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Fahrplan: Noch Fragen?

Fahrplan

Noch Fragen?

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    Wer will das G9 zurück? Diese Frage ist seit Monaten beantwortet. Der Großteil der bayerischen Schüler möchte sich ein Jahr mehr Zeit für das Abitur lassen.
    Wer will das G9 zurück? Diese Frage ist seit Monaten beantwortet. Der Großteil der bayerischen Schüler möchte sich ein Jahr mehr Zeit für das Abitur lassen. Foto: Franziska Kraufmann, dpa

    Zur Zukunft des bayerischen Gymnasiums sei noch gar nichts entschieden, beteuert Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). „Denn ich würde dazu keine Gespräche mehr führen, wenn ich mir schon klar bin“, fügt der Regierungschef mit ernstem Blick an.

    Was natürlich bestenfalls die halbe Wahrheit ist: Denn seit Seehofer zuletzt im Januar höchstpersönlich versprochen hatte, jeder Schüler werde die Möglichkeit bekommen, das Abitur wieder in neun Jahren zu erreichen, hat sich eine Dynamik zurück zum G9 in Gang gesetzt, die für die CSU wohl nicht mehr zu stoppen ist. Zu eindeutig ist das Votum, das Lehrer, Eltern, Schulleiter und Kommunen für eine längere Gymnasialzeit abgegeben haben.

    Der Plan von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), jede Schule über G8 oder G9 selbst entscheiden zu lassen, hat sich deshalb längst ebenso in Luft aufgelöst wie der noch im vergangenen Herbst von CSU-Bildungspolitikern im Landtag bekräftigte Schwur, um jeden Preis am bestehenden G8 festhalten zu wollen. Schließlich, so erklärte etwa der CSU-Bildungssprecher Gerhard Waschler damals im Landtag, habe es „individuelle Lernzeitverlängerung“ ja immer schon gegeben: „Etwa durch Sitzenbleiben.“ Eine Hemdsärmeligkeit, mit der man wahltaktisch keinen Blumentopf gewinnen kann.

    Doch auch besonnenen Gemütern ist nicht klar, was ein Grundsatzbeschluss hin zum G9 konkret bedeuten soll. „Es gibt noch sehr, sehr viele offene Fragen“, beklagt etwa der Münchner CSU-Abgeordnete Markus Blume. Das beginne schon bei den Kosten: Allein den Umbaubedarf an den Schulgebäuden beziffern etwa die Kommunen auf rund 1,5 Milliarden Euro. Im Kultusministerium geht man zudem wohl von bis zu 750 zusätzlichen Lehrern aus – eine Zahl, die selbst in der CSU massiv angezweifelt wird. Bis zu 1500 zusätzliche Planstellen seien nötig, wenn das neue G9 kein „Sparmodell“ sein soll, glauben Bildungsexperten. Das würde am Ende jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

    Natürlich könne man immer in Bildung investieren, findet etwa Hans Reichhart, Chef der Jungen Union in Bayern. Wenn man aber dauerhaft auf neue Schulden verzichten und die Personalkosten begrenzen wolle, „dann muss zumindest vorher klar sein, über welche Summen wir hier reden“.

    Doch auch inhaltlich bleiben viele Fragezeichen: So könnte laut Spaenle ein neues G9 im Herbst 2018 für die fünften und sechsten Klassen starten. Ab der siebten Klasse aufwärts sollen die Schüler dagegen das alte G8 beenden. „Auch diesen Schülern müssen wir eine längere Variante anbieten“, fordert dagegen der SPD-Bildungsexperte Martin Güll. Und wenn mit dem G9 der Nachmittagsunterricht wegfällt: Werden die teuer eingerichteten Mensen wieder stillgelegt? Oder braucht man mehr echte Ganztagsschulen, um berufstätigen Eltern entgegenzukommen?

    Dann ist da noch das Geschacher um den Lehrplan. Spaenle behauptet, dass man den nagelneuen Lehrplan Plus einfach an neun Jahre anpassen kann. Kritiker hingegen sind sicher, dass es ohne Neukonzeption nicht geht. Ein weiteres Rätsel ist, wie die „Überholspur“ für geschätzt 30 Prozent der Schüler aussehen soll, die weiter gerne in acht Jahren ihr Abitur machen würden. Der CSU-Bildungsexperte Karl Freller entwickelte das Modell einer freiwilligen „Klasse Zehn-Plus“. Ob es eine Chance hat, drang bisher nicht nach außen.

    Kritiker in der CSU warnen aber jetzt schon: Auch das G9 werde nicht alle Erwartungen erfüllen können und deshalb erneut zu Enttäuschungen führen. Auf keinen Fall will man dort aber den Kernfehler der G8-Einführung von 2003 wiederholen – einen Grundsatzbeschluss zu fällen, ohne sich über die Konsequenzen klar zu sein.

    „Klar habe ich alle Antworten“, versicherte Spaenle zwar vollmundig unserer Redaktion. Eine Einschätzung, die offenbar aber selbst Seehofer bezweifelt: Ab 2. März will der Regierungschef noch einmal selbst mit den Schulverbänden sprechen. Am 6. März ist dann ein „Bildungsgipfel“ mit Spaenle und den Spitzen der Landtags-CSU geplant. Nur falls danach auch alle Folgefragen eindeutig geklärt seien, könne es eine formelle G9-Entscheidung geben, beteuert Seehofer. Und falls nicht? Dann werde die Entscheidung eben noch einmal verschoben.

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