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Ein Jahr Corona: Wie sich Markus Söder in einem Jahr Corona-Pandemie verändert hat

Ein Jahr Corona

Wie sich Markus Söder in einem Jahr Corona-Pandemie verändert hat

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    Nicht mal der Politische Aschermittwoch findet unter normalen Bedingungen statt. Markus Söder wird zwar in der Passauer Dreiländerhalle auftreten, Beifall gibt es aber nur virtuell.
    Nicht mal der Politische Aschermittwoch findet unter normalen Bedingungen statt. Markus Söder wird zwar in der Passauer Dreiländerhalle auftreten, Beifall gibt es aber nur virtuell. Foto: Daniel Biskup

    Wer in einschlägigen Archiven nach Zitaten von Markus Söder sucht, in denen der Begriff „Demut“ vorkommt, wird eine erstaunliche Entdeckung machen. Je mehr Treffer es für einen bestimmten Zeitraum gibt, umso heikler ist die politische Situation für den CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten. Politikwissenschaftler, die Lust und Zeit dazu haben, könnten aus den Daten ein wahrscheinlich höchst aufschlussreiches und zugleich amüsantes Diagramm basteln.

    Auf einer Zeitachse vom Ende des Machtkampfs mit Horst Seehofer (Jahreswende 2017/2018) bis zum Beginn der Corona-Krise (Anfang 2020) ließe sich anhand der Häufigkeit der Treffer eine Fieberkurve nachzeichnen, die ziemlich präzise darstellt, in welchen Phasen der machtbewusste Politikstratege Söder sich mit Schwierigkeiten oder Widerständen konfrontiert sah. Immer, wenn er von Demut sprach, war er defensiv unterwegs und auf der Suche nach Unterstützern.

    Auch jetzt spricht Söder von Demut. Auch jetzt sucht er Unterstützer. Und doch ist es jetzt anders als sonst. Seine zentrale persönliche Erfahrung im ersten Jahr der Corona-Krise beschreibt er mit dem Satz: „Man lernt Demut, wenn man sieht, wie schnell und wie gefährlich sich alles ändern kann.“ Das klingt nicht mehr nach Strategie. Das klingt eher wie ein tiefer Seufzer.

    Im Gespräch mit unserer Redaktion gibt Söder ganz offen zu, dass ihm die lange Dauer der Pandemie aufs Gemüt schlägt: „Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Die Koordinaten haben sich deutlich verschoben.“ Die Corona-Krise unterscheide sich fundamental von herkömmlichen politischen Streitfragen. „Hier geht es“, wie er sagt, „tatsächlich um Leben und Tod.“ Statt sich wie einst rauflustig auf politische Gegner zu stürzen, predigt der CSU-Chef „Umsicht und Vorsicht“ und bemüht sich nach Kräften, sich nicht provozieren zu lassen.

    Nur Angela Merkel ist in Umfragen beliebter als Markus Söder

    In den Umfragen hat ihm das bundesweit noch mal einen Schub gegeben. In der Beliebtheit rangiert er direkt hinter der Bundeskanzlerin. Doch von Umfragen, so sagt er immer wieder, solle man sich nicht täuschen lassen. Das könne in kurzer Zeit wieder anders sein. Nachfragen nach einer möglichen Kanzlerkandidatur blockt er ab. Ihn beschäftige die Pandemie – jeden Tag aufs Neue, von morgens bis abends.

    Viel zu bereden: Unter den Politikern ist Umfragen zufolge derzeit nur Angela Merkel beliebter als Markus Söder.
    Viel zu bereden: Unter den Politikern ist Umfragen zufolge derzeit nur Angela Merkel beliebter als Markus Söder. Foto: Filip Singer, dpa

    Am markantesten zeigt sich der Wandel im politischen Stil. Alte Mechanismen funktionieren nicht mehr. Der Werkzeugkasten der CSU ist für die sonst üblichen parteipolitischen Auseinandersetzungen reichlich bestückt. Eine klassische Vorgehensweise im Umgang mit der Opposition in Bayern folgt zum Beispiel einer ebenso simplen wie erfolgreichen Logik: berechtigte Kritik ignorieren, Verbesserungsvorschläge erst einmal ablehnen, Schamfrist einhalten, dann die Vorschläge als eigene Ideen ausgeben und selbst umsetzen. Jahrzehntelang ist es auf diese Art gelungen, die SPD in Bayern klein zu halten.

    Der Ernst der Lage und die Dringlichkeit, mit der entschieden werden muss, aber lassen derart taktische Wendungen aktuell nicht mehr zu. Kritisieren lässt sich der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident zwar immer noch nicht gern, aber gute Vorschläge, die in Bayern aus seiner Sicht zuletzt vor allem von den Grünen kamen, werden neuerdings ziemlich zügig umgesetzt. Mehr noch: Söder scheut sich nicht, das auch öffentlich zu sagen.

    Ein weiteres Beispiel ist die altbekannte Strategie der Ablenkung. Wenn ein unangenehmes Thema die Schlagzeilen dominiert, dann entzieht man es am effektivsten der öffentlichen Aufmerksamkeit, indem man selbst ein neues, interessanteres Thema setzt. In der Corona-Krise ist daraus ein stumpfes Schwert geworden. Die Taktik geht nicht auf, wenn ein einziges, existenzielles Thema alles andere überdeckt. Mit durchsichtiger Parteipolitik ist da nichts mehr zu erreichen.

    Söder sagt: "Der Staat muss ein Schutzversprechen einlösen"

    Kurz gesagt: Der politische Diskurs hat sich grundlegend gewandelt. Die Aufgabenstellung für Regierungen ist eine andere geworden. Und Söder zeigt einmal mehr, wie schnell er dazu in der Lage ist, sich veränderten Situationen anzupassen. Er formuliert es sehr grundsätzlich: „Der Staat ist in der Corona-Krise besonders gefordert. Er muss ein Schutzversprechen einlösen.“ Darauf müssten die Regierenden neue Antworten finden, vor allem aber müssten sie Konsequenz zeigen.

    Der Ministerpräsident und seine Masken: Auch das war in den vergangenen zwölf Corona-Monaten immer wieder ein Gesprächsthema.
    Der Ministerpräsident und seine Masken: Auch das war in den vergangenen zwölf Corona-Monaten immer wieder ein Gesprächsthema. Foto: Matthias Balk, dpa

    „Politik ist im Normalfall oft sehr von kurzfristigen Entscheidungen und Themenwechseln geprägt. Corona ist indes eine langfristige Herausforderung. Da braucht es einen langen Atem und eine klare Linie. Hier geht es um langfristige Seriosität und Stabilität. Wer da seine Linie verlässt, der wird verlassen“, sagt Söder.

    Die Linie zu halten allerdings erfordert erhebliche Anstrengungen. Auch wenn sein Corona–Kurs in Umfragen nach wie vor eine Mehrheit hat – der Überdruss in der Bevölkerung ist mit Händen zu greifen. Die Kritik aus den Reihen derer, die der Lockdown beruflich besonders hart trifft, wird lauter. Die Forderungen nach Lockerungen werden immer ungeduldiger vorgetragen. Und Radikale versuchen, diese Stimmungen für sich zu nutzen.

    Die Gründe für den Lockdown aber bestehen vorerst fort – davon ist Söder überzeugt. „Ein bisschen“, so sagt er, „ist es wie in dem Film ,Und täglich grüßt das Murmeltier’. Man muss immer wieder von vorne anfangen und alles erklären. Denn die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ist ein hohes Gut.“

    Harte Ansagen sind Markus Söder kaum zu entlocken

    Neu und gar nicht trivial ist auch, was sich innerhalb der Regierungen verändert hat. Das betrifft zum einen die Kabinette. Experten spielen dort eine immer größere Rolle. „Wir waren in der Entscheidungsfindung noch nie so eng an die Wissenschaft gebunden. Jetzt ist es zum Normalfall geworden, dass wir mit fünf, sechs oder sieben Professoren gemeinsam beraten“, sagt Söder.

    Das betrifft aber auch die Verwaltungen. Um die Gesundheitsämter in Bayern (und anderswo) hat sich lange Zeit niemand gekümmert. Es soll kleine Ämter im Freistaat geben, die gerade mal mit eineinhalb Stellen ausgestattet waren. Plötzlich stehen die Gesundheitsämter im Zentrum der Politik. Söder weiß um die Schwächen im System. Aber er bemüht sich, die Mitarbeiter, auf die es jetzt ankommt, zu motivieren. Er sagt: „Die Gesundheitsämter arbeiten viel besser, als es so mancher Kritiker vermutet hätte.“

    Harte Ansagen oder scharfe Kritik sind ihm kaum zu entlocken. Seinen Ärger über Lehrer- und Elternverbände kurz vor Weihnachten zum Beispiel versuchte er dadurch zu verbergen, dass er die Gelassenheit der Schüler über den grünen Klee lobte. Diese defensiven Redeweisen behält er bei. Söder ist zum Diplomaten mutiert. Er bleibt im Allgemeinen, wenn er sagt: „Ich bin immer wieder überrascht, wie einzelne Personen über sich hinauswachsen und bin manchmal enttäuscht, wie träge manche Strukturen immer noch sind.“

    Beim Namen nennt er die Dinge möglichst nicht. Es ist die Zeit der Demut.

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