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Fall Schreiber: Karlheinz Schreiber will`s nochmal wissen

Fall Schreiber

Karlheinz Schreiber will`s nochmal wissen

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    Der Fall des ehemaligen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber wird vor Gericht neu aufgerollt.
    Der Fall des ehemaligen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber wird vor Gericht neu aufgerollt.

    Zurückhaltung gehört auch im fortgeschrittenen Alter nicht zu Karlheinz Schreibers hervorstechenden Eigenschaften. Andere, die wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt worden sind, würden zum Revisionsprozess vielleicht kurz vor Beginn durch den Hintereingang ins Gerichtsgebäude schlüpfen.

    Der 78-Jährige ist schon eine Stunde vor Prozessbeginn da, lässt sich auf einer Verkehrsinsel bereitwillig mit seinen drei Verteidigern fotografieren und filmen und geht dann noch entspannt ins Café gegenüber dem Augsburger Strafjustizzentrum. Immerhin der Mann hinter dem Tresen freut sich über die Anwesenheit des prominenten Angeklagten: „Vielen Dank für die Werbung“, ruft er Schreiber zu.

    Verteidiger attackiert die drei Richterinnen

    Die drei Berufsrichterinnen dürften über den ersten Auftritt des früheren Waffenlobbyisten weniger erfreut gewesen sein. Das Gericht hat gerade die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt, da gehen Schreibers Verteidiger gleich zum Angriff über. Frank Eckstein bemängelt die „willkürliche“ Besetzung der 10. Strafkammer. „Es wurde offensichtlich händeringend nach Richtern gesucht, die noch nicht mit der Strafsache Schreiber befasst waren“, sagt Eckstein. Hintergrund der Attacke: Es gab tatsächlich Umbesetzungen in der

    Verteidiger Jens Bosbach setzt das Sperrfeuer mit einem   Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichterinnen Frauke Linschmann, Jennifer Kruse und Cornelia Seidlum fort. Er begründet den Antrag damit, dass die Richterinnen Ende 2011 schon nach kurzer Einarbeitung durchblicken hätten lassen, sie wollten Schreiber erneut zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilen. Außerdem hätten sie vor dem Prozess wesentliche Entscheidungen hinausgezögert.

    Münchner Richter verwerfen Haftbeschwerde Schreibers

    Was die Verteidiger nicht erwähnten: Eine Haftbeschwerde Schreibers hat das Oberlandesgericht München vor wenigen Tagen verworfen. Hinsichtlich des Vorwurfs der Steuerhinterziehung sei weiterhin von einem dringenden Tatverdacht auszugehen, befinden die Münchner Richter.

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    In dem Revisionsprozess geht es um zwei Kernpunkte. Schreiber soll bei Panzer- und Flugzeuggeschäften mit Thailand, Saudi-Arabien und Kanada Millionenprovisionen kassiert haben. Diese Zahlungen hält auch der Bundesgerichtshof (BGH) für erwiesen. Die 10. Strafkammer muss nun prüfen, ob Schreiber zwischen 1988 und 1993 in

    Beobachter hoffen, das Schreiber politische Geheimnisse lüftet

    Von Kiep bis Strauß: Urteile in der Schreiber-Affäre

    Walther Leisler Kiep hatte als CDU-Schatzmeister von Karlheinz Schreiber eine Million Mark als Parteispende entgegengenommen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert hatten von Schreiber Schmiergeld kassiert und erhielten Bewährungsstrafen von 24 und 20 Monaten.

    Ludwig-Holger Pfahls: Der Ex-Rüstungsstaatssekretär hat sich von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark schmieren lassen. Er wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt.

    Max Strauß: Der Politikersohn erhielt 2004 wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach der Revision wurde Strauß freigesprochen.

    Dieter Holzer wurde 2008 wegen Fluchthilfe für Pfahls zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

    Karlheinz Schreiber wurde 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

    Ein weiteres Mal wurde Ludwig-Holger Pfahls im November 2011 verurteilt. Wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung muss der frühere Spitzenpolitiker für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

    Dieter Holzer wurde im November 2011 verurteilt, weil er Pfahls nach Ansicht des Landgerichts Augsburg bei der Steuerhinterziehung half. Aufgrund seiner zwei offenen Bewährungen lautete das Urteil auf dreieinhalb Jahre Haft.

    Karlheinz Schreiber wird 2013 im Revisionsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

    Mancher hofft, dass Schreiber im neuen Prozess noch das eine oder andere politische Geheimnis lüftet. Schließlich war er es, der 1991 dem damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep eine Million Mark als Parteispende übergeben hat und damit die CDU in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt hat.

    Im Gefängnis sitzt Schreiber nach einem Herzinfarkt Anfang März nicht mehr. Er steht in seinem Heimatort Kaufering unter Hausarrest und macht täglich lange Waldspaziergänge, berichtet sein Anwalt Eckstein. Es gehe ihm einigermaßen gut, sagt Schreiber am Rande des Prozesses: „Ich lebe noch, das ist entscheidend."

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