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Entlassung des CIA-Folteropfers: Was hat El Masri vor?

Entlassung des CIA-Folteropfers

Was hat El Masri vor?

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    Bei den Sicherheitsbehörden im Landkreis Neu-Ulm schrillen schon jetzt die Alarmglocken, weil in sieben Monaten das weltweit bekannte Folteropfer Khaled El Masri aus dem Gefängnis entlassen wird. Fachleute aus dem Landratsamt und die auf Islamismus spezialisierte Sondereinheit des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West bereiten sich auf den 11. Oktober vor:

    Khaled El Masri: Entlassung aus dem Gefängnis im Oktober

    An diesem Tag verlässt der dann 50 Jahre alte Deutsch-Libanese die Justizvollzugsanstalt Kempten, in der er wegen verschiedener Gewalttaten und einer Brandstiftung vier Jahre lang eingesperrt war. In den Amtsstuben geht die Angst um, dass sich der traumatisierte und für seine gewalttätigen Übergriffe bekannte Mann für sein Schicksal rächen könnte.

    Was hat El Masri vor? Das ist die zentrale Frage in den Gesprächen zwischen Polizei und Landratsamt. Als eher unwahrscheinlich gilt, dass er zu seiner Frau Aycha und den sechs Kindern in den Libanon gehen wird, wo die Frau vor gut zwei Jahren unter rätselhaften Umständen untergetaucht ist. Dies wäre den Sicherheitsbehörden zwar am liebsten, wird aber als unrealistisch eingeschätzt. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der gelernte Schreiner, der zuletzt als Autohändler tätig war, sich wieder im Landkreis Neu-Ulm eine Wohnung nehmen wird, zumal er hier monatlich 384 Euro Sozialhilfe plus rund 300 Euro Mietzuschuss bekommt.

    El Masri wird auf Leben in Freiheit vorbereitet

    Der Fall El Masri

    Vor knapp zehn Jahren war Khaled El Masri an der mazedonischen Grenze festgenommen und 23 Tage lang festgehalten worden.

    Offensichtlich hatte die Polizei ihn mit einem mutmaßlichen Mitglied des Terrornetzwerkes El Kaida gleichen Namens verwechselt.

    Nach wochenlangen Verhören wurde er dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA übergeben, der ihn in ein afghanisches Geheimgefängnis verschleppt und dort monatelang gefoltert haben soll. Ende Mai wurde er mittellos und ohne jegliche Begründung entlassen. Seitdem gilt er als traumatisiert.

    Daraufhin kehrte er zurück in den Landkreis Neu-Ulm und hatte wohl Kontakt zu radikal-islamistischen Religionsfanatikern.

    2007 verprügelte El Masri erst einen Mann und legte dann in einem Supermarkt Feuer. Er wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

    Nachdem er am 11. September 2011 den Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg zusammengeschlagen hatte, wurde die Bewährung widerrufen. Er musste ins Gefängnis nach Kempten.

    Dort verprügelte er einen Vollzugsbeamten. Dafür bekam er weitere vier Monate.

    Im Juli 2013 soll er wieder einen JVA-Beschäftigten geschlagen haben. Dafür wird ihm erneut der Prozess gemacht.

    Im Dezember 2013 verurteilt ihn das Landgericht Kempten wieder zu einer Gefängnisstrafe: Sieben Monate muss El Masri hinter Gitter, weil er einen Vollzugsbeamten mit zwei Fingern ins Gesicht geschlagen hat.

    Schon in den nächsten Wochen wird deshalb ein Sicherheitsgespräch stattfinden, bei dem Einzelheiten erörtert werden, was zu tun ist, wenn der 50-Jährige wieder in Freiheit ist. „Wir müssen uns auf diesen Tag vorbereiten und alles tun, damit sich solche Gewalttaten nicht wiederholen“, sagt Kriminaloberrat Armin Mayer, der Chef der auch für Islamismus zuständigen Sonderabteilung der Polizei. Im Gefängnis wird das sogenannte „Übergangsmanagement“ anlaufen. Dies bezeichnet das Bündel von Maßnahmen, mit denen Häftlingen der Übergang in die Freiheit erleichtert  wird und das unter anderem auch Hilfsangebote bei der Wohnungs- und Arbeitssuche beinhaltet.

    Hauptthema des für den April anberaumten Kontaktgespräches mit Vertretern der Sicherheitsbehörden wird ein ganzes Bündel von Fragen sein, auf die es noch keine Antwort gibt: Was kann getan werden, um so brutale Übergriffe wie auf den Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg am 11. September 2009 zu verhindern? Wie hat sich El Masri in vier Jahren Haft entwickelt? Ist er noch immer aggressiv und gewalttätig? Plant er einen neuen Racheakt? Wie kann man ihm helfen?

    Er schrieb Briefe aus der Haft mit verklausulierten Drohungen

    Diese Fragen drängen sich nicht zuletzt deshalb auf, weil Khaled El Masri vor Längerem schon Briefe geschrieben hat, in denen er mit blumigen Worten Drohungen ausgestoßen hat, darunter auch gegen die bayerische Justizministerin Beate Merk und ranghohe Polizisten. Es gibt Überlegungen, dass El Masri die ersten Wochen nach seiner Entlassung verdeckt observiert wird. Geprüft wird behördenintern auch, ob die Entlassung El Masris mit Auflagen verbunden wird – etwa mit einem Kontakt- oder Aufenthaltsverbot. Überlegungen, dass ihm eine elektronische Fußfessel angelegt wird, sind schnell verworfen worden. Sie haben keine rechtliche Grundlage. El Masri hat seine Strafe im Oktober verbüßt. Er ist dann ein freier Mann.

    Wegen der Vorgeschichte des Deutsch-Libanesen will aber niemand ausschließen, dass er erneut zuschlagen könnte. Aus nichtigem Anlass hat er vor Jahren einen Ausbilder der Dekra verprügelt, im Metro-Supermarkt Feuer gelegt und den Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg in seinem Büro überfallen und geschlagen.

    Andererseits haben die Verantwortlichen die Hoffnung, dass die Angelegenheit eine ganz andere Wendung nimmt, nicht aufgegeben. Es sei durchaus denkbar, dass El Masri nun Hilfsangebote annimmt und sich therapieren lässt, damit er mit sich und der Welt in Frieden ist.

    CIA-Entführung: El Masri bekommt 60.000 Euro Entschädigung

    Erst Ende 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Überstellung El Masris an den US-Geheimdienst durch die mazedonische Polizei als schwere Grundrechtsverletzung  anerkannt und ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 60 000 Euro zugesprochen. Was er mit diesem Geld vorhat, ist eine ebenfalls noch offene Frage.

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