elf Jahren ist, die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl im September zu knacken, mit „Fifty-Fifty“. Eine Quote, bei der sich Sportwettenanbieter die Hände reiben würden, zumal aktuelle Umfragen die Partei derzeit nur bei etwa drei Prozent sehen. Für Aiwanger ist das jedoch kein Problem – sondern Ansporn zum Ärmelhochkrempeln und Mikofronlauterdrehen.
Für den Fall der Fälle, von dem er ausgeht, hat er bereits angekündigt, seine Posten als bayerischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident abzugeben, um – zumindest politisch – nach Berlin zu ziehen. Denn eines sei für ihn klar: der Schritt nach Berlin wäre für ihn kein Rückschritt, sagt er dem Bayerischen Fernsehen am Nürnberger Spielfeldrand, nachdem er zuvor mit 95 Prozent der 174 im Stadion abgegebenen Stimmen als Landesvorsitzender der Freien Wähler wiedergewählt worden ist. Ein „Hinterbänkler“ werde er jedenfalls auch in Berlin nicht werden. „Entweder kommen wir in eine Regierung oder ich bin vielleicht Fraktionsvorsitzender einer starken konservativen Oppositionsgruppierung, die den anderen gute Tipps gibt“, prognostiziert Aiwanger. Als er „gute Tipps“ sagt, muss er selbst kurz schmunzeln – vermutlich würden seine Ratschläge auch in Berlin in erster Linie wuchtig sein. So wie eine niederbayerische Ackerwalze eben.
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