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Erdbeben: In Bayern bebt die Erde jedes Jahr 200 Mal

Erdbeben

In Bayern bebt die Erde jedes Jahr 200 Mal

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    Joachim Wassermann vom Erdbebendienst Bayern geht den Erdbeben nach.
    Joachim Wassermann vom Erdbebendienst Bayern geht den Erdbeben nach. Foto: Michael Böhm

    Man könnte diese Geschichte beginnen mit klirrendem Geschirr, wackelnden Wänden und verängstigten Hausbewohnern. Schließlich gibt es in Bayern rund 200 Erdbeben. Jedes Jahr. Die meisten davon im Alpenraum und im Bayerischen Vogtland. Man müsste in dieser Geschichte allerdings recht schnell darauf verweisen, dass von den allermeisten dieser

    Aber manchmal kracht es dann doch so heftig, dass der Boden unter den Füßen zu schwanken beginnt. So wie kürzlich im Allgäu, wo innerhalb weniger Tage gleich zwei Mal die Erde bebte. Am frühen Abend des 17. Januar und gegen zwei Uhr nachts am 1. Februar. Ursache waren beide Male unterirdische Erschütterungen im nahegelegenen Vorarlberg in Österreich. Die waren mit einer Magnitude von 3,9 auf der bis 10 reichenden Richterskala global gesehen zwar relativ leicht, für die Region aber ungewöhnlich stark. So stark, dass sie noch im

    "Wollen herausfinden, was da unter der Erde passiert"

    Und genau an dieser Stelle kommt Joachim Wassermann ins Spiel – denn bei ihm gingen an den Tagen nach den beiden Erdbeben zahlreiche Meldungen von besorgten Allgäuern ein. Wassermann ist Geophysiker an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) in München und Erdbeben-Forscher. Wenn irgendwo im Freistaat die Erde bebt, bekommt es der 52-Jährige mit – egal, wie stark oder leicht die Erschütterung auch gewesen sein mag.

    Wassermann ist Leiter des Erdbebendienstes Bayern, der seit Anfang des Jahrtausends sämtliche seismologischen Aktivitäten im Freistaat beobachtet, aufzeichnet und analysiert. „Wir wollen herausfinden, was da unter der Erde passiert und wir wollen die Bevölkerung informieren und beruhigen, wenn es mal wieder gebebt hat“, erklärt Wassermann in seinem Büro auf einer abgelegenen Anhöhe nahe Fürstenfeldbruck. Hier, am Sitz des Geophysikalischen Observatoriums der LMU, laufen sämtliche Daten der 24 in ganz Bayern verteilten Messstationen des Erdbebendienstes zusammen. Die Geräte sind zwischen 20.000 und 50.000 Euro teuer und so sensibel, dass sie jede Erschütterung wahrnehmen.

    In München schlugen beispielsweise im Jahr 1906 die Pegel aus, als 9000 Kilometer entfernt das Erdbeben in San Francisco den Vereinigten Staaten eine ihrer schlimmsten Naturkatastrophen bescherte. In dem Waldstück bei Fürstenfeldbruck, wo die Messstation 30 Meter unter der Erde liegt, registriert diese heute sekündlich „Beben“ – und wenn es nur ein in der Ferne vorbeifahrender Lastwagen ist. Und in Oberstdorf vermeldeten die Sensoren jüngst die Erschütterungen im benachbarten Österreich.

    Was hinter den Erdbeben in Bayern steckt

    Die Ursache für Erdbeben liegt in der Plattentektonik der Erde, also dem gegeneinander Reiben und Zusammenstoßen der sogenannten Kontinentalplatten. Für manche Beben bedarf es Auslöser, beispielsweise aufsteigende Gase von unterirdischen Vulkanen oder Starkregen, dessen Wasser sich zwischen Gesteinsschichten drückt. Diese Phänomene lassen sich auch in Bayern beobachten, erklärt Seismologe Wassermann.

    Ein neueres wird derzeit besonders intensiv diskutiert und erforscht: Die Auswirkungen von Geothermie-Kraftwerken. Im Dezember 2016 und im September 2017 bebte in Poing nordöstlich von München gleich dreimal die Erde. Der Verdacht lag nahe, dass es einen Zusammenhang mit geothermischen Bohrungen in der Region gibt – zur Gewinnung von regenerativen Energien wird warmes Wasser aus der Tiefe nach oben gepumpt, abgekühlt und wieder in die Tiefe gepumpt.

    Erdbeben-Stärke: So wird sie gemessen

    Bei der Messung von Erdbeben wird die Stärke der Bodenbewegung angegeben (Magnitude).

    Jeder Punkt bedeutet etwa eine Verzehnfachung der Bebenstärke. Ein Erdbeben der Magnitude 5,0 ist demnach zehnmal so stark wie eines mit 4,0.

    Früher wurde die Erdbebenstärke einheitlich nach der Richterskala bestimmt. Der amerikanische Geophysiker Charles Francis Richter hatte die Skala 1935 speziell für Kalifornien ausgearbeitet.

    Heute wird die Skala nur noch eingeschränkt eingesetzt, auch weil das Verfahren nur bei Erschütterungen in der Nähe der Messstationen zuverlässige Werte liefert.

    Durchgesetzt hat sich immer mehr die Momentmagnitude. Als einzige bezieht sie sich direkt auf die Vorgänge am Erdbebenherd.

    Weltweit treten jährlich zwischen 1500 und 2000 Erdbeben mit Stärken über 5,0 auf.

    Mit einer Stärke höher als 8,0 bebt die Erde durchschnittlich einmal pro Jahr.

    Das heftigste bisher auf der Erde gemessene Beben hatte eine Magnitude von 9,5 und ereignete sich 1960 in Chile.

    „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Beben damit etwas zu haben“, sagt Experte Wassermann. Die Kraftwerksbetreiber bezweifeln das. Weil ein Gutachter festgestellt hat, dass von weiteren Beben keine große Gefahr ausgehen würde, wird mittlerweile wieder munter gebohrt. Wassermann ist davon überzeugt, dass es aufgrund der zunehmenden Geothermie-Aktivitäten im Land künftig vermehrt zu Beben kommen wird – insbesondere im Raum München stieg die Zahl der Kraftwerke in den vergangenen Jahren stark an.

    Wann, wo und wie stark diese Beben sein werden, ob Geschirr klirrt und Wände wackeln – all das weiß Wassermann nicht. „Es wäre schön, wenn wir Erdbeben vorhersagen könnten. Das wird uns aber leider so schnell nicht gelingen“, sagt der Geophysiker. Zum einen, weil die Erde manchmal einfach unberechenbar sei. Zum anderen, weil die Wissenschaft auch nach mehr als 110 Jahren Forschung – 1905 wurde in München-Bogenhausen die erste Erdbebenwarte in Bayern eingerichtet – noch lange nicht genug weiß über das, was im Untergrund passiert.

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