Eine Befragung von 2500 Patienten über 70 Jahren hat ergeben, dass im Durchschnitt jeder Befragte regelmäßig sechs verschiedene Medikamente einnahm. Bei einigen Patienten waren es mehr als zehn. Ein Gespräch mit Dr. Albert Geiselbrecht, Chefarzt der Klinik für Geriatrische Rehabilitation der Hessing-Kliniken Augsburg.
Wie wichtig ist es, sich bei der Medikamenteneinnahme genau an die vorgegebene Dosierung zu halten?
Geiselbrecht: Das ist sehr wichtig, weil die Medikamente ja individuell auf den Patienten eingestellt sind. Und gerade alte Menschen vertragen Medikamente sehr unterschiedlich. Deshalb ist es eine Grundregel, dass man mit niedriger Dosierung beginnt und diese nur langsam steigert, um herauszufinden, was für den jeweiligen Patienten die richtige Dosis ist.
Was soll man tun, wenn man die Einnahme mal vergessen hat?
Geiselbrecht: Das kommt darauf an, um welches Medikament es sich handelt. In der Regel kann man die Einnahme am selben Tag nachholen, wenn man es rechtzeitig merkt. Es gibt aber Medikamente, bei denen es sicher kritischer ist, wenn man sie mehr als einen Tag vergisst, zum Beispiel Mittel gegen Blutgerinnung. Da muss man dann mit dem Arzt telefonieren, was man machen soll – da darf man nicht am nächsten Tag die doppelte Dosis nehmen, das könnte sehr gefährlich werden.
Was soll man tun, wenn man aus Versehen zu viele Tabletten eingenommen hat?
Geiselbrecht: Dann muss man auf jeden Fall mit dem Arzt reden. Es ist sehr unterschiedlich. Aber wenn Medikamente gegen Bluthochdruck dabei sind, kann es sein, dass der Blutdruck in den Keller geht. Man sollte auf jeden Fall viel trinken und auf jeden Fall zum Telefon greifen, um mit dem Hausarzt zu sprechen – und nicht hinfahren, sonst wird einem in der Straßenbahn oder im Bus noch schwarz vor Augen. Es gibt Medikamente, wo es nichts ausmacht – bei Aspirin 100 zum Beispiel, wo die einmalige Einnahme von der doppelten Dosis in der Regel keine Nebenwirkungen hat. Aber bei Bluthochdruckmedikamenten kann es bei einer Überdosis dazu führen, dass einem schwindlig wird oder man sogar in Ohnmacht fällt.
Darf man Medikamente mit Milch oder Kaffee einnehmen?
Geiselbrecht: Kaffee ist in der Regel kein Problem. Es gibt aber Medikamente, die man nicht mit Milch einnehmen sollte, gegen Parkinson etwa. Das wissen die betroffenen Patienten auch.
Was ist mit Alkohol?
Geiselbrecht: Generell sollte man Alkohol nur in Maßen genießen. Bei Medikamenten gegen Depression oder bei Beruhigungsmitteln ist Alkohol schlecht. Alkohol schadet auch, wenn man generell Probleme mit der Merkfähigkeit hat oder unter Schwindel leidet. Wenn man unter einer leichten Demenz leidet, sollte man ebenfalls Alkohol meiden.
Welche Medikamente sind besonders wichtig?
Geiselbrecht: Das kann man so generell nicht sagen. Medikamente zur Blutverdünnung zum Beispiel, die muss man einnehmen, weil man sonst Gefahr läuft, dass das Blut zu dick wird und man einen Schlaganfall erleidet. Auch Mittel gegen Blutzucker oder Bluthochdruck sollte man auf jeden Fall einnehmen. Aber im Einzelfall muss man da mit dem Arzt sprechen, ob man Medikamente auch weglassen kann.
Ist es wichtig, dass die Ärzte verschiedener Fachrichtungen wissen, was der jeweils andere Arzt verschrieben hat?
Geiselbrecht: Das ist auf jeden Fall wichtig. Vor allem sollte der Hausarzt informiert sein, um zu wissen, ob sich die einzelnen Medikamente miteinander vertragen. Mittel gegen Rheumaschmerzen können beispielsweise zu einer Nierenschwäche oder zu Herzproblemen führen. Und das sollte an zentraler Stelle bekannt sein. Selbst Augentropfen können Nebenwirkungen am Herzen haben.
Viele verschiedene Medikamente haben viele verschiedene Nebenwirkungen. Wie kann man ausschließen, dass es zu unangenehmen Folgen kommt?
Geiselbrecht: Es ist bekannt, dass ältere Patienten öfter Nebenwirkungen haben. Problematisch ist es außerdem, wenn Nebenwirkungen mit anderen Medikamenten bekämpft werden. Wichtig ist, dass der Arzt etwas als Nebenwirkung erkennt und den Mut aufbringt, im Zweifel auch ein Medikament abzusetzen.
Gerade bei älteren Menschen ist der Stoffwechsel oft träger, Niere und Leber arbeiten langsamer. Werden Medikamente da anders verarbeitet?
Geiselbrecht: Ja, auf jeden Fall. Ältere Menschen nehmen die Medikamente oft nicht so gut auf und können sie nicht so gut abbauen. Deshalb muss man da mit der Dosierung vorsichtig sein.
Haben Sie einen praktischen Tipp für die Einnahme?
Geiselbrecht: Also, diese Schatullen, auf denen Tage und Tageszeiten geschrieben sind, helfen sehr. Wichtig ist auch, in jedem Fall viel zu trinken. Ich empfehle immer, morgens zwei Halb-Liter-Krüge mit Wasser auf den Tisch zu stellen, und die sollten dann bis nachmittags leer sein.
Alte Medikamente? Darauf sollten Sie achten
Tinkturen, Tropfen, Säfte: Einmal angebrochen, verderben flüssige Zubereitungen meist relativ schnell. Notieren Sie das Anbruchsdatum und benutzen Sie das Mittel nur innerhalb der Frist, die auf dem Beipackzettel ("nach Anbruch verwendbar") angegeben ist. Alte Hustensäfte sollte man entsorgen, weil sie bedenkliche Stoffe und Bakterien enthalten können. Hände weg von abgelaufenen Augentropfen! Sie können verkeimt sein.
Nasensprays: Sollten aus hygienischen Gründen nur von einem Familienmitglied verwendet werden (auf der Packung notieren). Sie sind nach Anbruch nur wenige Monate haltbar.
Antibiotika: Angebrochene Packungen nur nach Rücksprache mit dem Arzt verwenden. Sonst kann es zu Resistenzen kommen - das heißt, dass Antibiotika nicht mehr wirken. Angerührte antibiotische Säfte für Kinder gehören in den Kühlschrank und sind nur wenige Tage haltbar.
Salben und Cremes: Wenn sie ranzig riechen, verfärbt sind oder sich ölige Tröpfchen gebildet haben, gehören sie in den Abfall. Ansonsten sind Salben, die kein Wasser enthalten, jedoch relativ lange haltbar. Dennoch sollte man vor allem Augensalben und -cremes wegen Infektionsgefahr nicht mehr nach dem Ablaufdatum verwenden.
Tabletten und Kapseln: Trocken, kühl und luftdicht gelagert, können sich Tabletten zum Teil jahrelang halten. Wenn sie bröselig oder fleckig sind, sollte man sie wegwerfen. Acetylsalicylsäure-Tabletten ("Aspirin"), die nach Essig riechen, haben mit Feuchtigkeit reagiert und sollten entsorgt werden. Giftig sind sie aber nicht.