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Flüchtlingspolitik: Die CSU legt nach

Flüchtlingspolitik

Die CSU legt nach

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    Gerda Hasselfeldt, die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, fordert von Kanzlerin Merkel ein Stoppsignal für Flüchtlinge.
    Gerda Hasselfeldt, die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, fordert von Kanzlerin Merkel ein Stoppsignal für Flüchtlinge. Foto: Kay Nietfeld (dpa)

    Das große Rechnen hat bereits begonnen. Bis zu 70 Mandate, schätzt ein Abgeordneter, wird die Union im Bundestag verlieren, wenn sie bei der Wahl im Herbst nächsten Jahres ähnlich schlecht abschneidet wie die CDU am vergangenen Sonntag. 70 Mandate – das sind 70 Schicksale, 70 bitter Enttäuschte und 70 potenzielle Revolutionäre. Im Kampf um Direktmandate und aussichtsreiche Listenplätze könnte übertriebene Loyalität zur Kanzlerin womöglich bald ein Wettbewerbsnachteil sein.

    Die Ergebnisse der Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt seien ein „herber Schlag“ für die Große Koalition, sagt auch Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in Berlin. Die 65-Jährige kann eigentlich ganz gut mit Angela Merkel, deutlich besser jedenfalls als ihr Parteichef Horst Seehofer. Doch auch sie, so scheint es, verliert allmählich die Geduld mit der Kanzlerin und verlangt ein klares Stoppsignal von ihr. Die Regierungschefin müsse jetzt klarstellen, sagt die mächtigste Frau der CSU, dass Deutschland nicht die Probleme der ganzen Welt lösen könne.

    Auch eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU und die Visafreiheit für türkische Staatsbürger, zwei zentrale Punkte der Merkel’schen Verhandlungsstrategie für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise, lehnt sie ab: „Wir dürfen uns nicht einseitig von der

    Berlin, zwei Tage nach den drei Schicksalswahlen: Die erste Aufregung über Seehofers Frontalangriff, mit dem er Merkel von München aus zur Hauptschuldigen für das Debakel der CDU erklärte, ist verraucht und die Kanzlerin am Vormittag erst einmal auf Messebesuch in Hannover. Mit der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine Merkel-Getreue den CSU-Chef pflichtgemäß aufgefordert, vor dem EU-Gipfel mit der Türkei Ende der Woche nur ja keine falschen Fronten aufzubauen – ausgestanden aber ist die Sache für die Kanzlerin noch nicht, auch wenn viele ihrer Kritiker zunächst einmal abwarten wollen, wie sie sich in Brüssel schlägt.

    „Die Lage“, sagt der Würzburger CSU-Abgeordnete Paul Lehrieder, „ist ganz schön angespannt.“ Den Erfolg der Alternative für Deutschland erklärt er sich auch damit, dass die neue Partei in der Flüchtlingskrise Sorgen aufgreife, die in Teilen der Schwesterpartei schon gar nicht mehr artikuliert würden. Als Merkel der Unionsfraktion gestern Nachmittag noch einmal ihre Position erläutert, gibt es deshalb kaum Applaus. Zu tief sitzt die Enttäuschung bei vielen Abgeordneten.

    CDU und CSU wollen heute Konsequenzen aus Wahlen besprechen

    Eine von ihnen, die CDU-Frau Erika Steinbach, hat die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zuletzt gar mit der einer absolutistischen Herrscherin verglichen. „Wie in einer Diktatur“ fühle sie sich, hat die 72-jährige geklagt – als Sprecherin für Menschenrechte zurücktreten aber will sie nach diesem Fauxpas nicht und sie ihres Amt zu entheben, könnte schwierig werden.

    Dazu bräuchte Volker Kauder nämlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit in seiner Fraktion – und die Frage ist, ob er so viele Abgeordnete eigentlich noch hinter sich hätte, wenn es irgendwann zum Schwur käme. Nicht nur in der CSU, auch in den Reihen der CDU nimmt die Kritik am Fraktionsvorsitzenden zu, hinter vorgehaltener Hand zwar nur, aber deutlich im Ton. Viel zu sehr auf Merkel-Linie sei der, klagt ein junger CSU-Mann. „Wir sind ja nicht der verlängerte Arm der Regierung.“ Kauder selbst dagegen will das berühmte O-Wort der Bayern gar nicht erst in den Mund nehmen. Das von der Obergrenze: „Man kann nicht nach dem Motto verfahren: Weil jetzt die AfD soundsoviel Prozent bekommen hat, ändere ich meinen Kurs.“

    Bei einem Treffen im Kanzleramt wollen Seehofer, Kauder, Hasselfeldt und die Generalsekretäre von CDU und CSU heute mit der Kanzlerin die Konsequenzen aus den Wahlen und die Marschrichtung für den EU-Gipfel besprechen. Am Nachmittag erläutert sie ihre Pläne dann noch einmal in einer Regierungserklärung. Ob sie sich noch einen Schritt auf ihre Kritiker zubewegt, ist allerdings fraglich – auch wenn die CSU-Frau Hasselfeldt die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat. Ihr Druckmittel, sagt sie, seien gute Argumente. „Und die Kanzlerin ist Argumenten gegenüber immer aufgeschlossen.“

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