Zum ersten Mal darf die elfjährige Janina Silvester ohne die Eltern bei zwei Freundinnen feiern. Kurz nach Mitternacht ruft sie bei ihrer Mutter an. Sie ist fröhlich und sagt: „Mama, ich habe sehr viel Spaß. Ich erzähle dir alles morgen beim Frühstück. Ich habe dich lieb.“ Wenige Stunden später ist Janina tot. Eine Kugel aus einer Kleinkaliberwaffe hat sie in den Kopf getroffen.
Nach dem tödlichen Vorfall in Unterschleichach (Landkreis Haßberge) hat jetzt die Mutter des Mädchens verschiedenen Medien die dramatischen Stunden geschildert. In dem Telefonat hat Magdalena Mokris, 36, zum letzten Mal mit ihrer Tochter gesprochen. Um kurz vor 1 Uhr bricht das Mädchen plötzlich auf der Straße bewusstlos zusammen. Rettungskräfte sind schnell vor Ort und bringen das Kind in eine Klinik nach Schweinfurt. „Meine Freundin rief mich an und sagte, Janina sei gefallen“, berichtet Mokris, „ich dachte noch, dass es nichts Schlimmes ist.“
Doch im Krankenhaus wird der Mutter rasch klar, dass es nicht nur ein harmloser Sturz gewesen sein konnte. Nach einer mehr als fünf Stunden dauernden Not-OP teilt ein Arzt der Familie mit, dass dem Mädchen ein Metallsplitter aus dem Kopf entfernt worden sei. Zwei Stunden später kommt die Nachricht, dass Janina gestorben ist. „Meine Tochter war wie ein Engel“, sagt Mokris.
Seit dem Vorfall beschäftigt die Menschen in dem 400-Einwohner-Ort eine Frage: War es Absicht oder eine tragische Verkettung unglücklicher Zufälle? Die Polizei geht davon aus, dass „es in Unterschleichach keinen Täter gibt, der gezielt auf Menschen schießt“, sagt Peter Häusinger, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. Die Gefahr eines weiteren Anschlags gebe es nicht. Ob Janina von dem Schuss direkt oder von einem Querschläger getroffen wurde, darüber will Häusinger keine Auskünfte geben. Eine Sonderkommission mit rund 50 Beamten fahndet nach dem Täter. Der entscheidende Durchbruch ist bislang nicht gelungen.
Mutter der elfjährigen Janina wendet sich in Video an den Täter
Magdalena Mokris wendet sich in einem Video-Interview an den Urheber des tödlichen Schusses: „Diejenigen, die das waren, sollen wissen, dass sie mir meine Tochter, mein Leben weggenommen haben, und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“ Die Bedienung fordert den Täter auf, sich zu stellen: „Wenn derjenige noch etwas Anstand hat, dann soll er sich bei der Polizei melden.“ Die Mutter des Mädchens, die erst vor neun Wochen einen Sohn zur Welt gebracht hat, wird seit der Tat psychologisch betreut.
Die Ermittler führen seit Tagen Vernehmungen in Unterschleichach durch. Vor allem Menschen, die in der Nähe des Tatortes wohnen oder sich in der Silvesternacht dort aufgehalten haben, werden überprüft. Die Kripo geht auch Hinweisen aus der Bevölkerung nach. „Sonderlich viele Hinweise waren es bislang nicht, aber es ist ja auch ein kleines Dorf“, erklärt Polizeisprecher Häusinger.
Elfjährige erschossen: Polizei sucht nach Waffe
Und was hat es mit der Waffe auf sich? Die Soko überprüft auch alle Menschen in der Umgebung, die Zugriff auf Waffen haben. Nach der Obduktion des Mädchens steht fest, dass das Projektil aus einer Kleinkaliberwaffe abgefeuert wurde. Als Kleinkaliberwaffen werden Pistolen und Gewehre bezeichnet, die Projektile aus Weichblei mit einem Durchmesser von 5,6 Millimetern verschießen. So ein Geschoss könne, wenn es im Winkel von etwa 45 Grad abgefeuert werde, zwar eine Entfernung von bis zu eineinhalb Kilometer zurücklegen, erklärt ein passionierter Sportschütze, der namentlich nicht genannt werden will.
Das Projektil würde dann aber keine schweren Verletzungen verursachen, „höchstens einen blauen Flecken“. Damit es zu solch dramatischen Folgen wie in Unterschleichach kommen könne, müsste die Waffe in der nahen Umgebung des Opfers abgefeuert worden sein, „im Umkreis von wenigen hundert Metern“.
Eine Suche mit Metalldetektoren hat allerdings bisher keine neuen Spuren gebracht. In der Regel sei es möglich, ein Projektil der Waffe zuzuordnen, aus der es abgefeuert wurde, so Polizeisprecher Häusinger. Das Problem: Noch ist die Tatwaffe nicht gefunden.