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Familienaffäre: Theo Waigel: "Einen Verhaltenscodex brauchen alle"

Familienaffäre

Theo Waigel: "Einen Verhaltenscodex brauchen alle"

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    Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel wird als Konsequenz aus der Familienaffäre für die CSU einen Verhaltenskodex erarbeiten.
    Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel wird als Konsequenz aus der Familienaffäre für die CSU einen Verhaltenskodex erarbeiten. Foto: Ulrich Wagner (Archiv)

    Glückwunsch zum neuen Ehrenamt, Herr Waigel.

    Theo Waigel: Glückwünsche nehme ich da nicht entgegen. Um die Aufgabe habe ich mich nicht gerissen. Aber es nicht zu tun, wäre ein Affront gegen die Partei gewesen.

    Wie ist es dazu gekommen?

    Waigel: Vor etwa zwei Wochen habe ich mich darüber mit dem schwäbischen CSU-Bezirksvorsitzenden Markus Ferber und mit meinem Landtagsabgeordneten Alfred Sauter unterhalten. Wir sind zur Ansicht  gelangt,  dass man nicht nur auf die Beschäftigungsverhältnisse rückblickend schauen, sondern dass man nach vorne blicken soll. Politik ist Dienst an der res publica. Und da steht das Wort „öffentlich“. Die Familienverhältnisse eines

    Um was geht es in Ihrem Ehrenkodex?

    Waigel: Zum Beispiel um Abgeordnete, ihre Hilfskräfte, um Parteien, ihre Finanzierung und um den Umgang mit Spenden. Ich bin der Ansicht, dass Mitarbeiter von Abgeordneten des Bundestags oder des Landtags in CSU-Geschäftsstellen tätig sein dürfen. Da ist die Infrastruktur vorhanden, das ist durchaus sinnvoll. Geregelt werden muss die Aufgabentrennung zwischen Mandatsunterstützung und Parteiarbeit. Wir müssen Klarheit darüber herstellen, welche Regeln es für Mandatsträger in Europa, im Bund, in Bayern und in den Kommunen des Freistaats gibt. Deshalb arbeiten auch die Vorsitzenden der jeweiligen Ebenen – Markus Ferber als Vorsitzender der

    Hat die CSU den Verhaltenskodex besonders nötig?

    Waigel: Nein, so etwas brauchen alle. Die CSU ist da sicher kein größerer Sünder als die anderen Parteien. Aber unvollkommen sind wir alle.

    Von der „Altfallregelung“ in der Verwandtenaffäre haben in der laufenden Legislaturperiode aber ausschließlich CSU-Abgeordnete profitiert.

    Waigel: Es gab eine Übereinkunft aller Fraktionen des Landtags, diese Regelung zu verlängern. Jede Fraktion hat es in der Hand gehabt, dies zu ändern.

    Wann soll die Arbeit beginnen?

    Waigel: Ich rechne damit, dass wir uns in den nächsten acht bis zehn Tagen zum ersten Mal treffen können.

    Ist der Ehrenkodex dem Wahljahr geschuldet?

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Waigel: Nein, weil wir es nicht schaffen werden, das Kompendium rechtzeitig zur Bundestags- und zur Landtagswahl zusammenzustellen. Der Landtag will zwar noch vor der Sommerpause die Regeln für die Beschäftigung von Verwandten ändern. Unser Projekt ist längerfristig angelegt und weitreichender.

    Wer soll die Einhaltung des Kodex kontrollieren?

    Waigel: Mein Vorschlag ist, eine Anlaufstelle beim Justiziar oder eine ähnliche Stelle in der Landesleitung zu schaffen, die Mandatsträgern in Zweifelsfällen oder bei auftauchenden Fragen die richtige Antwort geben kann.

    CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid ist wegen seiner Verfehlungen zurückgetreten. Er wird sich weder als Kreischef noch für den Landtag zur Wahl stellen. War das gut so?

    Waigel: Ich glaube, ja. Er hat damit seiner Partei einen Dienst erwiesen.

    Was ist mit dem zweiten Schwaben, dem zurückgetretenen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Georg Winter? Der will sein Mandat behalten. Ist das korrekt? Die Basis stützt ihn.

    Waigel: Das kann ich nicht beantworten. Wichtig ist nicht nur, wie es die Aktivisten der CSU sehen, sondern wie die Bürger darauf reagieren.

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