Gewalt gegen Lehrer soll härter bestraft werden – zumindest wenn es nach dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) geht, der 60.000 Lehrer im Freistaat vertritt. Die Vorsitzende Simone Fleischmann will, dass Übergriffe auf Lehrer künftig als eigener Punkt ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden.
Die Forderung kommt kurz nach einem Angriff in Weiden in der Oberpfalz, über den Medien bundesweit berichteten. Eine Mutter hatte dort die Lehrerin ihres zwölfjährigen Sohnes auf dem Schulflur beleidigt und geschubst. Ihr Begleiter – offenbar der Großvater des Jungen – schlug der 24-Jährigen sogar ins Gesicht. Die Lehrerin wurde leicht verletzt. Kurz vorher hatte sie den Schüler im Unterricht ermahnt, woraufhin er – trotz Handyverbots auf dem Schulgelände – seine Mutter angerufen hatte.
BLLV-Präsidentin Fleischmann: Gewalt gegen Lehrer wird zu selten angezeigt
„Bisher entscheiden das zuständige Schulamt oder der Schulleiter, wie mit Übergriffen umgegangen wird“, erklärt Fleischmann. „Der eine bringt sie zur Anzeige, der andere nicht.“ Viele Rektoren hätten Angst um den Ruf ihres Hauses und würden Gewalt gegen Lehrer deshalb nicht melden. Auch die Politik „deckt das Problem immer noch gerne zu“. Nur in anonymen Statistiken wird das Ausmaß des Tabuthemas deutlich: Der Verband Bildung und Erziehung veröffentlichte 2018 eine Umfrage, wonach es in den fünf Jahren zuvor an jeder zweiten deutschen Schule Mobbing gegen Lehrer gab. An jeder vierten berichteten Lehrkräfte von körperlichen Attacken gegen sich oder Kollegen. An Grundschulen ist das Problem besonders verbreitet.
Der BLLV fordert, dass Richter künftig besonders genau hinschauen sollen, wenn sich ein gewalttätiger Angriff gegen Personen im öffentlichen Dienst richtet – zum Beispiel Behördenmitarbeiter, Bürgermeister oder eben Lehrer. Dann gefährde ein Täter nämlich nicht nur das einzelne Opfer, sondern das Gemeinwohl – man könnte auch sagen: die gesellschaftliche Ordnung. Das müsse sich auf das Strafmaß auswirken.
Lehrer werden immer wieder Opfer von Gewalt
Noch weit konkretere Vorgaben gibt es im Strafgesetzbuch bisher schon, wenn sich Gewalt gegen sogenannte Vollstreckungsbeamte richtet – das sind etwa Polizisten und Mitarbeiter im Justizvollzug. Werden sie im Dienst angegriffen, fällt die Strafe härter aus als bei Normalbürgern: Den Tätern droht dann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Attacken gegenüber Lehrern werden selten so drastisch bestraft. Doch Hans-Peter Etter, Leiter der Rechtsabteilung beim BLLV, kennt auch Ausnahmen. Er erinnert sich noch gut an einen Fall, der mit sieben Monaten Haft für eine gewalttätige Mutter endete. Wo er stattfand, darf Etter zum Schutz der betroffenen Lehrerin nicht sagen. Sie hatte ein Mädchen im Unterricht ermahnt – ganz ähnlich wie jetzt ihre Kollegin in Weiden. Am nächsten Tag sei dessen Mutter kurz vor Schulbeginn ins Klassenzimmer gestürmt und habe so lange auf die Lehrerin eingeschlagen, bis sie stürzte. Die Mutter schlug und trat die Frau weiter, bis Kinder den Hausmeister holten.
Die Schule, sagt Etter, hätte von sich aus keine Anzeige erstattet. Die Lehrerin selbst zog vor Gericht. Der Rechtsexperte hat bis heute Kontakt zu ihr: „Sie leidet noch Jahre nach der Tat.“ Um solche Schicksale zu vermeiden und die hohe Dunkelziffer öffentlich zu machen, müssen Lehrer seiner Meinung nach endlich per Gesetz geschützt werden.
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