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Entdeckungsreise: Unterwegs mit einer Pilzexpertin in den Stauden

Entdeckungsreise

Unterwegs mit einer Pilzexpertin in den Stauden

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    Pilze sprießen heuer üppig.
    Pilze sprießen heuer üppig. Foto: DPA

    Geschichten liegen auf der Straße, heißt es. Das stimmt nicht ganz. Man muss sie suchen. Das tun wir mit dieser Serie. Unsere Reporter fahren durchs Verbreitungsgebiet unserer Zeitung und bringen Geschichten mit. Dieses Mal berichten wir über die wohl zurzeit angesagtesten Waldbewohner überhaupt: Pilze.

    Es ist ein ungemütlicher Freitagvormittag in den Stauden. Das Navigationsgerät hat den Wagen über schmale Straßen gelotst, von denen ich bis dahin nicht wusste, dass sie überhaupt existieren. Das Ziel der Autofahrt und der Beginn der Entdeckungsreise liegt außerhalb von Schwabegg - es ist der Parkplatz des Natur- und Kulturlehrpfades im Burgholz.

    Regen fällt mal stärker, mal schwächer aus dem Einheitsgrau. Der böige Wind treibt die Tropfen auseinander. Doch all dies ist unwichtig, der Blick ist - nach dem Hineinschlüpfen in die Wanderschuhe und dem Überstreifen der Windjacke - auf anderes gerichtet, genauer: auf andere. Am Waldrand beginnt das sonderbare Reich der Pilze, auf das wir stoßen. Der Schwefelporling hat sich offenbar seit geraumer Zeit an dem toten Baumstamm zu schaffen gemacht.

    Seine ausladenden Lappen könnte man abschneiden und daraus ein ordentliches Pilzgericht kochen, der gelbliche, flächige Pilz ist tatsächlich essbar. "Nur der nicht mehr, der ist zu alt - oder verspeisen Sie gerne Bierdeckel?", fragt Birgit Weisel. Ich bin froh, dass sie bei diesem Waldspaziergang dabei ist. Denn

    Die geprüfte Pilzexpertin hat ein Messer mit dabei, um die gefundenen Schwammerl zu putzen, in ihren Weidenkorb legt sie die aus dem Boden gedrehten Exemplare. Alufolie und Extraschalen liegen ebenfalls im Korb bereit. Dort hinein gelangen die Pilze, von denen sie nicht sicher ist, ob man sie essen kann und die sie deshalb noch bestimmen will.

    Zwei Stunden dauert der Gang durch das Reich der wilden Pilze, die sich - das dürfte sicher sein - im einen oder anderen Fall gerne umbenennen würden. Oder wollen Sie Samtfußkrempling oder Dickschaliger Kartoffelbovist gerufen werden?

    An einem Hang unweit eines Waldweges nehmen Unkundige die bräunlich-gräuliche Pilzgruppe nicht oder nur beiläufig zur Kenntnis. Die Fachfrau freut sich über die unscheinbaren Kerlchen, die in jeder Pilzschönheitskonkurrenz auf den hinteren Plätzen landen würden. Und auch der Name führt in die Irre. Denn nach dem Genuss der Totentrompeten hat niemand Schlimmes zu befürchten. Die Verwandten des Pfifferlings gehören zu den leckeren Speisepilzen, an die sich Birgit Weisel noch am selben Tag gemacht hat: abernten, putzen, in handliche Portionen schneiden, trocknen und fürs wohlschmeckende Pilzgericht der Zukunft in einer Dose aufbewahren.

    Dass sich die Leute in diesen Tagen und Wochen in aller Herrgottsfrühe "in die Pilze" aufmachen, kann Weisel nicht verstehen. "Ich finde immer welche", sagt sie. Kein Wunder: Schließlich ist die promovierte Physikerin in der Lage, zwischen 300 und 400 verschiedene Arten zu benennen - und ihre Eigenheiten zu erkennen. Giftige Doppelgänger wie der Karbolchampignon, der gerne mal mit dem bekömmlichen Wald- und Wiesenchampignon verwechselt wird, haben keine Chance, ins braune Körbchen und später in den Magen zu gelangen.

    Der regenreiche Sommer hat mit dazu beigetragen, dass in der Pilzsaison 2010 die meisten das finden, was sie suchen. Unsere Ausbeute kann sich sehen lassen. 30 verschiedene Arten haben wir gestern Vormittag entdeckt. Darunter Typen, die sich gerne gruppenweise ans Totholz klammern, wie der kleine und ungenießbare Gesellige Glöckchennäbling. Oder auch - einsam im Moos - der Mohrenkopfmilchling. Da steht er nicht mehr.

    Der Pilz ist einer der wenigen, die auch roh verzehrt werden können. Wir haben sein Angebot angenommen - und ihn gleich an Ort und Stelle verdrückt. Schmeckt ein wenig nussig, meint die Kennerin, die zuvor an dem Pilz riecht. "Da hat wohl kein Fuchs darüber gepisst", meint sie trocken. Die Gefahr vor einem Fuchsbandwurm scheint gebannt. Till Hofmann

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