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Fragen und Antworten: Im Schreiber-Prozess ist kein schnelles Ende in Sicht

Fragen und Antworten

Im Schreiber-Prozess ist kein schnelles Ende in Sicht

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    Der Prozess gegen den ehemaligen Waffen-Lobbyisten Karlheinz Schreiber vor dem Augsburger Landgericht wurde unterbrochen. Schreiber hat gesundheitliche Probleme.
    Der Prozess gegen den ehemaligen Waffen-Lobbyisten Karlheinz Schreiber vor dem Augsburger Landgericht wurde unterbrochen. Schreiber hat gesundheitliche Probleme. Foto: Archivbild: Fred Schöllhorn

    Seit September läuft der erneute Prozess gegen den ehemaligen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber (78). Anstelle von neuen Erkenntnissen hat es bislang vor allem eines gegeben: Anträge der Verteidigung. Nicht nur deshalb könnte sich der Prozess noch viele Monate hinziehen. Schreibers Gesundheitszustand ist kritisch, jeder Verhandlungstag dauert nur wenige Stunden. Am Mittwoch (19. Dezember) ist mit dem früheren Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls ein zentraler Zeuge zum zweiten Mal geladen. Fragen und Antworten zum Prozess:

    Worum geht es in dem Verfahren?

    Als Geschäftsmann mit deutschem und kanadischem Pass hatte Schreiber von 1988 an rund 60 Millionen Mark Provision für Airbus-Aufträge und Rüstungsgeschäfte weder in Deutschland noch in Kanada versteuert. Das Landgericht Augsburg verurteilte ihn 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Haft. Eine andere Kammer muss den Prozess wieder aufrollen, weil sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Schreiber mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof Erfolg hatten. Nach dem aufgehobenen Schuldspruch prüft die Kammer nun, ob Schreiber damals in Deutschland oder in Kanada steuerpflichtig war und ob die Bestechung von Pfahls tatsächlich verjährt ist, wie es die Richter 2010 angenommen hatten.

    Pfahls Rolle im Schreiber-Prozess

    Welche Rolle spielt Pfahls in dem Prozess?

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Bei seiner ersten Ladung im neuen Schreiber-Prozess sagte Pfahls im Oktober erneut aus, von Schreiber einen Millionenbetrag angeboten bekommen zu haben. Schreiber habe gewollt, dass er sich in den USA wenn nötig für ein Panzergeschäft einsetze. Dafür habe er von Schreiber zwei Millionen Mark angeboten bekommen. Er habe das Geld nicht gewollt, doch da habe Schreiber gesagt, er werde einmal froh sein, das Geld auf der hohen Kante zu haben. Da er nur Konten bei Sparkasse und Raiffeisenbank gehabt habe, habe Schreiber das Geld erst einmal bei sich belassen, sagte Pfahls.

    Er hatte bereits in einem früheren Prozess gestanden, von Schreiber geschmiert worden zu sein. 1999 war er untergetaucht, nachdem im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften Schreibers der Verdacht auf Schmiergeldzahlungen aufgekommen war.

    Ist ein Ende des Schreiber-Prozesses abzusehen?

    Christian Wulffs Kredit-Affäre und der legendäre Anruf: Bundespräsident Wulff gerät wegen eines verheimlichten Privatkredits Ende 2011 in die Schlagzeilen. Anfang 2012 wird bekannt, dass Wulff mehrere Reportern mit "Krieg" gedroht habe, sollten sie über die Affäre berichten. Sein wütender Anruf bei Bild-Chaf Kai Diekmann wurde nicht nur zum Politikum, sondern auch zum Ziel von Häme und Spott.
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    Das Verfahren ist bislang zäh verlaufen. Erst beim vierten Termin eröffnete die Kammer die Beweisaufnahme. Viel Zeit vergeht bei der Verlesung umfangreicher Steuerdokumente. Auch wegen zahlreicher Anträge der Verteidigung kommt das Verfahren nicht voran. Die Anwälte stellten bereits mehrere Befangenheitsanträge gegen die drei Richterinnen beziehungsweise gegen die gesamte Kammer - ohne Erfolg. Allerdings musste das Verfahren jedes Mal unterbrochen und häufig auf den nächsten Verhandlungstermin vertagt werden. Verfahrenstermine sind bis in den Mai hinein geplant.

    Der Gesundheitszustand des Karlheinz Schreiber

    Wie steht es um Schreibers Gesundheitszustand?

    Schreiber ist derzeit nicht im Gefängnis, sondern unter Hausarrest im oberbayerischen Kaufering. Nach einem Herzinfarkt im März in seiner Zelle im Augsburger Gefängnis war er zunächst in die Reha gekommen. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands war der Prozessbeginn anfangs immer wieder verschoben worden. Die Verhandlung wird ständig unterbrochen, um Schreibers Blutdruck zu messen, ihn Medikamente einnehmen zu lassen oder weil er sich schwach fühlt und Ruhe braucht. Jeder Verhandlungstag dauert wegen Schreibers Angeschlagenheit nur wenige Stunden.

    Schreiber gilt als Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Warum?

    Schreiber hatte die CDU in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. 1991 übergab er dem damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep eine Parteispende in Höhe von einer Million Mark. Dem kamen die Steuerfahnder auf die Schliche. Ein System von schwarzen Kassen und Auslandskonten kam ans Licht. Wegen einer 100 000-Mark-Spende von Schreiber nahm später Wolfgang Schäuble als CDU-Chef den Hut. Ihre Dynamik entwickelte die Affäre vor allem nach dem Geständnis von Altkanzler Helmut Kohl (CDU), zwischen 1993 und 1998 Spenden bis zu zwei Millionen Mark in bar angenommen und nicht deklariert zu haben.

    Karlheinz Schreibers Auslieferung nach Deutschland

    Schreiber setzte sich in seine zweite Heimat Kanada ab. Zehn Jahre lang verhinderte er mit verschiedenen juristischen Kniffen seine Auslieferung. Erst im Sommer 2009 kam er in Deutschland in Untersuchungshaft.

    Wie hat sich Schreiber bislang vor Gericht verhalten?

    Von Kiep bis Strauß: Urteile in der Schreiber-Affäre

    Walther Leisler Kiep hatte als CDU-Schatzmeister von Karlheinz Schreiber eine Million Mark als Parteispende entgegengenommen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert hatten von Schreiber Schmiergeld kassiert und erhielten Bewährungsstrafen von 24 und 20 Monaten.

    Ludwig-Holger Pfahls: Der Ex-Rüstungsstaatssekretär hat sich von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark schmieren lassen. Er wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt.

    Max Strauß: Der Politikersohn erhielt 2004 wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach der Revision wurde Strauß freigesprochen.

    Dieter Holzer wurde 2008 wegen Fluchthilfe für Pfahls zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

    Karlheinz Schreiber wurde 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

    Ein weiteres Mal wurde Ludwig-Holger Pfahls im November 2011 verurteilt. Wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung muss der frühere Spitzenpolitiker für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

    Dieter Holzer wurde im November 2011 verurteilt, weil er Pfahls nach Ansicht des Landgerichts Augsburg bei der Steuerhinterziehung half. Aufgrund seiner zwei offenen Bewährungen lautete das Urteil auf dreieinhalb Jahre Haft.

    Karlheinz Schreiber wird 2013 im Revisionsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

    Bislang hat Schreiber in dem neuen Verfahren wenig bis gar nichts gesagt. Demnächst wird er aber ausführlich erzählen, was er und andere getan haben, wie seine Anwälte jüngst ankündigten. Schreiber will auspacken - wieder einmal. Er werde sich zum gesamten Verfahren und zur Vergangenheit äußern - aber erst nach Pfahls' zweiter Ladung. Das lässt diejenigen frohlocken, die hoffen, der 78-Jährige werde während des Prozesses brisante politische Geheimnis enthüllen.

    Bereits vor seiner Auslieferung aus Kanada 2009 hatte er angekündigt, seine Enthüllungen würden die "Republik erschüttern". Im Prozess vor zwei Jahren kam allerdings nicht viel außer Anschuldigungen gegen die Union, die er nicht beweisen konnte. dpa/lby

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