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Eishallen-Unglück: Neue Strafanzeigen im Reichenhall-Prozess

Eishallen-Unglück

Neue Strafanzeigen im Reichenhall-Prozess

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    Die eingestürzte Eissporthalle in Bad Reichenhall.
    Die eingestürzte Eissporthalle in Bad Reichenhall. Foto: DPA

    Bad Reichenhall/Traunstein (dpa/lby) - Drei Jahre nach dem Einsturz der Eislaufhalle von Bad Reichenhall mit 15 Toten hat einer der Angehörigen neue Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Stadtverwaltung angekündigt. "Das Anklagegerüst der Staatsanwaltschaft Traunstein ist in sich zusammengebrochen", sagte Robert Schromm am Dienstag zur Begründung. Der 45-Jährige hatte bei der Katastrophe seine Ehefrau verloren, seine heute achtjährige Tochter überlebte schwer verletzt.

    Am 2. Januar 2006 waren beim Einsturz des Gebäudes 15 überwiegend junge Menschen ums Leben gekommen. Das Landgericht Traunstein sprach im November 2008 einen Architekten und einen Gutachter vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei und verurteilte den Konstrukteur des Hallendaches zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren. Die Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verteidiger des Konstrukteurs Revision zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe ankündigten.

    Nun liegen den Prozessbeteiligten die schriftlichen Urteilsgründe vor. Auf mehr als 100 Seiten legt die Große Strafkammer dar, worauf sie ihre Urteile stützt. Nach Überzeugung von Schromm sind die Argumente der Richter eine schallende Ohrfeige für die Anklagebehörde. Die Strafkammer bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass es sehr wohl Versäumnisse bei der Reichenhaller Stadtverwaltung gegeben habe.

    Schon im Prozessverlauf war wiederholt deutlich geworden, dass die Kommune als Eigentümerin des Gebäudes zwar von baulichen Mängeln wusste, aber nicht für Abhilfe sorgte. Dennoch wurden die Verantwortlichen im Rathaus lediglich als Zeugen vernommen, obwohl ihre Befragung nach Überzeugung von Prozessbeobachtern mitunter den Eindruck erweckte, als säßen die Schuldigen der Katastrophe vor der Richterbank.

    Im Zusammenhang mit dem Hallen-Gutachten des freigesprochenen Angeklagten geht aus der Urteilsbegründung hervor, dass die Stadtverwaltung keine Konsequenzen aus den ihr bekannten Mängeln zog. "Bis zum Unglückstag am 2. Januar 2006 hatte die Stadt Bad Reichenhall noch keine konkreten Maßnahmen für eine Sanierung bzw. komplette Erneuerung des Schwimm- und Eishallenkomplexes in die Wege geleitet", heißt es in dem Papier. An anderer Stelle steht zu Hinweisen auf Baumängel: "Eine Reaktion seitens der Stadt erfolgte nicht."

    Sätze wie diese sieht Schromm als Steilvorlage für seine These, wonach tatsächlich die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung auf die Anklagebank gehört hätten und nicht Architekten oder Ingenieure. Er will kommende Woche persönlich bei der Traunsteiner Staatsanwaltschaft Strafanzeigen wegen fahrlässiger Tötung gegen Ex- Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier sowie gegen die Stadtbaudirektorin und den Leiter des Hochbauamtes im Rathaus einreichen. Bisher lehnt die Anklagebehörde neue Ermittlungen ab.

    Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger, der die Anklage auch im Prozess vertreten hatte, bestätigte am Dienstag lediglich, dass die Urteilsbegründung seit vergangenem Freitag vorliege. "Wir haben jetzt einen Monat Zeit", erläuterte Hammerdinger. "Danach werden wir entscheiden, ob wir die Revision begründen oder nicht." Der Verteidiger des in erster Instanz verurteilten Dachkonstrukteurs kündigte allerdings bereits an, er werde für seinen Mandanten die Revision fristgerecht einreichen. "Für mich sind die schriftlichen Urteilsgründe nicht überzeugend", sagte Harald Baumgärtl.

    Am Dienstagabend wollte Robert Schromm zusammen mit seiner achtjährigen Tochter Ricarda bei einer Lichteraktion an den Tod seiner Frau und Mutter erinnern. Unter dem Motto "Licht ins Dunkel" sollten 162 Fackeln - eine für jede Woche seit dem Unglück - und mehrere hundert Grablichter rund um die inzwischen abgerissene Eislaufhalle brennen. Nach Einbruch der Dunkelheit wollte Schromm bei günstigem Wetter zudem 15 beleuchtete Ballons als Reverenz an die 15 Todesopfer in den Himmel steigen lassen

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