Am späten Nachmittag des 17. April 2011 geschah das Unfassbare: Auf einer Ölspur zwischen Markt Rettenbach und Ottobeuren im Unterallgäu stürzte ein 37 Jahre alter Motorradfahrer und prallte mit einem Auto zusammen. Der Familienvater erlag seinen schweren Verletzungen.
Schon bald kam die Polizei zum Ergebnis, dass der Anschlag vorsätzlich verübt worden war. Der unbekannte Täter hatte mit Altöl gefüllte Flaschen auf der Straße zertrümmert und so die gefährlichen Schleuderfallen gelegt. In der Nähe der beliebten Motorradstrecke im Unterallgäu, auf der sich der Unfall ereignete, fanden die Beamten neun weitere Öl-Lachen mit Splittern von zertrümmerten Flaschen.
Die Kripo richtete eine Sonderkommission "Ölfleck" ein - und fand in umfangreichen Ermittlungen heraus, dass es sich offenbar um einen Serientäter handelte. "Wir gehen heute davon aus, dass der Täter für acht Anschläge vergleichbarer Art verantwortlich ist", sagt Björn Bartel, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West.
Die Fahnder sprechen dabei ganz bewusst von einem Täter. An einem Tatort konnte nämlich ein genetischer Fingerabdruck gesichert werden - "eine männliche DNA-Spur".
Die Ölfleck-Attentate
6. April 2007: Bei Bad Schussenried im Landkreis Biberach werden auf der Landstraße zwischen Ingoldingen und Reichenbach vier Ölflecken entdeckt. Die Brisanz des Vorfalls wird damals nicht erkannt: Mitglieder der örtlichen Feuerwehr beseitigt lediglich die Spuren, die Polizei wird nicht eingeschaltet.
29. April 2007: Auf der Staatsstraße 2214 bei Rennertshofen (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) kommt ein 48-Jähriger mit seinem Motorrad auf einem Ölfleck ins Rutschen und stürzt. Der Mann verletzt sich. Es stellt sich heraus: Ein Unbekannter hatte auf der Strecke insgesamt zwei Öllachen gelegt. Das Altöl hatte sich in Glasflaschen befunden, die auf der Fahrbahn zerbrochen wurden.
28. Oktober 2007: Auf der Staatsstraße 2033 bei Wittislingen im Landkreis Dillingen gerät ein 31-Jähriger mit seinem Auto am Ausgang einer Kurve auf einer Ölspur ins Schleudern. Das Auto überschlägt sich und bleibt neben der Fahrbahn auf dem Dach liegen. Der Fahrer wird im Autowrack eingeklemmt und schwer verletzt. Beamte entdecken am Unfallort grüne Glassplitter und eine Verschlusskappe, zudem sieben zertrümmerte Flaschen auf den Strecken von Hausen nach Zöschlingsweiler und zwischen Wittislingen und Ziertheim.
30. Oktober 2007: Auf der A92 Richtung Deggendorf werden bei Freising auf einer Strecke von 1,5 Kilometern insgesamt zwölf Ölflecken entdeckt. Sie wurden durch zerbrochenen Glasflaschen gelegt. Mehrere Verkehrsteilnehmer können einen Unfall gerade noch verhindern.
12./13. April 2008: Auf Straßen bei Leibertingen im Landkreis Sigmaringen werden insgesamt 19 Ölfallen entdeckt, glücklicherweise kommt es zu keinem Unfall.
21. Dezember 2009: Ein Zeuge will beobachtet haben, wie in der Nacht auf der Staatsstraße 2212 zwischen Höchstädt an der Donau und Binswangen (Landkreis Dillingen) aus einem vor ihm fahrenden Fahrzeug mit Anhänger etwa fünf Flaschen auf die Fahrbahn geworfen werden.
21. März 2010: Bei Schwendi (Landkreis Biberach) zwischen Regglisweiler und Orsenhausen werden an drei Stellen Ölflecken aufgefunden. Die Ermittlungen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verlaufen wie schon 2008 im Landkreis Sigmaringen ergebnislos.
17. April 2011: Ein 37-jähriger Familienvater gerät auf der Staatsstraße 2013 zwischen Markt Rettenbach und Ottobeuren (Landkreis Unterallgäu) mit seinem Motorrad in einer Kurve auf eine Ölspur und schlittert frontal in ein entgegenkommendes Auto. Der Mann stirbt noch an der Unfallstelle. Die Ermittlungen der Polizei ergeben, dass die Ölspur absichtlich gelegt wurde.
Obwohl die Allgäuer Fahnder inzwischen 500 Spuren und Hinweise abgearbeitet haben, konnte der Täter bislang nicht gefasst werden. Die Sonderkommission selbst wurde daher inzwischen aufgelöst. "Aber zwei Beamte der damaligen Soko stehen noch immer jederzeit parat, wenn neuen Hinweisen nachgegangen werden muss", sagt Bartel. "Denn wir werden nichts unversucht lassen, den Täter zu fassen."
Tatsächlich kam es in den Jahren nach dem tödlichen Anschlag immer wieder zu Anfragen anderer Dienststellen, bei denen es zu ähnlichen Vorfällen gekommen war. Die Taten wurden daraufhin jedes Mal abgeglichen - ohne Erfolg. "Nach 2011 gab es keinen Fall mehr, der zu dieser einen Serie gehört hätte", so der Präsidiumssprecher.
Doch jetzt alarmiert ein neuer mutmaßlicher Öl-Anschlag in Bayern die Fahnder. Ein Unbekannter hat am Wochenende auf einer Kreisstraße zwischen Dorfen und Petting (Kreis Traunstein) eine Ölspur gelegt. Das Öl war nach Ansicht der Polizei auch in diesem Fall bewusst über der Fahrbahn verteilt worden, um Motorradfahrer verunglücken zu lassen.
Steckt der gleiche Täter wie im Allgäu dahinter? "So lange wir nicht mehr wissen, ist das Spekulation", sagt Bartel. Ausschließen können und wollen die Ermittler aber nichts. "Es wird auf jeden Fall einen Abgleich mit unserer Serie geben".
Für Hinweise, die zur Ergreifung des Attentäters von Markt Rettenbach führen, ist weiter eine Belohnung von 53.000 Euro ausgesetzt.