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Fall Gustl Mollath: Richter als Zeuge: "Es gab keine Verschwörung gegen Mollath"

Fall Gustl Mollath

Richter als Zeuge: "Es gab keine Verschwörung gegen Mollath"

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    Am Landgericht Regensburg verteidigte der erste Richter, der Mollath im August 2006 in die Psychiatrie eingewiesen hatten, am Donnerstag sein damaliges Urteil.
    Am Landgericht Regensburg verteidigte der erste Richter, der Mollath im August 2006 in die Psychiatrie eingewiesen hatten, am Donnerstag sein damaliges Urteil. Foto: Michaela Rehle afp

    Gustl Mollath - wie waren damals die Umstände und Verzögerungen der Zwangsunterbringung des Nürnbergers? Im Wiederaufnahmeverfahren soll Licht in das Dunkel des Falls Mollath gebracht werden.

    Richter zur Unterbringung Mollaths: War wohl nicht zu beanstanden

    Am Landgericht Regensburg verteidigte der erste Richter, der Gustl Mollath im August 2006 in die Psychiatrie eingewiesen hatten, am Donnerstag sein damaliges Urteil. "Dem Bundesgerichtshof hat unser Urteil gereicht, dann war es wohl nicht zu beanstanden", sagte der inzwischen pensionierte Richter des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Zuvor hatte ein Psychiater erläutert, warum er eine gerichtlich anberaumte Zwangsbegutachtung Mollaths im Juli 2004 nicht durchgeführt hatte und den Nürnberger an ein anderes Bezirkskrankenhaus verwiesen hatte.

    Mollath wegen Wahnvorstellungen als gemeingefährlich eingestuft

    Chronologie des Falls Mollath

    Ab 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie. Hier eine Chronologie des Falles:

    November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 ohne Grund mindestens 20-mal mit den Fäusten geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

    Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

    September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Im April 2004 wird sie fortgesetzt. Ein Gutachter attestiert dabei Mollath erstmals gravierende psychische Störungen.

    Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften.

    Februar 2004: Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Begründung: Es gebe nur einen pauschalen Verdacht. Die Angaben seien zu unkonkret, als dass sie ein Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würden.

    Juni 2004: Mollath wird gegen seinen Willen zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht, kommt aber schon kurz darauf wieder frei. Im Februar 2005 wird er in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen. Dort bringt er fünf Wochen zu.

    August 2006: Das Landgericht Nürnberg spricht Mollath von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung frei. Aber die Strafkammer Mollaths ordnet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

    Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision als unbegründet.

    März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Rechtsausschuss des Landtags, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei «weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen». Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.

    November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass ein Teil von Mollath Vorwürfe zutreffend war. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss im Landtag.

    30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen. Grund war die mögliche Befangenheit eines Richters.

    18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt sich dabei auf «neue Tatsachen», die dem Gericht bei der Verurteilung im Jahr 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.

    26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen.

    28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.

    12. Juni 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet an, dass Mollath mindestens noch ein weiteres Jahr und damit bis 2014 in der Psychiatrie bleiben muss.

    06. August 2013: Mollath kommt frei. Das OLG Nürnberg ordnet die Wiederaufnahme des Falls an und verfügt, dass diese an einer anderen Kammer des Landgerichts Regensburg stattfinden muss.

    05. September 2013: Die Verfassungsbeschwerde Mollaths ist erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt. Die Beschwerde sei offensichtlich begründet, hieß es.

    19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.

    13. Januar 2014: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ex-Frau von Gustl Mollath eingestellt. Mollath hatte seine frühere Ehefrau im August 2013 angezeigt, weil sie in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe 2008 nicht die Wahrheit gesagt habe. Dafür ergaben sich laut Staatsanwaltschaft aber keine Anhaltspunkte.

    28. April 2014: Gustl Mollath will das Oberlandesgericht Bamberg mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde zwingen zu verkünden, ab wann er unrechtmäßig in der Psychiatrie gesessen habe. Hintergrund ist ein Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2011, nach dem Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass dadurch Mollaths Grundrecht auf Freiheit verletzt worden war.

    07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath.

    08. August 2014: Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer einen Freispruch für Gustl Mollath. Dabei ist der Anklagevertreter jedoch von der Schuld des 57-Jährigen überzeugt. Die Verteidigung verlangt einen Freispruch "ohne Wenn und Aber". Mollath selbst weist die Vorwürfe zurück.

    14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath frei. dpa

    Gustl Mollath muss sich wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung verantworten. Das Nürnberger Landgericht Nürnberg-Fürth hatte 2006 festgestellt, dass der Angeklagte seine Ehefrau misshandelt hatte, sprach ihn aber wegen Schuldunfähigkeit frei. Ein Gutachter hatte den Nürnberger damals wegen Wahnvorstellungen als gemeingefährlich eingestuft, deshalb wies das Gericht Mollath in die Psychiatrie ein. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil 2007 bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht urteilte später, seit 2011 sei seine Unterbringung in der Psychiatrie verfassungswidrig. Erst 2013 kam er nach sieben Jahren frei.

    Der damalige Richter vom Landgericht Nürnberg-Fürth räumte am Donnerstag ein, beim Durchlesen des Urteils kleine Fehler übersehen zu haben. Dabei habe es sich um ein Datum gehandelt und um die Reihenfolge der geschilderten Übergriffe des Angeklagten. "Die Hauptverhandlung war aber nicht schludrig", sagte der 71-Jährige. Es habe auch keine Verschwörung gegen Mollath gegeben. Erinnerungen an das Verfahren habe er aber nicht mehr. Er habe am Tag seiner Pensionierung alle Notizen aus den Hunderten Verfahren, die er als Richter seit 1971 geleitet hatte, vernichten lassen.

    Die beisitzende Richterin hatte in ihrer Zeugenaussage in der Vorwoche erklärt, dass das damalige Urteil unter Zeitdruck verfasst wurde. Sie habe es lediglich anhand ihrer Notizen und einiger Aktenkopien diktiert, die Abschrift aber nicht mehr kontrolliert. "Ich bin dann in den Urlaub gefahren", hatte die Richterin ausgesagt.

    Angeblich brisante Aussage des damaligen Vorsitzenden Richters

    Ein damaliger Schöffe hatte Anfang dieser Woche von einer brisanten Aussage des damaligen Vorsitzende Richters berichtet: "Dem schaut der Wahnsinn aus den Augen", habe der Richter 2006 in einer Verhandlungspause über Mollath gesagt. Auf Nachfrage der Verteidigung am Donnerstag, ob die Äußerung so gefallen ist, sagte der als Zeuge geladene Richter: "Das kann ich Ihnen nicht sagen." Er habe an die Verhandlung keine Erinnerung. Der Richter reagierte empört über die Angaben seines damaligen Schöffen. "Ich halte das für einen Verstoß gegen das Beratungsgeheimnis."

    Auch diesen Zeugen befragte Mollath selbst. "Guten Tag, Herr (...), mein Beileid zum Tod ihrer Frau", begrüßte der Angeklagte den Richter, der ihn in die Psychiatrie geschickt hatte. Der Zeuge brauste kurz auf: "Ach, hören Sie doch auf. Der Tod meiner Ehefrau geht niemanden im Gerichtssaal etwas an. Ich brauche auch Ihr Mitleid nicht."

    Zuvor hatte am Donnerstag der erste gerichtlich beauftragte Psychiater erklärt, warum er den zur Zwangsbegutachtung eingewiesenen Angeklagten im Juli 2004 nicht begutachtet hatte. Denn ein Nachbar, damals ein Arbeitskollege von Frau Mollath, hatte ihm schon vor der Zwangseinweisung anonym den Fall sowie die Schwarzgeldvorwürfe des Mannes geschildert. Der Nachbar habe dann um eine Einschätzung zum Grad der Bedrohlichkeit gebeten. Deshalb habe er eine private Einschätzung von Mollaths Geisteszustand gegeben, sagte der Leiter der Forensik des Bezirkskrankenhauses Erlangen. Zu diesem Zeitpunkt habe er aber nicht gewusst, dass es sich um Gustl Mollath handelte.  

    Als er dann später Gustl Mollath untersuchen sollte, sei ihm schnell klar geworden, dass er nicht die notwendige Objektivität habe, betonte der 56-Jährige. Daher habe er einen Befangenheitsantrag gestellt und die Überstellung Mollaths an das Bezirkskrankenhaus Bayreuth vorgeschlagen.

    Der Prozess wird an diesem Freitag fortgesetzt. Dann wird das rechtsmedizinische Gutachten erwartet. dpa/AZ

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