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Ursula Herrmann-Prozess: Ein winziger Trost nach Jahren des Leids

Ursula Herrmann-Prozess

Ein winziger Trost nach Jahren des Leids

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    Ursula Herrmann erstickte in dieser Holzkiste.
    Ursula Herrmann erstickte in dieser Holzkiste.

    Von Holger Sabinsky Augsburg - Nach all dem Leid der vergangenen Jahre und Tage hat Deutschlands bekanntester Gerichtsmediziner, Wolfgang Eisenmenger, so etwas wie einen winzigen, späten Trost für die Familie der getöteten Ursula Herrmann: Das Mädchen ist wegen akuten Sauerstoffmangels in seiner Gefängniskiste langsam bewusstlos geworden und erstickt.

    "Es ist vielleicht eine tröstliche Überlegung, dass Ursula nicht nach Luft gerungen hat und eventuell sogar ein euphorisches Gefühl hatte", sagt Eisenmenger, der Ursula im Oktober 1981 obduziert hatte.

    Der Gerichtsmediziner widerlegt damit den oft zitierten "qualvollen Erstickungstod". Einen langen Todeskampf hatte das Kind offenbar nicht. Eisenmenger vergleicht Ursulas Sterben mit dem Gefühl eines Bergsteigers ohne Sauerstoff auf einem Achttausender. Der kriege subjektiv ebenfalls nicht mit, dass er keinen Sauerstoff mehr einatme. Die Leiche des Kindes beschreibt er als "141 Zentimeter lang und 30,5 Kilogramm schwer."

    Eine Pein kann Eisenmenger den Angehörigen jedoch nicht nehmen: "Das Kind muss Todesangst gehabt haben." Er könne dies zwar nicht anhand der Obduktionsergebnisse feststellen. Doch Eisenmenger war am 4. Oktober 1981 zu dem Ort im Wald nahe Eching gerufen worden, wo Polizeibeamten die Kiste gefunden hatten. Er stand selbst unmittelbar am Rande der Kiste und blickte der toten Ursula ins Gesicht. "Es hat mich in hohem Maße erschreckt, was ich da gesehen habe", schildert Eisenmenger und fügt hinzu: "Ich mache sonst wenig Gebrauch von meinen Empfindungen."

    Ursulas Bruder Michael Herrmann lässt die detaillierte Aussage des Gerichtsmediziners über sich ergehen. Dann meldet er sich erstmals im Prozess zu Wort - mit einer Frage: "Waren Ursulas Augen geöffnet oder geschlossen?" Eisenmenger muss erst in die Akten schauen und antwortet dann: "Die Augen waren geschlossen."

    Damit ist eine weitere Legende um Ursulas Tod zerstört, die der Familie in all den Jahren besonders zugesetzt hat: TV-Fahnder Eduard Zimmermann hat in Interviews immer gesagt, er könne den Blick des Mädchens nicht vergessen, nachdem ihm Ermittler Tatort-Fotos gezeigt hatten. Der flehende Blick zum Kistendeckel - das muss für die Familie ein besonders grauenvolles Bild gewesen sein. Dieses Bild löscht Eisenmenger, der Ende März in Ruhestand geht, nun möglicherweise mit seiner Feststellung.

    Im zweiten Teil des fünften Verhandlungstags kommen erneut die gravierenden Ermittlungspannen zur Sprache. Der ehemalige Chef-Ermittler Joachim S. berichtet, dass seine Kollegen die Spuren, die schon damals gegen den jetzigen Angeklagten vorhanden waren, "total versaut" hätten. Er ist bis heute überzeugt, dass der Hauptangeklagte Werner M. (58) der Täter ist.

    "Ich konnte nicht glauben, dass ein lupenreiner Fall, der bereits im Jahre 1983 hätte aufgeklärt werden müssen, nicht aufgeklärt wurde." Der Ex-Ermittler berichtet dem Gericht von einer ganzen Reihe von Pannen und Fehlern: So habe man erst nach Tagen eine Fangschaltung an Herrmanns Telefon installieren können, weil das einzige Gerät verwendet wurde, um einen verschmähten Liebhaber zu ermitteln. Dann konnte das Gerät aber nur funktionieren, wenn der Erpresser aus Eching anrief. Sobald er eine Vorwahl wählte, schaltete sich das Gerät nicht ein. Auch seien die Ermittler damals "Versuchskaninchen für die EDV" gewesen, Hunderte Vorgänge seien erst erheblich verspätet bei den Akten gelandet.

    Im Oktober 1982 gab es heftigen Streit unter den Ermittlern. Ein Kollege beschwerte sich im Polizeipräsidium über Joachim S., der daraufhin als "Erster Sachbearbeiter" abgelöst wurde.

    Am 14. Oktober 1982 schrieb der Polizist einen 14-seitigen Bericht, auf dem er alle Fehler der Kollegen aus seiner Sicht auflistete. Den Bericht schickte er an die Staatsanwaltschaft und seine Vorgesetzten. Er leitete sogar ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst ein, um den Konflikt aufklären zu lassen.

    Sein Nachfolger und Kontrahent berichtet dagegen von massiven Verdachtsmomenten gegen den ehemaligen Polizisten Harald W. (wir berichteten). Etliche Indizien sprächen für ihn als Entführer von Ursula. Doch W. starb, ohne dass ihm ein Prozess gemacht worden wäre.

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