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Oberallgäu: Eine "Reichsbürgerin"? Allgäuer Bürgermeisterin suspendiert

Oberallgäu

Eine "Reichsbürgerin"? Allgäuer Bürgermeisterin suspendiert

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    Weil eine Bürgermeisterin im Oberallgäu einer Reichsbürger-Bewegung nahestehen soll, hat die Landesanwaltschaft sie vorläufig suspendiert.
    Weil eine Bürgermeisterin im Oberallgäu einer Reichsbürger-Bewegung nahestehen soll, hat die Landesanwaltschaft sie vorläufig suspendiert. Foto: Patrick Seeger, dpa

    Die Landesanwaltschaft Bayern hat am Dienstag Bolsterlangs Bürgermeisterin Monika Zeller (Freie Wähler) suspendiert. Die Oberallgäuer Rathauschefin wurde vorläufig des Dienstes enthoben, weil sie laut der Justizbehörde der Reichsbürger-Bewegung nahesteht. Zudem wird eine Disziplinaranklage erhoben, um Zeller aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Darüber soll das Verwaltungsgericht München entscheiden, wo die Klage in den nächsten Tagen eingehen wird.

    Mehrere Hinweise: Zeller soll Reichsbürger-Bewegung nahe stehen

    Monika Zeller.
    Monika Zeller. Foto: Freie Wähler

    Nach Abschluss der Ermittlungen sieht es die Landesanwaltschaft als erwiesen an, dass Zeller für sich und ihre Söhne Anträge auf Staatsangehörigkeitsausweise gestellt hat. Diese sogenannten gelben Scheine dienen Reichsbürgern als Passersatz. Zudem hat Zeller nach Behördenangaben Selbstauskünfte in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten beantragt und dabei für die Reichsbürger-Bewegung typische Angaben gemacht. Sie nannte als Wohnsitzstaat „Bayern (Deutschland als Ganzes)“ und gab zudem an, neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die des Königreichs Bayern zu besitzen. Zudem habe Zeller aktiv daran mitgewirkt, dass einem bekannten Redner aus den Kreisen der Reichsbürgerbewegung 2016 ein Raum der Gemeinde für einen Vortrag überlassen wurde.

    „Sie hat an dieser Veranstaltung selbst teilgenommen und nicht verhindert, dass der Vortragende das Gedankengut der Reichsbürgerbewegung verbreitet“, teilte Oberlandesanwalt Dr. Jörg Spennemann mit. „Die kommunale Wahlbeamtin ist nach Einschätzung der Landesanwaltschaft als Anhängerin der sogenannten Reichsbürgerbewegung anzusehen und hat sich von dem in diesen Kreisen verbreiteten Gedankengut nicht glaubhaft distanziert“. Somit habe sie gegen die „Kernpflicht“ eines jeden Beamten verstoßen, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt auch und gerade gegenüber Gruppen einzutreten, die sie angreifen, bekämpfen oder diffamieren. Deshalb erscheine „eine weitere Tätigkeit als erste Bürgermeisterin untragbar.“

    Der zweite Bürgermeister übernimmt vorläufig

    Über ein Jahr dauerte das Disziplinarverfahren, dass die Landesanwaltschaft im April 2017 eingeleitet hatte. Die Ermittlungen hätten sich aufwendig gestaltet“, begründete Spennemann die Verzögerung. Die Ermittlungen wurden im Februar 2018 abgeschlossen. Zum Ergebnis musste die Bürgermeisterin noch einmal gehört werden. Dabei habe Zeller Fristverlängerung und die Durchführung einer weiteren persönlichen Anhörung beantragt, die Mitte Juni stattgefunden hat.

    Monika Zeller war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Sie hat die Möglichkeit, bei Gericht die Aussetzung der Suspendierung zu beantragen. Sie hatte sich in der Vergangenheit von der Reichsbürger-Bewegung distanziert, aber eingeräumt einen „gelben Schein“ beantragt zu haben. Der zweite Bürgermeister Rolf Walter wird vorläufig die Amtsgeschäfte in Bolsterlang übernehmen, teilte das Landratsamt mit. Nun müsse abgewartet werden, wie das Verwaltungsgericht entscheidet und bis feststehe, ob Zeller aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

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