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Fernsehen: Kir Royal wird 30! Warum es eine solche Serie heute nicht mehr gibt

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Kir Royal wird 30! Warum es eine solche Serie heute nicht mehr gibt

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    Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz, rechts) ist Gesellschaftsreporter bei der „Münchner Allgemeinen“. Gemeinsam mit seinem Fotografen Herbie (Dieter Hildebrandt) schlägt er sich durchs Nachtleben.
    Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz, rechts) ist Gesellschaftsreporter bei der „Münchner Allgemeinen“. Gemeinsam mit seinem Fotografen Herbie (Dieter Hildebrandt) schlägt er sich durchs Nachtleben. Foto: WDR/Balance Film

    Junge Menschen, die „irgendwas mit Medien“ machen wollen, würden verwirrt reagieren, wenn ihnen einer die TV-Serie „Kir Royal“ vorspielt.

    Erst einmal: Was ist „Kir Royal“? Nun, zunächst ein aus der Mode gekommener Drink aus Champagner und Crème de Cassis, einem Likör aus schwarzen Johannisbeeren.

    Zweitens würden sie sich wundern, dass in der Fernsehreihe im Jahr 1986 der Gesellschaftsreporter eines Boulevardblatts seiner Herausgeberin eine Spesenrechnung von 7012 Mark und sechs Pfennigen offeriert. Was auch heute noch nach der 1:1-Umrechnung der Gastronomie 7012 Euro und sechs Cent sind, den Inflationsausgleich mal ausgespart.

    "Kir Royal" ist Serienkult

    Drittens, und vor allem: Sie ist etwas Besonderes, die sechsteilige Reihe „Kir Royal – aus dem Leben eines Gesellschaftsreporters“, geschrieben von Regisseur Helmut Dietl und seinem Co-Autor Patrick Süskind.

    Nostalgie. Ein Gesellschaftsreporter wie Baby Schimmerlos – eine menschliche Spezies, die aufgrund der schnelllebigen digitalen Entwicklung nicht einmal mehr im gedruckten Boulevardblatt Zukunft hat. So frech und clever die Spezies auch gewesen sein mag. Trotzdem ist „Kir Royal“ Serienkult, so wie vieles andere, das den Menschen im Herz umgeht.

    Mit der TV-Serie "Kir Royal" schrieb Helmut Dietl Fernsehgeschichte.
    Mit der TV-Serie "Kir Royal" schrieb Helmut Dietl Fernsehgeschichte. Foto: Ursula Düren (dpa)

    Dass ein Partyschnüffler die Sympathien des Publikums gewann, lag nicht nur an den brillanten Texten, sondern auch an einem fabelhaft geföhnten, attraktiven, wenn auch klassisch münchnerisch grantelnden Typen mit Macho-Allüren. Wunderbar gespielt von dem Dramatiker Franz Xaver Kroetz.

    "Kir Royal" wird 30 Jahre alt

    30 Jahre wird es nun am 22. September her sein, dass „Kir Royal“ seine Premiere feierte. Ausgerechnet der Westdeutsche Rundfunk wollte Helmut Dietl für eine Münchner Serie haben. Dietl ging, wie der 2015 an einer Krebserkrankung verstorbene Schöpfer eines Münchner Weltbilds einmal erzählte, während eines Spaziergangs am Lokal „Extrablatt“ des Münchner Klatschkönigs Michael Graeter vorbei. Ein Gespräch führte zum anderen und die Story stand.

    In einem auf der DVD-Kollektion von „Kir Royal“ enthaltenen Interview geht das Szene-Trüffelschwein Dietl sogar zurück zum legendären Klatschkönig „Hunter“ (Hannes Obermaier), der vor Graeter für die Abendzeitung arbeitete. Obermaier, weiß Dietl, hatte quasi ein Nebenbüro in der Bar des Bayerischen Hofs, wo er auch Artikel absetzte. Irgendwas über Promis, die damals noch Prominente hießen.

    Dietl selbst hielt die erste und die letzte „Kir Royal“-Folge für die besten. In der ersten, „Wer reinkommt, ist drin“, hat Mario Adorf seinen wohl stärksten TV-Auftritt in seiner langen Schauspielerkarriere. Natürlich, es ist der erfolgreiche Klebstofffabrikant Heinrich Haffenloher („Schimmerlos, ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld“). Hätten die österreichischen Behörden für ihre Umschläge zur Bundespräsidentenwahl beim auf die Schickeria scharfen Haffenloher eingekauft, hätte die Wahl bestimmt nicht wieder verschoben werden müssen. Und er wäre womöglich zum Opernball eingeladen worden.

    Folge 6: Babys Freundin Mona (Senta Berger) träumt von einer Karriere als Sängerin. Ihr Traum scheint endlich wahr zu werden…
    Folge 6: Babys Freundin Mona (Senta Berger) träumt von einer Karriere als Sängerin. Ihr Traum scheint endlich wahr zu werden… Foto: WDR/Balance Film

    Dank „Kir Royal“ wurde auch die Sekretärin aufgewertet

    So begnügt er sich mit einem Can-Can in einem schrillen Münchner Lokal. Am Ende herrscht in der Folge „Karriere“ berufliche wie private Tristesse. Job futsch, Lebensfreundin Mona (Senta Berger) geht eigene Wege.

    Mit „Münchner Geschichten“, „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ hat Dietl einen unvergesslichen Dreiklang geschaffen – mit großartigen Charakteren. Dank „Kir Royal“ wurde auch die Sekretärin aufgewertet. So gesehen war Bille Zöcklers forsche Edda eine Art Vorläuferin der Frau Stockl in „Rosenheim-Cops“. In einer ungewohnten Rolle beeindruckte der große Kabarettist Dieter Hildebrandt als Fotograf Herbie. Zu einer Zeit, als Münchner Fotografen so daherkamen wie die Roadies der Rockmusiker, die sie ablichteten, sah der Hildebrandt aus wie aus der Registraturabteilung gefallen.

    Heute steuern die Promis ihren Klatsch via Twitter und Facebook selbst. Für Klatschreporter mit einem wenigstens rudimentären journalistischen Anspruch scheint kein Platz zu sein. Man ist schimmerlos, wie es weitergehen soll. Eines bleibt: Helmut Dietl hat uns wundervolle Zitate geschenkt. Sie sind verbale Eckpfeiler im Alltag, wenn man mal einen guten Spruch braucht.

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